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Im Laufe der Zeit sind eine Reihe von Artikel in Zeitschriften, Büchern und Magazinen über Pater Engelmar Unzeitig CMM erschienen. Hier finden Sie eine Auswahl, die stetig ergänzt wird ….

An „Hölle von Dachau“ nicht zerbrochen

Generalsuperior der Mariannhiller Missionare sprach beim Oasentag über den Märtyrerpriester Pater Engelmar Unzeitig – Pater Damian Weber: „Wagen auch wir es, in der Oase des Kreuzes die Liebe Gottes neu zu entdecken“

Würzburg (POW) Welche Anregungen das Lebenszeugnis von Pater Engelmar Unzeitig, der im Konzentrationslager Dachau den Märtyrertod starb, den Menschen von heute geben kann, hat Pater Damian Weber, Generalsuperior der Marianhiller Missionare, beim Oasentag für Priester, Diakone und Priesteramtskandidaten am Montag, 21. März, in der Würzburger Seminarkirche Sankt Michael erläutert. „Geht es uns zu gut, sind wir zu beschäftigt, um zu wissen, dass Gott mich sucht?“, fragte er provokant in die Runde.

„‚Gott braucht uns nicht‘, sagt Pater Engelmar Unzeitig. ‚Doch er will meine Hingabe, meine Liebe, mein Opfer‘“. Wie Weber weiter ausführte, habe Unzeitig in der „Hölle von Dachau“ einen Beitrag dazu leisten können, „die Welt ins Vaterhaus heimholen zu können“. „Pater Engelmar wusste, dass hier im KZ etwas schiefläuft. Aber er wusste auch: Da ist einer, der die Menschen beim Namen ruft.“

Wie die Israeliten in der Wüste, die von den Schlangen bedrängt wurden, auf die an einem Stab erhöhte Metallschlange blickten und gerettet wurden, habe Unzeitig im Bewusstsein gelebt: „In dieser Hölle gibt es nur diese Zusicherung: das Vertrauen auf Gott.“ Der Mariannhiller habe in seinen Briefen deutlich gemacht, dass er in Dachau nicht so als Priester aktiv sein könne, wie er es gerne wäre. „Er musste passiv sein. Und ‚passiv‘, das heißt im engen und ursprünglichen Sinn des lateinischen Worts ‚leidend‘.“

Im August 1943 schrieb Unzeitig: „Wenn ich heute an meinem Primiztag bedenke, dass ich nun schon die längste Zeit meines Priestertums herinnen verbringe, so muss man doch sagen, Gottes Wege sind wunderbar. Ja, Gott braucht uns nicht, nur unsere Liebe, unsere Hingabe, unser Opfer. So hoffe ich auch, den unzähligen Heimatlosen, all den Hilf- und Trostlosen, besonders in den schwer heimgesuchten Städten, in etwa zu Hilfe kommen zu können. Dazu hat uns wohl Gott aus der aktiven Seelsorge herausgenommen, dass wir als große Beterschar durch Gebet und Opfer zu Gott um Gnade und Erbarmen flehen für unsere Brüder und Schwestern draußen.“

Weber erklärte, es sei wichtig, das Leiden im Leben anzunehmen als Geschenk und Opfergabe. „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingegeben hat.“ Deswegen sei Unzeitig auch nicht an der Unmenschlichkeit im Konzentrationslager verzweifelt, wo es wichtig war, bei guten Taten und aktiver Hilfe für den Nächsten nicht erwischt zu werden. „Dachau war kein Ort für Altruismus.“ Dennoch sei der Priester Unzeitig daran nicht zerbrochen, weil er nicht an der Treue Gottes habe zweifeln wollen, betonte der Generalsuperior der Mariannhiller Missionare. „Wagen auch wir es, in der Oase des Kreuzes die Liebe Gottes neu zu entdecken“, rief er den Zuhörern in der Michaelskirche zu.

Pater Engelmar Unzeitig wurde als Hubert Unzeitig am 1. März 1911 in Greifendorf in Ostmähren geboren. Am 18. April 1928 begann er seine Ausbildung an der Mariannhiller Schule in Reimlingen und legte im April 1934 sein Abitur ab. Noch im gleichen Monat begann er im Missionshaus Sankt Paul in den Niederlanden sein Noviziat und erhielt den Namen Frater Engelmar. In Würzburg studierte er Philosophie und Theologie und empfing 1939 die Priesterweihe. Danach wirkte er als Pfarrer in Glöckelberg im Böhmerwald. Weil er im Religionsunterricht und in seinen Predigten gegen die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten protestierte, wurde er 1941 durch die Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Freiwillig meldete er sich dort 1944 zur Pflege von Flecktyphus-Kranken. Hunderten von Todkranken spendete er die Sakramente. Mitgefangene rettete er vor dem Hungertod, indem er ihnen von seiner Essensration gab. Mithäftlinge bezeichneten ihn als „Engel von Dachau“. Unzeitig starb am 2. März 1945 an Flecktyphus. Seine Asche wurde aus dem Konzentrationslager geschmuggelt und auf dem Würzburger Hauptfriedhof beigesetzt. Seit 1968 ist die Urne in einer Seitenkapelle der Mariannhiller Herz-Jesu-Kirche in Würzburg bestattet. Am 24. September 2016 wird Unzeitig in Würzburg seliggesprochen.

mh (POW)

(43 Zeilen/1216/0389; E-Mail voraus)

Ackermanngemeinde aus Würzburg besucht Greifendorf, den Geburtsort von Pater Engelmar Unzeitig – „Jeder war ein Bruder für ihn“

Text: Christian Ammon

Vom Schönhengster Rücken, der Wasserscheide zwischen Elbe und Donau, weht kaum unterbrochen ein strammer Wind über das flache Land des Schönhengstgaus mit seinen Feldern und Wiesen. Er bricht sich an den schmucklosen, geduckt ins Tal geschmiegten Häusern der Dörfer, die den Straßen oft kilometerlang wie eine Perlenkette folgen. Die friedlich, beinahe etwas schläfrig wirkende Landschaft will so ganz und gar nicht zu dem Engelmar Unzeitig passen, den seine Mithäftlinge im Priesterblock des KZ „Engel von Dachau“ oder „Maximilian Kolbe der Deutschen“ nannten.

Und doch ist hier in dem kleinen Ort Greifendorf in einer der ehemals größten rein deutschen Sprachinseln des Sudetenlandes der spätere Mariannhiller-Pater und Märtyrer Engelmar Unzeitig aufgewachsen. Im Januar 1945 hatte er sich freiwillig gemeldet, um die massenhaft dahinsiechenden Typhuskranken des Lagers zu pflegen. Die Asche des wenig später mit nur 34 Jahren Verstorbenen befindet sich seit 1968 in der Mariannhiller Herz-Jesu-Kirche in Würzburg. Für 2016 wird die päpstliche Anerkennung des seit 1991 laufenden Seligsprechungsverfahrens erwartet. Vor Kurzem war eine Gruppe der Würzburger Ackermann-Gemeinde gemeinsam mit dem neuen Provinzial der Missionare von Mariannhill, Pater Michael Maß, und Bruder Thomas Fischer auf Spurensuche in der ostmährischen Heimat Engelmars, der als Märtyrer der Nächstenliebe im KZ Dachau den Nationalsozialisten die Stirn geboten hat.

„Natürlich lässt sich nicht alles aus seiner Jugend herleiten, vieles ist göttliche Gnade und Berufung“, erklärt Domkapitular Monsignore Dr. Stefan Rambacher, der als Bischöflicher Delegat das Verfahren zur Prüfung des Martyriums von Unzeitig geleitet hat und ebenfalls bei der Reise auf den Spuren von Pater Engelmar mit dabei war. Dennoch sieht auch er die Wurzeln für das tiefreligiöse, nach innen gewendete Wesen Engelmars in seinen frühen Jahren in Greifendorf, dem heutigen Hradec n. Svitavou, wo Engelmar seine Kindheit und Jugend verbracht hat, bis er 1928 als 17-Jähriger ins Spätberufenenseminar der Mariannhiller in Reimlingen/Ries eintritt. Nur noch einmal ist ein Aufenthalt Engelmars in Greifendorf überliefert: Am 15. August 1939 feiert er in der örtlichen Katharinen-Kirche Primiz.

Auf sieben Kilometer erstreckt sich das bis 1910 auf 2800 Einwohner angewachsene Straßendorf entlang der Handelsstraße, die Zwittau mit Brünn und Wien verbindet. Viele Häuser sind renoviert, haben neue Fenster und Ziegel, in den Vorgärten locken Blumen. Bauarbeiter sind dabei, die notdürftig angelegten Fußpfade entlang der Straße durch gepflasterte Gehsteige zu ersetzen. Nach dem Kollaps des Kommunismus kehrt das Leben langsam auch in die Randgebiete Tschechiens zurück. Kaum verändert erhalten ist das Wohnhaus Engelmars, ein einfaches, weißgetünchtes Haus am Ortsrand. Nur der Zaun aus Holzstickeln, der den bunt blühenden Garten umgibt, wurde durch einen modernen Drahtzaun ersetzt.

Bis zur Pfarrkirche St. Katharina, wo Pater Engelmar auf den Namen Hubert getauft wurde und Erstkommunion feierte, ist es etwa eine halbe Stunde Fußmarsch. Noch heute befinden sich hier die aufwendig bestickten Primizgewänder und der Taufstein Engelmars, daneben steht eine Skulptur des tschechischen Holzschnitzers Petr Steffan aus Markt Türnau. Für den etwa 30-Jährigen ist der Märtyrer ein Vorbild im Glauben. „Beim Schnitzen habe ich viel über den Ordensmann nachrecherchiert und versucht, mich in ihn einzufühlen“, erzählt er. Der in KZ-Kluft gekleideten Holzfigur, die in ihren übergroßen Händen ein Brot hält, ist das Leiden, aber auch seine bodenständige Hilfsbereitschaft anzusehen.

Die Sorge der Mutter

Ebenso weit wie nach St. Katharina ist es in Richtung Zwittau zum Redemptoristen-Kloster Vierzighuben, dessen großzügige Backsteinkirche als Teil eines psychiatrischen Krankenhauses die Verheerungen des Kommunismus weitgehend unverändert überstanden hat. Hier ringt er um seine Berufung als Priester und Ordensmann. Die besorgte Mutter beruhigt ein Pater mit den Worten: „Lassen Sie ihn studieren; hier ruft der Herrgott!“ Noch heute lässt sich hier authentisch die Atmosphäre spüren, die Pater Engelmar im Gebet erfahren hat.

Noch vor wenigen Jahren wusste niemand im Ort, wer vor der Vertreibung der Deutschen 1946 in dem Anwesen am Ortsrand Greifendorfs gewohnt hat. Auch Milosch Cvrkal nicht, der sich in seinem Ruhestand der Wiederentdeckung des Märtyrers in seinem tschechischen Heimatort verschrieben hat. Erst durch ein Porträtfoto, das er aus Amerika geschickt bekommen hat, hat er von ihm erfahren. Dank seiner Arbeit wissen nun zumindest die etwa zehn Prozent Katholiken um das mildtätige Wirken des Märtyrers. Ihre Häuser sind heute wieder auch nach außen an den Zeichen der Heiligen Drei Könige „C+M+B“ zu erkennen, die auch noch im Herbst über den Türstöcken zu finden sind. Doch der frühere Techniker des katholischen Pfarramts in Svitavy/Zwittau bremst die Euphorie: Noch vor wenigen Jahren habe der Gemeinderat eine Tafel für einen Lehrpfad abgelehnt, erzählt er. Auch 70 Jahre nach Kriegsende begegnete man dem Antrag in dem beinahe vollständig säkularisierten Land mit äußerster Skepsis und gab ihm keine Chance. Nicht jeder denkt so wie Cvrkal: „Es ist unwichtig, ob Engelmar ein Deutscher oder ein Tscheche war, er hat nicht zwischen den Menschen unterschieden, jeder war ein Bruder für ihn.“

Blüte des katholischen Brauchtums

In seiner knapp 400-seitigen Biografie „Eine Spur der Liebe hinterlassen“ schildert Pater Adalbert Ludwig Balling, der beste Kenner des Lebens und Wirkens Engelmar Unzeitigs, ausführlich dessen frühe Jahre. 1916 stirbt der Vater mit nur 37 Jahren in russischer Kriegsgefangenschaft, Mutter Cäcilie M., eine herzensgute Frau, der der Glaube die Kraft gibt, kümmert sich als Alleinerziehende um ihre fünf Kinder. Schon früh müssen sie in der kleinen, 13 Hektar großen Landwirtschaft mit anpacken. Nach dem Ersten Weltkrieg herrschen hungersnotähnliche Zustände, auch die Weltwirtschaftskrise zwischen 1929 und 1931 trifft die Region hart. Halt bietet den Menschen, die sich mit der seit 1919 unabhängigen Tschechoslowakei und einer forcierten Tschechisierungspolitik nicht identifizieren können, das ungebrochen in Blüte stehende katholische Brauchtum. „Bei uns war die Kirche immer voll. Greifendorf war gut katholisch“, erinnert sich Engelmars Schwester Maria-Huberta. Mischehen oder rein standesamtlich geschlossene Ehen habe es nicht gegeben. Familie Unzeitig besucht täglich die Messe in der Katharinen-Kirche. Als immer mehr Schönhengster Hilfe von Hitler erwarten, setzt, wie die Schwester zu Protokoll gegeben hat, auch der junge Engelmar kurzzeitig auf den vermeintlichen Erlöser aus Deutschland, erkennt jedoch schon bald seinen Irrtum. Der Kampf gegen die Kirche und der Judenhass sind nicht die Sache der Familie: „Zu Hause waren wir nicht für Hitler, obwohl wir von den Tschechen unterdrückt wurden. Wir waren halt Deutsche! Unterdrückt wurden wir ja auch nur von den Beamten. Die einfachen Leute waren sehr gut zu uns.“ Der 14-Jährige, der in der Volksschule erlebt, wie die Schüler angehalten sind, Tschechisch zu sprechen, reagiert auf die wachsenden Spannungen zwischen den Völkern auf seine Weise: 1925/26 arbeitet er ein Jahr lang in einem Nachbarort als Knecht für einen tschechischen Bauern mit dem Ziel, Tschechisch zu lernen, die Sprache, die auch seine Mutter fließend beherrschte. Später, in Glöckelberg, wo er seine erste Stelle als Seelsorger angetreten hat, steht er von Beginn an für klare Worte. Die Gestapo lässt ihn nicht lange gewähren. Nach wenigen Monaten verhaftet sie ihn im April 1941 und überweist ihn nach Dachau.

Das mährische Manchester

Der Junge, der später in Würzburg Theologie und Philosophie studierte, verschlingt damals Buch auf Buch, entleiht unermüdlich Lesestoff vom Pfarrer und aus dem katholischen Vereinshaus. Eifrig durchblättert er die Zeitschrift der Mariannhiller Missionare, die sich die Großmutter aus Österreich schicken lässt. Als Tor zur Welt dient ihm die benachbarte, 1939 etwa 10.000 Einwohner große Kreisstadt Zwittau, einer Industriestadt, die mit ihren 133 Textilfabriken als „mährisches Manchester“ galt, aber auch einen Schmelztiegel der drei böhmischen Kulturen, von Deutschen, Tschechen und Juden darstellte. Hier wird Engelmar 1921 in der Spitalkirche gefirmt, auch die Pfarrkirche Heimsuchung Mariae besucht er regelmäßig.

Wie reich die Gegend mit lebendigem Kulturerbe gesegnet ist, zeigt ein Wettstreit, der so wohl nur hier denkbar ist. Welche Stadt besitzt nun den längsten, von Arkaden und bunt gestrichenen Häusern flankierten Marktplatz Tschechiens, das mährische Zwittau oder seine böhmische, nur 15 Kilometer entfernte Schwesterstadt, das UNESCO-Weltkulturerbe, Leitomischl? Wiederholt haben Historiker nachgemessen. Die Ergebnisse schwanken um die 500 Meter, sie unterscheiden sich je nach Auftraggeber. Beide Städte spiegeln jedoch auch wider, wie rasch sich beide Nationen im 19. Jahrhundert auseinander entwickelt haben und die Kulturen strikt getrennt nebenher lebten: Das überwiegend von Tschechen bewohnte Leitomischl ist eine Hochburg der tschechischen Nationalbewegung, die sich seit Ende des 18. Jahrhunderts entwickelt hat: Der Komponist Bedrich Smetana, die Schriftstellerin Bozena Nemcova oder des exzentrischen Künstlers Josef Vachal, an dessen „Kravy Roman“ („Blutiger Roman“) ein Sgraffito, eine mehrere Meter lange Außenwandmalerei, erinnert, lebten hier. In dem überwiegend deutschen Zwittau dagegen fasst die nationalistische Sudetendeutsche Partei Konrad Henleins frühzeitig Fuß. Auch der Industrielle Oskar Schindler, ein Altersgenosse Engelmars, an dessen Wiederentdeckung als Freund der Völker die Frankfurter Ortsgruppe der Ackermann-Gemeinde großen Anteil hatte, gehört zunächst zu seinen Anhängern.

Vertreibung der Deutschen

„Alles Positive am Zusammenleben von Deutschen und Tschechen war plötzlich in Vergessenheit geraten“, beklagt Radoslav Fikejz. Der Historiker vermeidet bewusst die tschechischen, noch aus der Zeit des Kommunismus stammenden, verharmlosenden Begriffe „Odsun“ (Abschiebung) oder „Transfer“ und spricht stattdessen von „Vertreibung“. Ein auch heute noch gewagter Schritt, der vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Er ergänzt: „Mit der Vertreibung ging eine Vernichtung des historischen Gedächtnisses einher. Die Chronik der Stadt ist heute der Friedhof.“

Auch Familie Unzeitig teilt das Schicksal von Millionen Deutschen aus dem Sudetenland. Ebenso wie ihre Mitbürger wurden 1946 die beiden Schwestern Emilie und Elsa vertrieben, ganz gleich ob ihr Bruder als Märtyrer der Nächstenliebe im KZ gestorben war oder nicht. Engelmars Briefe aus der Studienzeit, Schulhefte und persönliche Aufzeichnungen blieben auf der Flucht zurück. Sie sind bis heute spurlos verschwunden.

von Pater Engelmar Hubert Unzeitig

Zusammengestellt und ausgewählt
von Pater Adalbert Balling CMM

  • Wir sind allezeit in Gottes Hand, und er weiß alles zum Guten zu lenken… Uns alle stärkt der Gedanke, dass ohne den Willen Gottes nicht einmal ein Haar von unserem Haupte fällt und dass denen, die Gott lieben, oder wenigstens sich darum bemühen, alles zum Besten gereicht. (29. Juni 1941)
  • Beten und opfern wir weiter für einander und für die Rettung der Menschheit. (13. Juli 1941)
  • Gott lenkt alles mit wunderbarer Weisheit. Wir wissen nur nicht sofort, wozu alles gut ist. (10. August 1941)
  • (Ich) suche die Zeit hier so gut als möglich auszunützen für die seelische (religiöse) und geistige Vervollkommnung. Nicht an letzter Stelle steht auf meinem Programm Gebet und Sühne. (7. September 1941)
  • Der Rosenkranzmonat sieht uns wieder am Nachmittag zu gemeinsamem Rosenkranzgebet um den Altar geschart, um Maria, die Hilfe der Christen, die Mittlerin der Gnaden zu grüßen und um ihre mütterliche Fürsprache anzurufen. (5. Okt. 1941)
  • Mit der Patronin der Missionare, der heiligen Theresia, beten und opfern wir für die Ausbreitung des großen Reiches der Seelen Christi, des Königs, dem wir am Ende des Monats huldigen wollen. (5. Oktober 1941)
  • Weihnachten steht vor der Tür. Auch Christus pocht an die Tore der Welt und möchte ihr den Frieden geben. Doch scheint es, dass heuer die Wogen der Zwietracht zu hoch gehen, als dass ein allgemeiner Friede möglich wäre. Auch ist noch nicht alle Schuld und Ungerechtigkeit gesühnt, die menschliche Bosheit und Unzulänglichkeit angehäuft (hat). Wenn schwer Gottes Hand auf uns zu liegen scheint, dann wollen wir hoffen, dass wir beitragen zur Entsühnung von Schuld und Fehl. Was vielleicht manchmal als Unglück erscheint, ist oft das größte Glück. (15. Dezember 1941)
  • Wie vieles lernt der Mensch erst durch die Erfahrung in der Schule des Lebens. Wir sollen wohl die Friedlosigkeit in der Welt für die Anderen mitfühlen und miterleben und ihnen zum wahren Frieden verhelfen. Dann wundert es uns nicht, wenn Gott uns manches aus der Hand nimmt, was uns lieb und teuer war. Doch was geht über das Glück, Gott selbst in unserem Herzen zu wissen, der ja die Quelle aller Seligkeit und allen Friedens ist? (15. Dezember 1941)
  • Im Übrigen tröstet mich sehr ein Wort der heiligen Theresia: „Mit Worten kann man wohl Seelen unterrichten, retten kann man sie aber nur durch Leiden.“ (11. Januar 1942)
  • Dass für uns viel gebetet wird und dass Gott wunderbar alles lenkt, merken wir täglich an uns. Doch hoffe ich auch hier für die Ewigkeit arbeiten zu können. Für Erfahrung und Anregung ist überall Gelegenheit, um gleichsam ein zweiter Christus, das heißt, ein solcher Seelenhirt wie ER zu werden (wovon der heilige Paulus spricht), dazu ist ja ein weiter Weg. (25. Januar 1942)
  • Wir Menschen sind nicht nur für unser Seelenheil verantwortlich, auch unserer Mitmenschen Glück und Heil hat Gott mit dem unseren verknüpft. (22. Februar 1942)
  • Wir betrachten in dieser Fastenzeit fleißig das bittere Leiden unseres Herrn, das uns viel Trost und Kraft in die Seele gibt. (Ich) freue mich, dass ich unserem Herrn und Erlöser helfen darf bei der Rettung der Seelen… (22. März 1942)
  • Mit dem Auferstandenen wünsche ich Euch: Der Friede sei mit Euch! Dies erflehe ich für die ganze gequälte Menschheit. Freilich, wie Christus nur durch Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit gelangt ist, so auch alle Menschen, die nach oben streben. Und wie Christus sich für uns geopfert hat, so dürfen wir wohl hoffen, durch die Leiden dieser Zeit vielen anderen zum ewigen Glück zu verhelfen. (5. April 1942)
  • Gott spricht in der heutigen Zeit wieder eine sehr deutliche Sprache – mit großen Zeichen und Wundern; er verlässt nicht die, die auf ihn ihr Vertrauen setzen, sodass selbst seine Feinde gestehen müssen: Immer, wenn seine Getreuen in Not waren, haben sie gebetet und sind erhört worden. Darum heißt es: Mut und Vertrauen! (5. April 1942)
  • Wenn die Natur manchmal schwach werden möchte, dann stärkt sie wieder wunderbar die Gnadenkraft des Heiligen Geistes, den uns Christus, der Herr, auf unser Bitten mitteilt, ebenso das treubesorgte Mutterherz Mariens, der Maienkönigin, die wir recht eifrig grüßen in den freien Augenblicken zwischen der Arbeit. (20. Mai 1942)
  • Wieviel Trost gibt uns doch das Wort der Schrift: Die Leiden dieser Zeit sind gar nicht zu vergleichen mit der Himmelsseligkeit, die Gott denen bereitet hat, die ihn lieben, und mit dem Frieden eines guten Gewisses. (20. Mai 1942)
  • Über seine Kräfte lässt Gott keinen versucht werden. Wir wollen daher mit Gottvertrauen in die Zukunft schauen und uns gegenseitig unterstützen, denn wahre Bruderliebe überwindet alle Bosheit der Welt. (12. Juli 1942)
  • Gott ist wirklich gut; er verlässt keinen, der auf ihn hofft, mag er auch manchmal bitter harte Zeiten über Verschiedene kommen lassen. (…) Auch hinter schwersten Opfern und schwerstem Leid steht Gott mit seiner Vaterliebe, und er ist zufrieden mit dem guten Willen seiner Kinder, um sie und andere glücklich zu machen. (15. Juli 1942)
  • Bei Gott ist kein Ding unmöglich. Er kann auch die Fernsten wieder zusammenführen, wenn es seinen heiligen Ratschlüssen entspricht. (23. August 1942)
  • Der Gedanke an Gottes Willen, der ja reinste Güte und Liebe gegen uns ist, ist die stärkste und oft wirklich einzige Kraftquelle. Im Übrigen danke ich Gott recht herzlich bei jeder Gabe, die er uns gibt, dass er Feld und Flur gesegnet hat, damit die Hungrigen wieder Brot – und damit Kraft zum Durchhalten bekommen können. (20. September 1942)
  • Das Fest der heiligen Theresia und ihr Beispiel stärken meine Seele immer sehr, wie ich überhaupt die Schätze des Kirchenjahres recht zu nützen suche, da doch Gott das Leben unserer Seele ist. Immer restlosere Hingabe an Gottes heiligen Willen ist unser höchstes und ja auch edelstes Bestreben. (4. Oktober 1942)
  • In den letzten Tagen wurde es sehr windig und kalt. Da gibt nur der Glaube und die hoffende Liebe Mut und Kraft. Doch Gott ist gut und hilft immer wieder weiter und führt seine Kinder liebevoll die Wege seiner Weisheit und Güte… Für die Zukunft wollen wir weiter auf Gott bauen, und seinen heiligen Willen zu erforschen und zu erfüllen suchen – und unser gegenseitiges Gebet und Opfer zu diesem Zwecke vereinen. (18. Oktober 1942)
  • (Ich) bin zu jedem von Gott gewolltem Opfer bereit. Wenn nur seine Ehre und das Heil der Seelen immer mehr gefördert werde, Das ist mein einziger Wunsch und (meine) sehnlichste Bitte. (4. Februar 1943)
  • Heute erhielt ich die erschütternde Nachricht vom Hinscheiden meines lieben Mütterchens. Gerne hätte ich sie nochmals in diesem Leben gesehen und sie zur letzten Ruhe bestattet. Doch Gott wollte, dass wir zur Primizfeier das letzte Mal beisammen sein sollten, und das nächste Wiedersehen, wie ich sehnlichst hoffe, in einem glücklichen Jenseits feiern werden. (4. März 1943)
  • Es war mir die Gnade zuteil, auch hier für die Mutter eine heilige Messe zelebrieren zu dürfen. Zum ersten Mal nach bald zwei Jahren. Welche Freude und welch inneres Glück! (21. März 1943)
  • (Ich) hoffe doch zuversichtlich, dass unsere liebe Mutter nun im Himmel ist und uns von dort aus helfen wird – und dass wir auch einmal in diese, unsere wahre Heimat gelangen. (4. April 1943)
  • Ich übergebe alles der Barmherzigkeit Gottes und suche schlicht Tag für Tag und Stunde für Stunde Gottes heiligen und wirklich anbetungswürdigen Willen zu erfüllen so gut ich nur kann. (18. April 1943)
  • Wie süß ist alles und wird alles, wenn man es einem zuliebe zu tun sucht. Ja, man kann wirklich kaum ausdrücken, wie gut und wonnig es ist, Gott zu dienen, für alles, sei es Frohes oder Leidvolles, zu danken und alles aufzuopfern für die Schwergeprüften.(…) Wie leicht wird alles, wenn man es in der Meinung tut, anderen in ihrer Not seelischen Trost und Hilfe zu erflehen! Man fühlt nur dabei allzu sehr seine Armseligkeit und Unwürdigkeit, doch man vertraut eben ganz darauf, dass Gott mit dem guten Willen zufrieden ist. (4. Juli 1943)
  • Eine bleibende Stätte auf dieser Erde hat keiner von uns Menschen. Wir suchen alle die ewige Heimat im Himmel. (18. Juli 1943)
  • Gott lässt sich an Großmut nicht übertreffen. Ihm wollen wir in der Zukunft mit dankbarer Liebe weiter leben und vertrauen. (…) Ach, könnte ich doch allen Mitbrüdern recht viele Gnaden für ihr Wirken erflehen, damit wenigstens sie den Weinberg des Herrn gut bebauen können. (15. August 1943)
  • Gottes Wege sind wunderbar. Ja, Gott braucht uns nicht, nur unsere Liebe, unsere Hingabe, unser Opfer. (…) Dazu hat uns wohl Gott aus der aktiven Seelsorge herausgenommen, dass wir als große Beterschar durch Gebet und Opfer zu Gott um Gnade und Erbarmen flehen für unsere Brüder und Schwestern draußen. (15. August 1943)
  • Wie schön wäre es, wenn alle Menschen mit Dankbarkeit und Liebe gegen Gott seine Gaben gebrauchen und sich vertragen wollten! Hoffen wir, durch unser Gebet und Opfer unseren Vater gnädig zu stimmen, dass er seinen Kindern diese Gnade gebe. In diesem Vertrauen bestärkt mich auch der Gedanke, dass jetzt im Oktober wieder so viele gemeinsam oder allein im Rosenkranzgebet die Gottesmutter, unsere Herrin, Königin und Mutter, um ihre Fürbitte bestürmen werden. (3. Oktober 1943)
  • (Ich) danke Gott für jeden Tag, den er mir schenkt, um ihm (in etwa) Liebe und Dank für seine unzähligen Wohltaten zu bezeigen. Man merkt ja täglich, dass alle seine Fügungen und Führungen lauter Liebe sind. (17. Oktober 1943)
  • Mit Dank zurückschauend auf alles Frohe und Leidvolle des verflossenen Jahres, wollen wir wieder mit kindlichem Vertrauen in die Zukunft schauen. Je mehr die Menschen in unvernünftigem Trotz ihre eigenen Wege gehen wollen und so ins Verderben rennen, umso inniger wollen wir Gott bitten, dass er all den angerichteten Schaden und das Unheil zum Guten wende und Frieden stifte unter den streitenden Kindern. (2. Januar 1944)
  • Ich denke mir halt immer wieder, wenn Christus, der vom Himmel gekommen war, um die Welt zum Vater zurückzuführen, dreißig Jahre lang in der Verborgenheit das Leben eines Arbeiters geführt hat, so wird er auch unsere nichtberufliche Tätigkeit in Gnaden für seine Absichten annehmen. (6. Februar 1944)
  • Man denkt, Leid ist doch für gewöhnlich ein Führer zu Gott, aber man sieht, dass sehr schwere Heimsuchungen doch viele Laue auch zerbrechen und (dass) von manchen deren gottgewollter Zweck nicht erkannt wird. Bei Gott ist aber nichts unmöglich. So wollen wir weiter den Himmel bestürmen, dass Gott sich der vielen Irrenden und Schwergeprüften erbarmen möge. (6. Februar 1944)
  • Wie ich schon schrieb, mir fällt seit der Mutter Tod alles viel leichter, ja ich verspüre sogar Freude, wenn ich etwas Schweres tragen darf. Das lässt mich auch annehmen, dass Mutter schon im Himmel ausruhen darf am Vaterherzen Gottes. (5. März 1944)
  • Wie schön wäre es, wenn alle Verwandten Gott die Ehre geben und ihm Freude machen wollten! Könnte ich nur diese Gnade von Gott erflehen, wie gerne möchte ich mit seiner Hilfe jedes Opfer auf mich nehmen. (5. März 1944)
  • Gott möge Euer Wohltun mit zeitlichen und ewigen Gütern belohnen – das ist mein tägliches Gebet für Euch. Dann auch, dass Gott Euch und Euren Kindern friedlichere Zeiten und vor allem die Gnade schenke, dass wir alle würdig wandeln unseres Berufes und die Anderen mitreißen zum vollen und ganzen Christentum, das heißt, es jeden Tag versuchen, Christus ähnlicher zu werden und dadurch auch andere emporzureißen. (7. Mai 1944)
  • Es erschüttert einen oft, wenn man sieht und hört, wie die Menschen, die man trifft, trotz der Heimsuchungen, mit denen Gott an ihr Herzenskämmerlein anklopft und sie vom Seelenschlafe aufwecken will, weiter verstockt und verblendet dahinleben und eher verstockter und verbitterter werden. Andererseits erkennt man immer wieder, wie nach den Lehren unserer heiligen Religion all die Rätsel und Schwierigkeiten, die anderen so viel zu schaffen machen, so schön gelöst werden und uns so viel Trost und Freude zuteil wird, wie schon der heilige Paulus sagte: Ich fließe über vor Freude in all meiner Trübsal. (…) Wir wollen halt Gott weiter bitten, dass er die Menschen an sich ziehe und ihnen Sinn gebe für das wahre Glück bei ihm. (7. Mai 1944)
  • Hoffen wir, dass wir uns bald wieder sehen. Doch wollen wir in Geduld abwarten, bis Gott in seiner weisen Vorsehung eine Änderung der Lage kommen lässt. (11. Juni 1944)
  • Auf Gottes Vorsehung baue ich auch in Zukunft. Er wird es schon recht machen. Ich will weiter, so viel in meinen Kräften steht, vor allem auf geistige Weise versuchen, die Not zu heben, die Leiden zu lindern und den Frieden herbeizuführen. Ach könnte ich nur durch grenzenlose Liebe und Sühne die entsetzliche Schuld der Menschen gut machen und Gottes Gerechtigkeit versöhnen, damit bald wieder friedlichere und geordnetere Zeiten für die schwer geprüfte und vielfach verirrte Menschheit kommen möchten. (25. Juni 1944)
  • Wenn ich am 15. des Monats an den fünften Jahrestag meiner Primiz denke, wird mir wehmütig zu Mute und doch danke ich Gott für alles Frohe und Leidvolle dieser Zeit, eingedenk des Liedes: Es kommt die Zeit, wo du begreifst, dass alles Segnung war. Ganz besonders will ich an diesem Tage die Namenspatronin der Marie bitten, dass sie (die Gottesmutter Maria) ihr all das Gute vergelten möge, das sie mir getan hat. (13. August 1944)
  • Mein ganzes Sinnen und Trachten ist weiter einzig darauf gerichtet, den Menschen Gottes heiligen Frieden zu erbitten und zu vermitteln. (24. September 1944)
  • Im Vertrauen auf den Herren gehen wir ins Neue Jahre und hoffen, wieder für die Ehre Gottes und das Heil der Seelen arbeiten zu dürfen. (14. Januar 1945)
  • Wenn die Menschen wenigstens innerlich den Weg zum Frieden finden möchten, wenn sie schon äußerlich dieses Glück entbehren müssen! Dafür wollen wir gern im Neuen Jahr alles aufopfern und Gott darum anflehen. Wir dürfen ja nie vergessen, dass alles, was Gott schickt oder zulässt, alles zu unserem Besten gereichen soll. (14. Januar 1945)
  • Im Übrigen wollen wir weiter aus Gottes Hand annehmen, was er in Zukunft senden wird, und ihm alles aufopfern mit der Bitte, er möchte der schwergeprüften Menschheit recht bald den heißersehnten Frieden schenken. (28. Januar 1945)
  • Das Osterfest erfüllt uns immer mit großer Freude. Es sagt uns: Leid, Not und Tod sind nicht das Ende, sondern der Anfang des wahren, ewigen Lebens, der Anfang des Glückes ohne Ende. Christus ist von den Toten auferstanden, und so werden auch wir einst bei ihm sein dürfen, wenn wir nur die kurze Prüfungszeit treu durchhalten – mit seiner Gnade. So nehme ich weiter alles mit Dank aus Gottes Hand an, was immer er schickt und bete um mehr Liebe und Treue, um die Vielen um uns, die fern von Gott wandeln, wieder zu Gott zu führen. (Ohne Datumsangabe; die ersten zwei Seiten des Briefes fehlen; ALB).
  • Das Herz tut einem weh, wenn man ein ganzes Volk dem Abgrund zusteuern sieht. Wir wollen halt weiter beten, dass sich Gott der Menschen erbarme und ihre Leidenszeit abkürze. (Ohne Datum; möglicherweise vom Herbst 1944; ALB)
  • All unser Tun und Wollen und Können, was ist es anderes als seine (Gottes) Gnade, die uns trägt und leitet? Liebe verdoppelt die Kräfte; sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh. Es ist wirklich in keines Menschen Herz gedrungen, was Gott denen bereitet, die ihn lieben. Freilich trifft auch sie die rauhe Dieseitswirklichkeit mit all dem Hasten und Jagen und mit dem ungestümen Wünschen und Fordern, mit ihrer Zwietracht und mit ihrem Hass wie ein beißender Frost, aber die Strahlen der wärmenden Sonne der Liebe des allgütigen Vaters sind doch stärker und werden triumphieren, denn unsterblich ist das Gute und der Sieg muss Gottes bleiben, wenn es auch manchmal nutzlos erscheint, die Liebe zu verbreiten in der Welt. Aber man sieht doch immer wieder, dass das Menschenherz auf Liebe abgestimmt ist und dass ihrer Macht auf Dauer nichts widerstehen kann, wenn sie nur wirklich auf Gott und nicht auf die Geschöpfe gründet. Wir wollen weiter alles tun und aufopfern, dass Liebe und Friede bald wieder herrschen mögen.

(Dieser Brief, wohl der letzte an seine Schwester Adelhilde, trägt ebenfalls keine Datumsangabe; ALB)

Biografische Skizze eines vorbildhaften Lebens
Was zur Vorbereitung einer Seligsprechung
alles erforscht werden muss
Von Adalbert Ludwig Balling

Vorbemerkungen

die zwar neugierig machen, die aber die verehrte Leserin, der werte Leser durchaus übergehen kann, ohne nachher Wesentliches nicht zu verstehen.

Seit Papst Johannes Paul II. beginnen die meisten Seligsprechungen zunächst auf bischöflicher Basis, also dort, wo der/die Seligzusprechende gestorben ist bzw. begraben wurde. Meistens ist das die Heimat-Diözese der Betroffenen. Oder die Zentrale einer Gemeinschaft bzw. der Arbeitsplatz, wo Selig- bzw. Heiligmäßigen tätig waren.

Weil Pater Engelmar nicht nur in Würzburg studiert hat (1934-1940), sondern dort auch zum Priester geweiht wurde, ehe er in Österreich und Böhmen (Tschechoslowakei) zum priesterlichen Einsatz kam – und weil zudem seine Asche auf dem Würzburger Stadtfriedhof beigesetzt wurde, lag es nahe, den Prozess der Seligsprechung in der fränkischen Metropole zu beginnen. Hinzukam, dass auch die deutsche Zentrale der Missionare von Mariannhill in Würzburg gelegen ist und dass obendrein sich seit 1968 in der Herz-Jesu-Kirche des Piusseminars auf dem Mönchberg, dem Käppele und der Feste Marienberg gegenüber, sich eine Pater-Engelmar-Gedenkstätte befindet – war es wirklich naheliegend, alles (auf ihn Bezügliche) in Würzburg zu beginnen.

Bischof Paul-Werner Scheele war denn auch sofort bereit, den auf Diözesanebene zu führenden Prozess einzuleiten. Dazu brauchte es allerdings die Zustimmung von Friedrich Kardinal Wetter von München, eben weil Pater Engelmar in Dachau (zum Erzbistum München gehörig) ums Leben gekommen war! Der Kardinal war einverstanden, und so begann man am Ordinariat in Würzburg mit den Vorarbeiten; das war 1991. Damals schon wurde ich gebeten, einiges über Pater Engelmars Leben und Wirken aufzuschreiben.

Die große Biografie über Pater Engelmar war bereits einige Jahre vorher erschienen: „Eine Spur der Liebe hinterlassen“ (Verlag Mariannhill Würzburg, 1984) und so bat man mich schon bald um ein erstes Memorandum; also zunächst um eine biografische Skizze über seine Herkunft, Kindheit, Studienjahre usw., aber auch um eine schriftliche Erfassung der Gründe seiner Verhaftung, über sein Verhalten im KZ Dachau sowie über sein geistlich-religiöses Leben. Kurzum, aus römischer Sicht ging es nicht zuletzt um seine Tugenden, die ihn vor allem in den Augen ehemaliger KZ-Priester schon in so jungen Jahren zum Vorbild und modernen Heiligen erklärten.

Pater Engelmar war 30, als er nach Dachau kam, und noch keine zwei Jahre Priester. Als er starb, „im Rufe der Heiligkeit“, war er 34.

Kindheit,  Jugend und Studium

Vom mährischen Schönhengstgau ins schwäbische und fränkische Bayern

Hubert (Taufname) Unzeitig wurde am 1. März 1911 in Greifendorf (im heutigen Tschechien) geboren und am 4. März des gleichen Jahres in der Pfarrkirche zu Greifendorf getauft. Damals war dieser Teil Mährens noch Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie; er wurde nach dem Ersten Weltkrieg der Tschechoslowakei zugewiesen, blieb aber weithin deutschsprachig.

Hubert Unzeitigs Eltern waren einfache, fromme und einfache Leute vom Dorf. Die Mutter, Cäcilie-Maria Unzeitig (geborene Kohl) wurde am 22. August 1875 in Oberheinzendorf, der Vater, Johann Unzeitig, am 18 August 1879 in Pohler geboren; beide Orte liegen ebenfalls im Schönhengstgau, nur wenige Kilometer von Greifendorf entfernt. Huberts Eltern betrieben eine kleine Landwirtschaft. Nach dem frühen Tod des Vaters (Johann Unzeitig starb am 14. Januar 1916 in einem russischen Kriegsgefangenenlager an der Wolga – an Typhus!) musste die Mutter die alleinige Erziehung der fünf Kinder übernehmen (Hubert war der einzige Junge unter vier Schwestern; ein zweiter Junge war sehr früh gestorben); ferner lag in ihrer Verantwortung die Bewirtschaftung der Felder und die Führung des Hofes.

Hubert wuchs in tiefreligiöser Familientradition auf. Der Besuch der heiligen Messe war für die Unzeitig-Kinder auch an Werktagen nichts Außergewöhnliches. Und die Mitarbeit auf dem elterlichen Hof sowie auf den angrenzenden Feldern war für alle Unzeitig-Kinder eine Selbstverständlichkeit. Auch Hubert, das Jüngste der fünf Geschwister, wurde von klein auf dazu beigezogen.

Nach Abschluss der Volksschule ging er zu einem tschechischen Bauern in der Nähe von Brünn (Brno), auch um seine tschechischen Sprachkenntnisse zu vertiefen, aber in erster Linie wohl um etwas Geld zu verdienen und der Mutter nicht länger finanziell zur Last zu fallen.

Im Herzen weilte er damals jedoch schon wo ganz anders: Er wollte Priester und Missionar werden. Aber wie sollte er dies seiner guten Mutter erklären? Wie ihr nahebringen, dass ein Höherer ihn rief?

1928 war es soweit: Der damals 17jährige bat um Aufnahme ins Spätberufenen-Seminar der Mariannhiller Missionare im bayrisch-schwäbischen Reimlingen (bei Nördlingen, im Ries). Mit viel Fleiß und Ausdauer ging er ans Studium heran; bald galt er als Bücherwurm und Einserschüler. Damals schon trug er sich mit dem Gedanken, Russisch zu lernen, um später eventuell einmal im Osten Europas als Missionar tätig zu werden.

Nach dem Abitur (1934) wurde Hubert Unzeitig Mitglied der Missionsgemeinschaft von Mariannhill (CMM); er erhielt den Ordensnamen Frater/Pater Engelmar. Das Noviziat (Einübung in das Ordensleben) verbrachte er im niederländischen Sankt Paul bei Arcen/Venlo; dann zog er mit den anderen Kursgenossen zum Studium der Philosophie und Theologie nach Würzburg. Hier in der Frankenmetropole hatten die Mariannhiller zur Ausbildung ihrer jungen Kleriker das nach Papst Pius X. benannte Pius-Seminar errichtet. Hier verbrachte Frater Engelmar die nächsten Jahre. In Würzburg wurde er auch zum Subdiakon (19. Februar 1939) und Diakon (5. März 1939) geweiht; hier erhielt er am 6. August 1939 die Priesterweihe aus der Hand des Diözesanbischof Matthias Ehrenfried. Seine Primiz (erste Messe) feierte Pater Engelmar in seiner Heimat Greifendorf, und zwar am Hochfest Maria-Himmelfahrt, dem 15. August 1939. Wenige Wochen später brach der Zweite Weltkrieg aus. Der Mariannhiller Jungpriester kehrte vorerst nach Würzburg zurück, wurde aber schon bald ins österreichische Riedegg bei Linz/Donau versetzt, wo er u. a. auch französische Kriegsgefangene betreute; mit ihnen feierte er regelmäßig die Sonntagsmesse, trotz strengen Verbotes in lateinischer Sprache; die Predigt hielt er auf Französisch.

Von Glöckelberg nach Dachau

Sechs Wochen U-Haft in Linz a. d. Donau, dann „Überstellung“ durch das Reichssicherheitshauptamt in Berlin in das seit 1933 existierende KZ in Dachau

Im Herbst 194o übernahm Pater Engelmar – auf drängendes Bitten des Linzer Diözesanbischofs und in Vereinbarung mit seinen Ordensobern – die Pfarrseelsorge in Glöckelberg, einer deutschsprachigen Gemeinden im Böhmerwald, Tschechien. Seine Schwester Marie, die älteste der vier Unzeitig-Schwestern, führte ihm damals den Pfarrhaushalt. (1949 trat sie bei den Mariannhiller Missionsschwestern vom Kostbaren Blut in Neuenbeken ein und erhielt den Namen Sr. Huberta.)

Trotz des eisigen Winters – der Schnee lag über zwei Meter hoch – nahm Pater Engelmar seine Seelsorge-Aufgaben sehr ernst. Er machte Hausbesuche, gab Religions-Unterricht an der Volksschule und bereitete seine Predigten sehr sorgfältig vor. Mitbrüder aus der Gemeinschaft der Mariannhiller Missionare sagten später, Pater Engelmar habe in Glöckelberg wie ein Einsiedler gelebt; spartanisch, einfach und bescheiden. Beim Religionsunterricht in der Schule eckte er allerdings schon bald an, jedenfalls in den Augen einiger frecher und übereifriger Hitlerjungen. Die klaren Antworten des Paters auf ihre eher verfänglichen Fragen wurden verdreht und entstellt den führenden Nazis im Dorf zugetragen: Man warf ihm „heimtückische Äußerungen“ vor, zum Beispiel „die Verteidigung der Menschenrechte, auch die der Juden und Zigeuner“, aber auch, er erkenne den Führer „nicht als oberste Instanz“ an, sondern nenne stattdessen Gott und Jesus Christus. Gottes Gebote und Anweisungen stünden höher als der Menschen Befehle…

Und dann ging alles ganz schnell: Pater Engelmar wurde am 21. April 1941 von zwei Gestapo-Männern im Pfarrhaus von Glöckelberg verhaftet. Offensichtlich war er den Nazis vor Ort unbequem geworden; zudem wollten sich, wie damals üblich, die führenden Mitglieder der Partei hervortun und mit möglichst vielen negativen Anzeigen sich selber ins rechte Licht rücken. Noch am Tag der Verhaftung wurde Pater Engelmar in Linz/Donau in U-Haft genommen.

In einem Brief aus dem Gefängnis an seine Schwester Marie äußerte er sich noch eher zuversichtlich: Das Ganze sei doch wohl nur vorübergehend; ein Missverständnis! Er hoffe, bald wieder entlassen zu werden. Doch es kam anders, ganz anders. Nach sechs Wochen U-Haft – mit Verhören zwar, aber ohne eigentliche Gerichtsverurteilung – entschied das Reichssicherheitsamt in Berlin: Überstellung des Häftlings von Linz ins Konzentrationslager Dachau! Das geschah am 3. Juni 1941.

Jetzt war der Mariannhiller Pater nur noch eine Nummer; ab sofort musste er sich damit vorstellen, vor allen SS-Männern und jedem Lager-Beamten: 26 147. Ab sofort war er zahlreichen unmenschlichen Grausamkeiten von Seiten der Gestapo und ihrer Helfershelfer ausgeliefert. Dazu zählten stundenlange Lagerappelle, Fronarbeiten in den umfangreichen Gärten (von den Häftlingen „Plantage“ genannt), Misshandlungen und Hunger – kurzum ein Leben in steter Todesangst!

Priester – Block & Lagerkapelle

Zwangsarbeit, heimliche Seelsorge und caritativer Einsatz.

Sorge um Mithäftlinge und freiwillige Dienste, vor allem für ausländische Gefangene

Zeitweise lebten nahezu 3 000 Geistliche im KZ Dachau.

Der Jesuitenpater Johannes Maria Lenz, ebenfalls Häftling, nannte die „Priesterbaracken“ (es waren die Blocks 26, 28 und 30) „das größte Kloster der Welt“. Von Seiten der Gestapo hieß die Baracke 26, wo Pater Engelmar und die meisten deutschsprachigen Geistlichen untergebracht waren, meistens nur „Pfaffenblock“. Häme und Spott waren es denn auch, was den inhaftierten Priestern schier ununterbrochen entgegenschlug. Die beiden anderen Blocks, 28 und 3o, waren vorwiegend den polnischen Geistlichen vorbehalten.

Auf Block 26 durfte täglich eine heilige Messe gefeiert werden. Die Kapelle bot ein Bild der Armseligkeit: Der Altar war aus Kistenbrettern notdürftig erstellt worden, als Kelch diente anfangs ein Blechnapf; der Tabernakel bestand aus Konservendosen! Trotzdem bot gerade die Lagerkapelle den Häftlingen unendlich viel Halt. Pater Engelmar, so bezeugen ehemalige Mithäftlinge, war einer ihrer eifrigsten Besucher. Zu den täglichen Messen war er immer anwesend. Konzelebrationen waren damals noch nicht üblich. Im Übrigen war es zunächst nur dem Lager-Dekan, dem aus Vorarlberg stammenden Prälaten Georg Schelling, erlaubt zu zelebrieren. Einmal, nämlich nach Bekanntwerden des Todes seiner Mutter, durfte Pater Engelmar selber an den Altar der Baracke treten; es war Anfang März 1943.

Natürlich war im Lager jede Art von Seelsorge (an Mithäftlingen) strengstens verboten. Auch caritative Dienste waren untersagt. Dennoch war Pater Engelmar unermüdlich dabei, anderen Häftlingen, vor allem polnischen und russischen, heimlich zu helfen. Oft sammelte er Brot und andere leicht transportierbare Esswaren in der Priesterbaracke, um diese dann den hungernden, siechen und ausgemergelten „Ausländern“ zuzustecken.

Noch vorsichtiger musste Pater Engelmar sein, wenn er als Seelsorger tätig wurde. Aber es gelang ihm immer wieder, mit jungen russischen Häftlingen religiöse Gespräche zu führen. Einer von ihnen, Ingenieur und sowjetischer Polit-Offizier, ließ sich an Ostern 1945 taufen und in die katholische Kirche aufnehmen.

Auch half Pater Engelmar beim Übersetzen und Vervielfältigen von Handkatechismen, die heimlich im Lager unter die russischen Häftlinge wurden.

Pflegerussischer Typhuskranker

Selbstloser Einsatz in den von der SS gemiedenen Baracken wegen zu großer Ansteckungsgefahr.

Ein Märtyrer der Nächstenliebe

Seine Liebe zu den Ärmsten der Armen, den Kranken und Hilflosen, hat Pater Engelmar Ende 1944 dazu bewegt, einen Blockschreiber-Posten freiwillig und halb-heimlich in der Baracke 23 zu übernehmen. Dort, wo vor allem russische Häftlinge untergebracht waren, herrschte der Tod: Typhus war ausgebrochen – und kaum jemand kümmerte sich mehr um die Erkrankten. Pater Engelmar opferte alle freie Zeit, um für diese völlig ihrem Elend Überlassenen da zu sein. Er pflegte sie in liebevoller Weise und, sofern erwünscht, spendete er ihnen auch, heimlich natürlich, die Sterbe-Sakramente.

Mit dem Ausbruch des Fleckfiebers (im Volksmund Typhus genannt) war in Dachau ein schreckliches Chaos entstanden. Jene Häftlinge, die bislang als Blockschreiber tätig waren, wollten jetzt, nach akutem Ausbruch der Seuche, nichts mehr damit und dort zu tun haben; sie verließen die betroffenen Baracken Hals über Kopf. Daher wurde die Lagerleitung nervös und wandte sich jetzt an den von ihr sonst so geschmähten „Pfaffenblock“, und zwar dort direkt an Lagerdekan Georg Schelling, er möge 20 Geistliche benennen, die willens wären, jetzt in den verseuchten Baracken Dienste zu übernehmen. Daraufhin bat er je zehn deutsche und zehn polnische Priester, sich freiwillig für diese todesgefährlichen Dienste zu melden.

Pater Engelmar drängte es, auf diese Weise jetzt ganz offiziell, gerade dort arbeiten zu dürfen. Er tat es in vollem Bewusstsein, dass dies ein Gang in den eigenen Tod sein würde. Und so war es denn auch: Er wurde angesteckt und starb am 2. März 1945 – im Alter von gerade 34 Jahren. Vier von knapp sechs Priesterjahren hatte er in Dachau verbracht. Sein Leichnam wurde – auf Vermittlung von Pfarrer Richard Schneider, ebenfalls katholischer Priester und Häftling in Dachau, einzeln verbrannt; die Asche wurde dann heimlich aus dem Lager geschmuggelt und am Karfreitag 1945 im Grab der Mariannhiller Missionare in Würzburg, ohne Aufsehen, eher klammheimlich beigesetzt. Es war der 30. März 1945; Würzburg lag bereits in Schutt und Asche; die wunderschöne fränkische Metropole war am 16. März von britischen Bombern völlig zerstört worden.

Auf Drängen vieler Verehrer wurde am 20. November 1968 die Urne Pater Engelmars in die Herz-Jesu-Kirche der Mariannhiller übertragen, wo eine würdige Gedenkstätte errichtet worden war.

In einem seiner letzten (leider undatierten) Briefe aus dem KZ, adressiert an seine Schwester Adelhilde Regina, die damals als Ordensfrau in Wernberg/Kärnten lebte, wird Pater Engelmars religiöse Haltung besonders deutlich. Er weiß sich trotz allem getragen von der Liebe Gottes. Wörtlich schrieb er: „Liebe verdoppelt die Kräfte; sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh. Es ist wirklich in keines Menschen Herz gedrungen, was Gott denen bereitet, die ihn lieben…“

Wie stand es um Pater Engelmars

geistliches Leben? Wie praktizierte er die göttlichen Tugenden: Glaube, Hoffnung und Liebe; wie die Gottes- und Nächstenliebe? War er, wenn es der Glaube forderte, tapfer, mutig, klug, weise – und dennoch bescheiden?

Diese (und viele weitere) Fragen sollten vorweg beantwortet werden – nicht zuletzt als Information für Rom, aber auch, um zu testen, wie weit eine Selig-sprechung angebracht wäre. Natürlich, wenn möglich, sollen alle Fragen in wenigen Sätzen beantwortet werden. Der römische Fragebogen wurde, auf Pater Engelmar bezogen, zwischen 1991 und 1998 von der Würzburger Kommission ausgefüllt, und dann, zusammen mit anderen Dokumenten, Berichten und Augenzeugen-Interviews eidesstaatlich beglaubigt, gut verpackt und versiegelt, der betreffenden römischen Kongregation übergeben. – Jetzt zu den Tugenden im einzelnen:

GLAUBE, HOFFNUNG & LIEBE

Pater Engelmar wuchs in einer von Grund auf katholischen Familie auf, für die die göttlichen Tugenden immer im Mittelpunkt standen. Den größten religiösen Einfluss hatte seine Mutter, die ein echt christliches Leben führte, ein Leben in natürlicher Demut und vorbildlicher Bescheidenheit, in großer Gottesfurcht und tiefer Gottesverehrung. Der römisch-katholische Glaube prägte ihr Leben. So hat sie es auch ihren fünf Kindern zu vermitteln versucht. Ein Sohn starb noch ganz jung; so blieb Hubert (Pater Engelmars Taufname!) der einzig Bub unter vier Mädchen, alle älter als er. Er war vier, als sein Vater starb, in russischer Kriegsgefangenschaft – an Typhus.

In diesem Umfeld wuchs Hubert/Engelmar auf, ganz mitgeprägt von der religiösen Grundhaltung seiner Mutter sowie seiner Großmutter väterlicherseits.

Das war ähnlich im Kleinen Seminar in Reimlingen, aber auch später als junger Kleriker bei den Mariannhillern, wenngleich jetzt deren Lehrer und Erzieher eine große Rolle mitspielten. Der Glaube an den dreieinigen Gott, die Hoffnung auf das Ewige Leben nach dem Tod und die Liebe Gottes zu allen Menschen, besonders zu den Sündern – all das wurde von Pater Engelmar nie bezweifelt. Die göttlichen Tugenden waren für ihn Grundtugenden, an denen er sich immer wieder orientierte, die er aber auch stets denen vorzuleben versuchte, die mit ihm waren und zu denen er sich gesandt fühlte. Das geht eindeutig aus allen seinen schriftlichen Äußerungen hervor, nämlich aus seinen Briefen aus dem KZ. Der tiefe Glaube an die Güte Gottes und die darin verankerte Hoffnung auf die göttliche Barmherzigkeit sowie die Überzeugung, dass der Mensch allein in der Liebe Gottes geborgen sei – das bildete die Basis seines seiner Einstellung zum Leben wie seines Verhaltens zu den Mitmenschen. Ohne diesen Glauben, ohne tiefgründende Hoffnung, ohne echte Gottes- und Nächstenliebe hätte er die vier unmenschlichen Jahre im KZ niemals ausgehalten, ganz zu schweigen, so viele Häftlinge ermuntern und in ihrem Glauben bestärken können. Darüber hinaus hat er in seinen Briefen aus Dachau auch jene immer wieder ermuntert und im Glauben bestärkt, die mit ihm geistig in Verbindung standen, nämlich seine Verwandten sowie seine Mariannhiller Mitbrüder.

GOTTESLIEBE & NÄCHSTENLIEBE

Eine strikte Trennung gab es da nicht; nicht für Pater Engelmar. Seine Liebe zu Gott manifestierte sich in seiner Liebe zu den Menschen. Und da machte er keinen Unterschied der Person; für ihn waren alle Menschen „Nächste“, die russischen, ukrainischen und polnischen Häftlinge in Dachau ebenso wie die geistlichen Mitbrüder in der Priester-Baracke – oder die Mitglieder der Waffen-SS. Wie wir von ehemaligen Häftlingen, die das Ende des Dritten Reiches überlebten, wissen, nahm Pater Engelmar sehr regen Anteil am Los und Schicksal aller dieser Unglücklichen. Sein priesterlicher Wunsch, ihnen beizustehen, ihren Hunger zu stillen, ihre Seelen zu nähren, kurzum, ihnen Mit-Mensch zu sein, war so stark, dass er auf vielfältige Weise auch innerhalb des Lagers heimlich Seelsorge betrieb. Er wollte Menschen helfen, wollte Seelen retten. Der Eifer für Gottes Reich – im Dienst an den Menschen – ließ ihn vieles riskieren. Er setzte sein Leben aufs Spiel – der Mithäftlinge willen.

Am Ende ging er dafür in den Tod. Seine Bereitschaft, in der Typhusbaracke tätig zu werden – als Blockschreiber, als Krankenpfleger und als Priester, das war das Äußerste, was er anderen geben konnte: Sich selbst – aus Liebe zu Gott und den Menschen.

KLUGHEIT / WEISHEIT / GERECHTIGKEIT

Klug, im Sinne von auf eigenem Vorteil oder auf eigene Bequemlichkeit bedacht bzw. den geringsten Widerstand für sich auslotend – das war Pater Engelmar nie. Ganz im Gegenteil. Er sprach mittunter laut aus, was, hätte er geschwiegen, ihm viel Leid erspart hätte. Er war aber sehr wohl klug, wenn wir darunter jene sittliche Haltung verstehen, die, im Einklang mit Gott, stets das Richtige zu tun sucht und dabei sich auch der natürlichen Gaben und Talente bedient.

Pater Engelmar war fleißig, arbeitsam, konsequent in allem, was er tat. Ein blinder Eiferer war er jedoch nie. Er wusste sehr wohl zu unterscheiden zwischen klugem Abwägen und fanatischem Draufgängertum. Seine Klugheit wurzelte in seiner Liebe zu Gott wie zu den Menschen.

Und hier lag auch das Fundament seiner Gerechtigkeit.

Er bemühte sich, egal wo, ob im Kloster oder im KZ, Gerechtigkeit walten zu lassen. Egoismus oder eigene Vorteilhaftigkeit war nicht sein Ding. Es ging ihm, auch in seinen Predigten und im Religionsunterricht in Glöckelberg stets darum, allen Menschen gerecht zu werden und die Würde aller zu verteidigen. Dass er sich auch für die Würde der Zigeuner und Juden einsetzte, wurde ihm schließlich zum Verhängnis.

MÄSSIGUNG / MUT & TAPFERKEIT

Wenn je im europäischen Western zu einer Zeit des letzten Jahrhunderts besondere Tapferkeit gefragt war und Mut, den eigenen Glauben zu vereidigen, dann im Dritten Reich. Wer nicht einfach „Mitläufer“ sein bzw. werden wollte, musste Farbe bekennen. Das erforderte besondere Tugenden: Viel Mut, große Tapferkeit und überzeugte Standhaftigkeit. Und die besaß Pater Engelmar in hohem Maße. Er stand zu seinem Wort, auch als man ihm mit der Verhaftung drohte. Und als die Würfel gefallen waren, nachdem man ihn in Untersuchungshaft genommen und schließlich ins KZ Dachau abgeschoben hatte, nahm er nichts von dem zurück, wofür er stets eingetreten war.

Er legte Zeugnis ab für einen „höheren Herrn“ und bekannte sich zur Wahrheit in Christus, dem König und Herrscher des Weltalls – und das erforderte von Pater Engelmar in der damaligen Situation besonders viel Mut und Tapferkeit!

Aber, wie schon erwähnt, Pater Engelmar wurde darüber nicht zum Fanatiker; er mäßigte sich auch diesbezüglich und wurde nie ausfällig. Mäßigung also nicht nur im Alltag, beim Essen und Trinken, sondern auch im Umgang mit Worten. Dazu stand er zeitlebens. Überhaupt, er zählte zu den „Stillen im Lande“; zu den Bescheidenen, Einfachen und Demütigen. Nie wurde er laut, nie aufbrausend. Er war kein Polterer, auch nicht, wenn er sich im Recht glaubte. Alle, die ihn näher kannten, bezeugten seine große, schier schon ängstliche Schüchternheit. Er blieb immer gerne im Hintergrund, machte nie Aufhebens um sich selber.

Umso erstaunlicher, dass gerade er, der von Haus Überschüchterne und Sich-stets-Zurücknehmende, sich so energisch für die Rechte aller Menschen einsetzte, selbst unter Gefahr seines eigenen Lebens.

Ehemalige Klassenkameraden aus seiner Gymnasialzeit sowie Kursgenossen in den Jahren seiner Vorbereitung auf die Priesterweihe wunderten sich immer: Ausgerechnet dieser schüchterne Ordensmann, dieser sensible und immer freundliche Mitbruder, der so gar nicht nach Draufgänger aussehende stille Pater hatte den Mumm und die Kraft zum Märtyrer der Nächstenliebe! Wo sonst hätten Gottes Gnade und Segen deutlicher offenbar werden können!?

Kurzum, wer immer Pater Engelmar kannte, sei es als einfachen Bauernbuben, als Studenten, als Frater, als Seelsorger oder, ganz zuletzt, als Häftling im KZ – als Held oder Tapferkeitsfanatiker oder gar als „Draufgänger Gottes“ kam er niemandem vor. Er war und blieb der Bedächtige, der Nachdenkliche, der meditativ In-sich-Gekehrte und stets Sorgfältig-Abwägende. Dass er schließlich freiwillig in die Todesbaracke ging, aus freien Stücken sich der Typhuskranken annahm – das konnte nur aus seiner tiefen Gottesliebe gewachsen und gereift sein. Das war die Frucht seiner Gottesfurcht und seiner Gottesliebe. Seine diesbezügliche Tapferkeit war die Folge seines Verständnisse der von Christus vorgelebten Einheit von Gottes- und Nächstenliebe.

Wie versuchte Pater Engelmar

den klösterlichen Alltag zu leben; wie stand er zu den einzelnen Ordensgelübden; was fiel denen, die ihn näher kennenlernten, diesbezüglich besonders auf?

ARMUT / BESCHEIDENHEIT / EINFACHHEIT

Reich war Pater Engelmar nie gewesen, weder als Kind und Jugendlicher noch als Gymnasiast oder Student der Philosophie und Theologie – und schon gar nicht als Mariannhiller Missionar! Davor, in seiner Heimat Greifendorf, herrschte bei den Unzeitigs zwar keine Hungersnot, aber es galt als selbstverständlich, sich stets zu bescheiden. Der Hof war klein, die Einkünfte spärlich – und der Vater war als österreichischer Soldat in russischer Kriegsgefangenschaft an der Wolga gestorben, 1916 – an Typhus. Der kleine Hubert (Pater Engelmars Taufname) war noch keine fünf Jahre.

Und weil der Mutter die Mittel fehlten, musste der Junge später, als er erstmals daran dachte, Priester und Missionar zu werden, sich nach einer Ordensgemeinschaft umsehen, die willens war, ihn studieren zu lassen – auf Kosten des Klosters.

Reich waren auch die Mariannhiller nicht. Aber sie hatten zahlreiche Wohltäter in Stadt und Land. So wurde es vielen aufstrebenden Jugendlichen, die Priester werden wollten, ermöglicht, das Abitur und das sich daran anschließende Philosophie- und Theologiestudium zu absolvieren. So wurde der Junge aus dem Schönhengstgau und der heranwachsende Kleriker recht früh damit vertraut gemacht, was es heißt, arm zu sein und bescheiden zu leben. Und mit der Ablegung der Ordensgelübde in der Gemeinschaft der Missionare von Mariannhill verband Frater/Pater Engelmar den ganz bewussten Verzicht auf persönliches Eigentum. Darüber hinaus legte er das Versprechen ab, sparsam mit den Gütern des Ordens umzugehen, die ihm auf Zeit anvertraut würden.

Armut, klösterliche Armut, war für ihn ein Wegzeichen zur innigen Gemeinschaft mit Gott; sie war auch Ausdruck seiner Hilfsbereitschaft gegenüber den Armen und Notleidenden, also für seine Bereitschaft, den Amen zu dienen. Dass er einmal vier von sechs Priesterjahren in äußerster Armut verbringen würde, nämlich in der grausam-brutalen Welt eines Konzentrationslagers – das hätte Pater Engelmar sich bei der Ablegung seiner Ordensgelübde sicher nicht träumen lassen. Aber er hat, als Gott es zuließ, sich ganz in seinen, Gottes Willen, ergeben. Auch und gerade die Armut eines KZ-Häftlings war für ihn eher ein Beweis mehr, dass Gott ihm viel zutraute.

EHELOSIGKEIT & KEUSCHHEIT

Wir wüssten wenig oder nichts über Pater Engelmars

„Seelen-Leben“, hätten wir nicht seine äußerst wertvollen Briefe aus Dachau, geschrieben zwischen 1941 und 1945. – Davor, als er noch im Studium war, lebte er – auch unter den Gleichaltrigen – eher zurückgezogen. Er studierte sehr intensiv, gehörte von Anfang an zu den Eifrigsten unter den Gymnasiasten und Unistudenten. Uns liegen mehre Originalzeugnisse vor, auf denen er nachweislich die Noten „Eins-mit-Stern“ bekommen hatte, von Lehrern, die als besonders streng galten.

Während seiner Ausbildung, aber auch nach seiner Priesterweihe, im Seelsorge-Einsatz in Riedegg/Österreich und Glöckelberg/Tschechien, lebte er, allen offenkundig und von Augenzeugen belegt, das Leben eines Mönches oder Einsiedlers. Seine von Haus aus zurückhaltende Art machte ihm den Kontakt mit Personen des anderen Geschlechts nicht leicht. Aber das war auch nicht sein Ziel. Über allem, was er tat, über allem, was er dachte, über allem, was er anstrebte – stand der Auftrag seiner Obern und der feste Entschluss, den Willen Gottes zu erfüllen.

Seine Schwester Marie (später: Sr. Huberta CPS) führte ihm in Glöckelberg den Haushalt. Wir dürfen fest davon ausgehen, dass er zu dieser Zeit ein vorbildliches Ordensleben führte – auch hinsichtlich des Gelübdes der Keuschheit und der Ehelosigkeit. Die vier folgenden Jahre in Haft forderten – über die brutale Gewalt und nahezu satanischen Machenschaften der SS-Leute hinaus, geradezu ein heroisches Leben von Seiten derer, die in Dachau inhaftiert waren. Was die ehemaligen Mit-häftlinge betrifft, hat keiner von ihnen auch nur im Geringsten daran gezweifelt, dass Pater Engelmar die Ordensgelübde buchstabengetreu eingehalten und praktiziert hat.

GEHORSAM / BEREITSCHAFT ZUM DIENEN

Wenige Ordensleute, Männer wie Frauen, werden bestreiten, dass gerade dieses Gelübde mitunter am allerschwersten fällt: Die freiwillige Unterordnung, das Einhalten, schier selbstverständliche Übernehmen der Anordnungen des Oberen; die stete Bereitschaft, dem zu gehorchen, der als jeweiliger Superior (Abt, Prior, Guardian, Provinzial usw.) in dieses Amt gewählt oder dazu bestimmt bzw. ernannt wurde.

Pater Engelmar, den wir als sehr sensibel und intelligent kennengelernt haben, war das Gelübde des Gehorsams sicher nicht immer einfach. Aber uns ist kein Wort und keine Anmerkung aus seinem Mund bekannt, was auch nur annähernd in die Nähe einer Unwillens-Bekundung gerückt werden könnte. Ganz im Gegenteil! So weit ehemalige Mitbrüder befragt werden konnten, wurde immer wieder bekundet: Kaum ein anderer war bescheidener, kaum einer williger als er, das zu tun, was seine Obern von ihm erwarteten und verlangten.

Das war so beim Umzug von Würzburg nach Riedegg; und dann wieder von Riedegg nach Glöckelberg, einem Ort, wo sich damals, wie man zu sagen pflegte, „Füchse und Hasen Gute Nacht sagten.“ Also abgelegen, vereinsamt und winters mitunter total eingeschneit; windig und kalt im Herbst und Frühjahr; ein unbedeutender Grenzort das Jahr über. Aber für Pater Engelmar gab es überhaupt keinen Zweifel: Es war der ausdrückliche Wunsch seiner Oberen – und dem gehorchte er. Ohne Widerrede. Ohne Ausreden.

Seine Bereitschaft zum pastoralen Dienst an den Menschen ging Hand in Hand mit seiner Liebe zu Gott. Wenn seine Vorgesetzten es wünschten, hörte er darin den Willen des göttlichen Vaters.

Die Marienminne des MariannhIller Missionars

Einfluss von Seiten des Elternhauses, der Lehrer & Erzieher, einzelner Patres sowie des Priesterblocks im KZ Dachau

Pater Engelmars „Marienbild“, das heißt, seine Art der Verehrung der Gottesmutter Maria war weithin geprägt von der „marianischen Haltung“ seiner Mutter und Großmutter) sowie, in den späteren Jahren, seiner Ordensgemeinschaft. Cecilia-Maria Unzeitigs Marienminne übertrug sich auch auf ihre Kinder. Dazu zählten regelmäßige Mariengebete, das Beten des Rosenkranzes, liturgische Andachten an besonderen Marienfesten sowie Wallfahrten und gemeinsames Pilgern zum Marienbildstock bei Pohler, dem Heimatort seines Vaters Johann Unzeitig und dessen Mutter, Engelmars Großmutter.

Wie sehr Pater Engelmar von dieser dörflichen Marien-Verehrung beeinflusst war, zeigte sich auch bei der Wahl seines Primiztages: Es war das Fest Mariä Himmelfahrt, am 15. August 1939, obschon er die Priesterweihe bereits am 6. August empfangen hatte.

Die Gemeinschaft der Missionare von Mariannhill – der Name sagt es schon – war sozusagen ja auch ein „marianisches Erbe“. Der Gründer der Missionszentrale in Südafrika, Abt Franz Pfanner, benannte die meistern der von ihm und seinen Mönchen gegründeten Missionsstationen nach berühmten Marien-Wallfahrtsorten in Europa, z.B. nach Kevelaer, Oetting, Mariazell, Marialinden, Mariathal, Mariastern, Mariatrost u.a.

Im Spätberufenen-Seminar zu Reimlingen, wo Hubert Unzeitig seine ersten Kontakte mit Mariannhill hatte, war damals Pater Ludwig-Maria Tremel der Chef (Rektor) des Gymnasiums – ein glühender Marienverehrer! Keine Predigt, in der er nicht auf die Gottesmutter verwiesen hätte!

Am späteren Studienort Frater Engelmars, in Würzburg, ist die Marienverehrung seit Jahrhunderten ein fester Bestandteil der Volksfrömmigkeit! Da waren (damals wie heute) die Feste Marienburg und das Käppele, die Marienkapelle unten in der Innenstadt und viele andere Marienheiligtümer. Die fränkische Art der Marienverehrung war dem aus Mähren (Schönhengstgau) stammenden Jung-Mariannhiller sehr sympathisch: Es gab Maiandachten, Marienlieder, Litaneien zur Ehren der Gottesmutter u. v. a. Kurzum, das fränkische Milieu und der enorme Einfluss der Mariannhiller Missionare prägten Pater Engelmars frühe Frömmigkeit wesentlich mit.

Starken und bleibenden Einfluss

auf Pater Engelmar während seiner KZ-Zeit hatten viele priesterliche Mithäftlinge; darunter der Dominikaner Pater Titus Brandsma aus den Niederlanden, Pater Josef Kentenich von den Pallottinern, der österreichische Jesuit Pater Lenz und auch der erst heimlich im KZ zum Priester geweihte Karl Leiser aus dem Bistum Münster.

Die holzgeschnitzte „Madonna von Dachau“, eine Marienstatue in der Lagerkapelle, besuchte Pater Engelmar mehrmals täglich. Mit ihr hielt er Zwiesprache; bei ihr schöpfte er immer wieder Hoffnung und Mut. Bei den harten Zwangsarbeiten in der Plantage oder in der Messerschmitt-Fabrik pflegte er regelmäßig, soweit möglich, den Rosenkranz zu beten. Manchmal, wenn gerade ohne SS-Aufsicht, beteten die Häftlinge sogar halblaut und gemeinsam. Beliebt war auch das Gebet zur Lager-Madonna, das einer der Priester in Baracke 26 umgedichtet hatte: „Unsere liebe Frau von Dachau, zeige, dass du Mutter bist, wo die Not am größten ist…“

Dachau war für Pater Engelmar nicht nur zu einem Ort qualvollen Leidens, sondern auch zur Schule des Betens geworden. Hier, im Umfeld des Bösen, hat er Gott intensiv gesucht; hier hat er missionarisch/marianisch gebetet; hier reifte er zu wahrer Größe.

Schriftliche Zeugnisse echter Marienverehrung finden wir in Pater Engelmars Briefen aus dem KZ. Da stoßen wir auf zahlreiche Hinweise echter Liebe zur Gottes Mutter Maria. Am dritten Oktober 1941 – er war seit Juni in Dachau – schrieb er zum Beispiel: „Der Rosenkranzmonat sieht uns wieder am Nachmittag zum gemeinsamen Rosenkranzgebet um den Altar geschart, um Maria, die Hilfe der Christen, die Mittlerin der Gnaden zu grüßen und um ihre mütterliche Fürsprache anzurufen…“

Am 2o. Mai des folgenden Jahres erwähnt Pater Engelmar „das treubesorgte Mutterherz Mariens, der Maienkönigin, die wir recht eifrig grüßen in den freien Augenblicken zwischen der Arbeit.“ Und am 6. Juni 1943 schreibt er: „Vertrauen wir weiter auf Maria, unsere gute Mutter; sie wird auch in Zukunft über uns wachen und uns helfend und führend zur Seite stehen.“ – Ein knappes Jahr vor seinem Tod kommt Pater Engelmar wieder auf die Maienkönigin zu sprechen. „Im Marienmonat dürfen auch wir uns hier um den Thron der Himmelskönigin scharen, um sie zu grüßen und ihr die Anliegen der schwergeprüften Menschheit vorzutragen…“ (21. Mai 1944)

Wie der Mariannhiller Pater zur Gottesmutter Maria stand, wird, wenn auch versteckt und unausgesprochen, aus seiner Haltung zur eigenen Mutter deutlich. Am fünften März 1944, ein Jahr nach dem Tod seiner Mutter, notierte er: „Wie ich schon schrieb, fällt mir seit der Mutter Tod alles viel leichter, ja, ich verspüre sogar Freude, wenn ich etwas Schweres tragen darf. Das lässt mich auch annehmen, dass Mutter schon im Himmel ausruhen darf am Herzen Gottes… Jetzt, wo um uns herum so vieles in Trümmer sinkt, lernt man immer mehr, dass es doch allein auf die Ewigkeit ankommt und darauf, dass wir in selbstloser Liebe Gott und um seinetwillen den Mitmenschen Freude zu machen suchen.“

Der Tod seiner Mutter, so hart und schwer er für Pater Engelmar auch war, wurde letztlich zur „inneren Kraftquelle“, das Inferno von Dachau durchzustehen, ja sogar noch intensiver als bisher im Gebet und in der praktischen Nächstenliebe zu leben. Dabei wurde ihm Maria, die Himmelskönigin und Mutter aller Mütter, zur Mittlerin schlechthin; ihr blieb er bis zu seinem Tod eng verbunden.

Aber nicht weniger nahe stand er zu seiner Ordensfamilie, den Missionaren von Mariannhill. Nach dem Krieg, so pflegte er befreundeten Mithäftlingen zu sagen, wolle er als Missionar nach Russland gehen, was damals in der deutschen Sprache noch soviel wie Sowjetunion bedeutete. Maria, die Gottesmutter, werde ihm dabei zur Seite stehen… – Dazu ist es nicht mehr gekommen. Pater Engelmar starb wenige Wochen vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Dachau. Aber sein Vermächtnis lebt fort – so wie er es an seine Schwester Adelhilde geschrieben hat: „Liebe verdoppelt die Kräfte; sie macht erfinderisch und innerlich froh…“

Vorbild für viele, für jung & alt

Ob als Ordensmann, Weltpriester oder Missionar, als Anwalt der Geächteten und Märtyrer der Nächstenliebe – er mühte sich zeitlebens um Versöhnung und Frieden

Obwohl er jung starb, gerade 34 Jahre alt, war Pater Engelmars Leben vorbildhaft: Treu stand er zur Kirche und zum Glauben, zu Bischof und Papst, zum Orden und zu den Mitbrüdern. Auch die Hetzreden der Nazipropagandisten konnten ihn nicht von seiner Treue zum katholischen Glauben abbringen. Vorbildlich lebte er als Priester und Ordensmann; stets um die Seelen der ihm Anvertrauten besorgt, aber ohne das eigene Seelenheil zu vernachlässigen. Im KZ, so haben es überlebende der Priester-Baracke beteuert, galt er als korrekt, freundlich und hilfsbereit. Viele auf Block 26, eigentlich alle, sahen in ihm trotz seiner Jugend ein echtes Vorbild. In besonderer Erinnerung sind allen auch seine regelmäßigen Kurzbesuche in der Lagerkapelle – vor dem Tabernakel und der Marienstatue.

Auch in Dachau folgte er der Devise: Von Gott berufen, für die Menschen bestellt. Den Menschen wollte er dienen, auch hinter Stacheldraht und unter nahezu unmenschlichen Bedingungen.

Seine missionarische Sendung galt im Lager vor allem den Russisch sprechenden Häftlingen. Viele von ihnen gaben sich als eingefleischte Atheisten aus; ihnen die Frohbotschaft zu künden, war mitunter sogar gefährlich; es gab zu viele kommunistische Spitzel unter ihnen. Daher „predigte“ Pater Engelmar weniger mit Worten, sondern mehr durch sein Da- und So-Sein! – Und niemals vergaß er seinen Auftrag als Missionar: Die frohe Botschaft zu künden – bis an die Enden der Erde! Dazu zähle er auch die Pflege der Totkranken und Sterbenden sowie seine Sorge um alle Unterdrückten und Geächteten wegen ihrer Herkunft, Religion oder Nationalität.

Wer in einem KZ einsaß, war in den Augen der SS und ihrer Helfershelfer kein Mensch mehr; er wurde nicht nur buchstäblich mit Füßen getreten, sondern auch seelisch zerstört. Diesen Menschen fühlte sich Pater Engelmar verbunden; ihnen wollte er helfen, versteckt und heimlich, weil eine offene Anteilnahme oft lebensgefährlich gewesen wäre: Ihnen allen machte er immer wieder Mut, tröstete sie und betete für sie und mit ihnen. Er legte ihnen die Hände auf und segnete sie.

Märtyrer der Nächstenliebe

Das Schriftwort: „Es gibt keine größere Liebe als die, wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde“ war von Pater Engelmar nie angezweifelt worden. Er verehrte die großen Heiligen und Glaubenszeugen der Kirche; sie waren ihm Vorbild bei seinem eigenen Tun.

Was Pater Maximilian Kolbe in Auschwitz getan hat – er ging freiwillig anstelle eines verheirateten Familienvaters in den Hungerbunker und kam dort elendig ums Leben – das tat in ähnlicher Situation Pater Engelmar in der Typhusbaracke zu Dachau: Auch er meldete sich freiwillig zur Pflege russischer Häftlinge, um die sich niemand sonst kümmerte – und zwar lange bevor dazu offiziell aufgerufen wurde. Zu Hunderten raffte die Seuche sie hinweg, ohne dass sich die Lager-SS um sie gekümmert hätte. Daher legte er selbst Hand an, um die Sterbenden zu betreuen, sie zu pflegen und ihnen, wenn erwünscht, die Sterbesakramente zu spenden. Dieser freiwillige Gang in die Todesbaracke machte ihn zum Märtyrer der Nächstenliebe; ehemalige Geistliche von Block 26 nannten ihn zu Recht nach Kriegsende den „Maximilian Kolbe der Deutschen“.

Ort des Friedens und der Versöhnung

Pater Engelmar wurde als Österreicher geboren, in der alten k. & k. Monarchie; 1918 wurde er zwangsweise Bürger der neugegründeten Tschechoslowakei, und mit dem „Anschluss“ der Sudetengebiete deutscher Staatsbürger. Deutsch war seine Muttersprache; Tschechisch lernte er schon in jungen Jahren. In Bayern besuchte er das Gymnasium, in Holland das Noviziat und in der Frankenmetropole Würzburg studierte er Philosophie und Theologie; hier wurde er auch zum Priester geweiht. Seinen ersten größeren Pastoraleinsatz hatte er in Riedegg bei Linz a.d. Donau/Österreich. Von hier wurde er nach Glöckelberg im Böhmerwald (Tschechien) geschickt, und von da ging es über Linz nach Dachau…

Das Dorf Glöckelberg gibt es nicht mehr; er wurde nach dem Krieg geschleift, weil es im militärischen Sperrgebiet lag, von Winston Churchill „eiserner Vorhang“ genannt. Die Einwohner wurden, weil Deutschsprachige, vertrieben, die Häuser dem Erdboden gleichgemacht; nur die Kirche blieb stehen; sie wurde zeitweise als Munitionslager benutzt. Aber auch sie fing an zu verfallen.

Nach der Prager Wende (1989/1990) haben ehemalige Glöckelberger von Österreich und Bayern aus das Gotteshaus restauriert und den damals zerstörten und überwachsenen Friedhof vor das Kirche neu angelegt. (Kardinal Vlk, damals noch Bischof von Budweis, gab dazu die kirchliche Erlaubnis; später, als Erzbischof von Prag, setzte er sich auch für die Seligsprechung Pater Engelmars ein.) Im Chor der wieder-hergestellten Kirche befindet sich heute neben dem Glasfenster des heiligen Nepomuk jetzt eine Darstellung des seligen Engelmar – als Märtyrer der Nächstenliebe, als Mann der Versöhnung und des Friedens zwischen den Völkern.

Glöckelberg könnte, so gesehen, ein idealer kleiner, gut gelegener Wallfahrtsort werden für die Menschen der Dreiländerecke – für Tschechen, Österreicher und Deutsche; ein europäisches Pilgerzentrum, wo man gemeinsam um Frieden und Versöhnung aller Menschen in der Welt beten würde – und für die kleinen und größeren Anliegen aller Menschen europa- bzw. weltweit.

Pater Engelmar würde dabei als Vorbild und Integrations-Gestalt gelten – er, der Bürger dreier Länder; der sich im KZ einsetzte für Häftlinge aus Polen, der Ukraine und Russland und der von Dachau aus sich auf die Evangelisation der osteuropäischen Völker vorbereitete. Als er mit 34 starb, wütete noch der 2. Weltkrieg, und im gesamten Osten herrschte noch der atheistische Materialismus und Kommunismus.

Heute, mit dem Zusammenbruch dieser Ideologie und der Öffnung dieser Länder Osteuropas bis hinein ins sibirische Fernost, könnte Pater Engelmar auch für viele Menschen dieser Regionen zum Vorbild werden.

In einer Welt, die Grausamkeit und Brutalität auf ihr Banner geschrieben hatte, lebte der junge Pater und Missionar in ganz bewusster Bescheidenheit. Er praktizierte die Barmherzigkeit im Alltag. Ohne viele Worte, ohne große Gesten lebte er kaum sicht- und hörbar den liebenswerten Mitmenschen. Die Einfachheit, die er lebte, und die Fröhlichkeit, die er ausstrahlte, zeugten von seinem Gottvertrauen und seiner Gottergebenheit. Seine Treue zur Kirche und seine Liebe zur Gottesmutter, sein missionarischer Eifer und seine klösterliche Demut machen es auch denen leichter, an Gott zu glauben, die sich von ihm entfernt haben.

Aufschlussreiche Detailszur Causa Engelmar Unzeitig (1911-1945)

(1) Die Situation der Orden im Dritten Reich allgemein – und die der Mariannhiller im Besonderen

Seit etwa Mitte der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts standen viele kirchliche Einrichtungen und Klöster im Focus national-sozialistischer Angriffe. Vielen Missionsorden warf man Devisenschmuggel vor, zum Beispiel auch dem Generaloberen der Missionare von Mariannhill, Pater Reginald Weinmann, der damals von Würzburg aus die weltweite Ordensgemeinschaft leitete. Wiederholt durchsuchten Gestapoleute sein Büro am Röntgenring. Sie beobachteten ihn auch dann noch, als längst feststand, dass es sich hier nicht um Devisenschmuggel handelte, sondern allenfalls um gelegentliche Überweisungen von Missionsspenden deutscher Katholiken an die Missionare vor Ort im südlichen Afrika.

Pater Weinmann witterte Schlimmeres: Dass man ihm eventuell jeden Kontakt mit seinen Mitbrüder im Ausland verbieten werde. Auch vom Arbeitslager Dachau wurde gelegentlich leise und nur mit vorgehaltener Hand gemunkelt. Daher zog er sich bereits 1936 über Österreich in die Schweiz zurück – und von dort weiter nach England. (Vgl. Doktorarbeit von Hubert Wendl CMM, Universität Würzburg, Juni 1998)

Ein weiterer Mariannhiller, Pater Moduald Stiegler, wurde 1944 von den Nationalsozialisten zum Tode verurteilt, weil er Hirtenbriefe der katholische Bischöfe heimlich unter die Gläubigen verteilt hatte. Da es zeitlich schon gegen Kriegsende war, wurde der Pater „zur Frontbewährung begnadigt“ und unmittelbar an die vorderste Ostfront befehligt. Er überlebte beides, Todesurteil und Krieg.

Zwei weitere Mariannhiller Missionare wurden kurz vor dem Zweiten Weltkrieg von den Nazis in Würzburg vorgeladen: Es waren Pater Gregor Adolf Schmitt[1] (aus Rimpar bei Würzburg) und Bruder Heribert Landwehr (aus Höttingen, Pfarrei Gaurettersheim, Kreis Ochsenfurt). Schmitt war damals vorübergehend Rektor des Piusseminars auf dem Mönchberg, ehe er in die USA versetzt wurde. Zu dieser Zeit war Pater Schmitt unmittelbarer Vorgesetzter von Frater Engelmar Unzeitig (Student an der Universität).In einem schriftlich vorliegendem Zeugnis lobt er den jungen Kleriker aus Greifendorf (heute Tschechien) als besonders begabt, fleißig, hilfsbereit, freundlich und fromm, wenngleich auch sehr zurückhaltend und schüchtern.

Doch nochmals zurück zu den Parteibonzen, die die beiden Mariannhiller (Pater Schmitt und Bruder Heribert) verklagt hatten: Sie, so die Anklage, hätten an einem staatlichen Feiertag bewusst und absichtlich das Hissen der Hakenkreuzfahne auf dem Turm der Mariannhiller Kirche unterschlagen. Pater Schmitt vereidigte sich, er sei auf Seelsorge-Aushilfe gewesen, auf einem Dorf im Hinterland, habe aber Bruder Heribert vor seinem Weggang mit dem Beflaggen des Kirchturms beauftragt. Daraufhin wollte man den Bruder verhaften. Doch da kam ihm Schmitt zu Hilfe: Lassen Sie den Bruder in Ruhe; er ist Kriegsinvalide, wurde 1914-1918 schwer verletzt, war mehrere Tage verschüttet und hört jetzt nicht mehr gut.- Die Nazi-Beamten ließen daraufhin beide Mariannhiller wieder frei.

Inwieweit Frater Engelmar und seine Kursgenossen dies alles mitbekommen hatten, lässt sich heute nicht mehr herausfinden. Möglicherweise schwiegen die Oberen diesbezüglich, um die jungen Kleriker nicht zu beunruhigen und zu verunsichern.

Es war ja auch damals kein Geheimnis, die ganz große Mehrzahl der Sudetendeutschen (sprich: Alle Deutsch sprechenden, sich für Deutsche haltenden Bewohner Tschechiens) sympathisierten in den 1930er Jahren mit Hitler und dem Dritten Reich. Frater/Pater Engelmar machte da keine Ausnahme. Die „Heimholung ins Deutsche Reich“ (1938), dieser im heutigen Tschechien liegenden Regionen wurde damals von den allermeisten Deutschstämmigen begrüßt. Ihre Vorfahren hatten dort seit dem späten Mittelalter gesiedelt. Sie waren auch lange Zeit österreichische Bürger (k. & k.), wurden aber nach dem Ersten Weltkrieg zwangsweise tschechische Staatsbürger.

So erging es auch dem 1911 geborenen Pater Engelmar; auch ihm wurde die tschechische Staatsbürgerschaft 1920 übergestülpt. Kein Wunder, dass er sich nach seiner Verhaftung in Glöckelberg (1941), während seiner U-Haft in Linz und während der darauf, auf Anordnung Berlins, folgenden „Überstellung“ ins KZ Dachau sich lange wunderte, wieso man ausgerechnet ihm vorwarf, er unterminiere das Dritte Reich.

(2) Sklaven-Dasein im Konzentrationslager Ein tägliches Martyrium brutaler Willkür

Was war für den erst 30jährigen Mariannhiller Pater das Schwerste und Schlimmste, was er im KZ erleben musste? Fast vier von sechs Priesterjahren musste er dort verbringen – von Juni 1941 bis zu seinem Tod am 2.März 1945. Er galt nur noch als Nummer, hatte keinerlei persönliche Rechte mehr und musste eine Demütigung nach der andern erleben. Ferner: Hunger ohne Ende, Schwerstarbeit/Sklavenarbeit in der Plantage, Schneeschippen im Winter, Fabrikarbeit bei Messerschmitt – und stets die grausamen Willkürakte der SS-Beamten und Kapos – sowie das Verbot jeder Art von Seelsorge. Wer es dennoch tat, heimlich und versteckt, musste mit strengen Bestrafungen rechnen – oder gar mit der Hinrichtung. Und Pater Engelmar war all die Jahre über seelsorgerlich tätig. Auch diesen Druck, nicht erwischt zu werden, musste er aushalten. Sehr schwer fiel ihm die Trennung von seiner Familie und von seinen Mariannhiller Mitbrüdern. Besuche waren nicht erlaubt. Dass er offiziell keinerlei priesterliche Tätigkeiten verrichten durfte, fiel ihm sehr schwer.

So wurde das KZ Dachau für Pater Engelmar zur besonderen Bewährungsprobe – auch als katholischer Priester. Hier reifte er zu echter Größe, die man in so jungen Jahren nur sehr selten erreicht. Das beweisen seine Briefe aus dem KZ mit fast jeder Zeile. Sie wurden sozusagen zu seinem KZ-Tagebuch, geschrieben an seine Schwester Marie, die später Klosterfrau wurde und sich Sr. Huberta nannte.

Natürlich fragte sich Pater Engelmar auch immer wieder, ob er seine Verhaftung nicht doch hätte vermeiden können? Was hatte er denn Schlimmes angestellt? Wo hätte er „vorsichtiger“ sein müssen? Was man ihm vorwarf, war, religiös betrachtet, nichts Schlimmes. Er verteidigte die Rechte aller Menschen, auch der Juden und Zigeuner – einfach aller Menschen! Und er hetzte nicht gegen Hitler und dessen Partei, wohl aber stellte er Jesus, den Christkönig, über alle, die überirdische Rechte und Ehren forderten. -Von einer persönlichen Verfolgung konnte bei ihm keine Rede sein. Alle Häftlinge wurden schikaniert. Die Geistlichen – auf Block 26 (Deutsche), auf 28 und 30 (Polen) – wurden allerdings vor allem in den ersten Jahren oft auf die übelste Weise geschmäht, verlacht und bis zur Obszönität verspottet. Block 26 wurde von der SS nur Pfaffenblock genannt. Die KZ-Geistlichen hatten keinerlei Sonderbehandlung, mit ganz wenigen Ausnahmen wie z.B. der evangelische Niemöller oder, zeitweise, auch der Pallottinerpater Josef Kentenich, besser bekannt als Gründer der Schönstädter Gemeinschaften, dessen Buch „Werktags-Heiligkeit“ Pater Engelmar übrigens recht gut kannte.

Jeder Tag im KZ war eine Tortur. Von einem so feinfühligen, sensiblen und von Haus aus schüchternen Priester wie Pater Engelmar wurde dies wohl noch härter empfunden als von vielen anderen, mit von Natur aus robusteren Anlagen.

Natürlich vollzog Pater Engelmar relativ oft, mitunter täglich „diverse religiöse Handlungen“ (Beichte, Krankenölung, Nottaufe, Kommunion), doch wie erwähnt, stets heimlich und meistens unter Lebensgefahr; wenn erwischt, hätte er mit entsprechender Bestrafung rechnen müssen: Hungerbunker, Prügelstrafe oder gar Erschießung.

(3) Freiwillig als Blockschreiber und Pfleger in die Todesbaracken der Typhuskranken

Pater Engelmar nützte die ungefähr ab Sommer 1944 leicht laxere Überprüfung der einzelnen KZ-Baracken durch die SS und schmuggelte sich selber in einen der Typhusblocks, wo vor allem russische und ukrainische Häftlinge untergebracht waren und zuhauf an Flecktyphus litten. Niemand schien sich mehr um sie zu kümmern. Hier sah Pater Engelmar seine Aufgabe. Heimlich übernahm er den Job eines Blockschreibers – und verpflegte und pflegte die Todkranken und spendete ihnen, soweit möglich und erwünscht, auch die Sakramente. Alles streng geheim – und zwar schon Wochen (oder Monate?) vor dem offiziellen Ersuchen der SS an Lager-Dekan Georg Schelling, je zehn deutsche und zehn polnische Priester für die Typhusbaracken zur Verfügung zu stellen. Es herrschten dort schreckliche Verhältnisse; die SS und ihre Kapos vermieden es immer häufiger, dort vorzusprechen – aus purer Angst, selbst angesteckt zu werden.

Pater Engelmar gehörte jetzt zu den zehn „offiziellen deutschen Freiwilligen aus der Priesterbaracke. Das war im Januar/Februar 1945. Den detailliertesten Augenzeugenbericht lieferte später Pater Johannes Maria Lenz SJ; er war der einzige Überlebende der Zehnergruppe. Sein ausführlicher

Bericht über die letzten Tage Pater Engelmars in der Typhusbaracke ging nach dem Krieg an Pater Engelmars leibliche Schwester Adelhilde-Regina Unzeitig in Wernberg/Kärnten; zur selben Gemeinschaft gehörte übrigens auch eine Schwester des Jesuitenpaters.

Pater Engelmar hat sein Ende sehr wohl wahrgenommen; es war ein ganz bewusster Gang in den Tod. Er tat dies im völligen inneren Einvernehmen mit Gottes Willen, wohl wissend, dass die Befreiung durch amerikanische Soldaten kurz bevorstand. Die letzten Tage verbrachte auf dem Revier, der offiziellen Baracke für erkrankte Häftlinge, wo er auch mit den Sterbesakramenten versehen wurde. Darüber haben uns mehrere ehemalige Häftlinge berichtet. – Pfarrer Josef Witthaut schrieb am 21. September 1945 an Sr. Adelhilde, man habe ihren Bruder am 20. Februar 1945 von Block 23 in die Krankenbaracke gebracht, von wo aus ihn einige Geistliche des Priesterblocks besuchen konnten. Das wurde auch von anderen Häftlingen bestätigt.

Laut Pater (Johannes Maria) Lenz SJ war eines der letzten Worte Pater Engelmars: „Zur Rettung von Seelen würde ich weiter gerne Verbannung und alles andere ertragen…“ – Zuvor, am 28. Januar 1945 hatte er an seine Schwester Marie geschrieben: „Im Übrigen wollen wir weiter aus Gottes Hand annehmen, was er in Zukunft schicken wird, und ihm alles aufopfern mit der Bitte, er möge der schwer geprüften Menschheit recht bald den heißersehnten Frieden schenken.“ – Den vermutlich letzten, leider undatierten Brief aus Dachau schrieb Pater Engelmar an seine Schwester Regina (Ordensschwester Adelhilde in Wernberg). Daraus entnehmen wir die wunderbaren Worte: „Liebe verdoppelt die Kräfte; sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh. Es ist in keines Menschen Herzen gedrungen, was Gott für die bereit hält, die ihn lieben.“

Wir wissen mit Sicherheit, von Pfarrer Josef Witthaut und einigen anderen KZ-Priester bezeugt, dass Pater Engelmar am 20. Februar 1945 selber so stark an Typhus darniederlag, dass man ihn direkt aufs Revier (offizielle Krankenbaracke des Lagers Dachau) schaffen musste, wo er sich vorübergehend ein wenig erholte. Doch dann kam ein Rückschlag, und er starb am 2. März, „wohl versehen mit den Sterbesakramenten, würdig aufbewahrt und eingesegnet; die ganze Kommunität (Block 26) hat ihm das priesterliche Totenoffizium gehalten und ein feierliches Requiem aufgeopfert“ (Josef Witthaut).

Pater Lenz schreibt zum Schluss seines langen Brief-Berichtes an Engelmars Schwester Adelhilde-Regina: „So ist er dahingegangen – einer von tausend Toten aus dem Klerus von Dachau. Etwa 500 von ihnen waren an Hunger und Misshandlungen gestorben, 310 wurden durch Giftgas ermordet, mehr als 20 durch Tierversuche am menschlichen Körper, andere durch Seuchen. Ein erschütterndes Kapitel der Kirchengeschichte.“

(4) „Der Engel von Dachau“ wird vom Papst zum Märtyrer der Nächstenliebe erklärt und im Würzburger Dom seliggesprochen

„Fallen Selige plötzlich vom Himmel? Und wer berät da eigentlich den Papst, wen er selig- oder heiligsprechen soll? – Diese Fragen wurden mir in letzter Zeit immer häufiger gestellt; auch in Bezug auf Pater Engelmar Unzeitig. Sie hatten noch nie von ihm gehört oder gelesen. Sie meinten es nicht einmal spöttisch. Ich denke, sie suchten ehrliche Aufklärung und Informationen.

Gewiss, der Mariannhiller Pater Engelmar Unzeitig CMM (1911-1945) ist schon lange tot, und außer den Leserinnen und Lesern der Mariannhiller Zeitschriften, Kalender und Bücher sowie der zahlreichen guten Freunde und Wohltäter der Missionare wissen leider nur wenige Bescheid. Aber auf die Frage, wie denn der Papst die „neuen“ Seligen und Heiligen aussuche, ist damit noch lange nicht beantwortet. Ihm steht nämlich ein ganzes Heer von Mit- und Zu-Arbeitern zur Verfügung. Da gibt es im Vatikan eine eigene „Kongregation“, die mithilft, diese Auswahl zu treffen. Bei der „Causa Pater Engelmar“, also im Falle des Mariannhiller Paters, waren viele Fachleute mit am Werk; neben den römischen diesbezüglich Beauftragten gab es eine bischöfliche Kommission in Würzburg, angeführt von Bischof Paul-Werner Scheele und seinem Nachfolger Bischof Friedhelm Hofmann. Ihre Aufgabe war es, die Seligsprechung vorzubereiten, nachdem man von Seiten der Missionare von Mariannhill darum gebeten hatte.

Wichtig für diese Vorarbeiten auf Diözesanebene waren die Befragungen von Zeugen: Wer kannte Pater Engelmar? Lebten noch ehemalige Klassenkameraden? Oder Geistliche, die mit ihm im KZ Dachau inhaftiert waren? – So wurde sein ganzes Leben durchleuchtet. Zwar gab es seit Papst Johannes Paul II. keinen Advocatus Diaboli (wörtlich: Advokat des Teufels) mehr, aber die Prüfungen sind nicht weniger genau und streng.

Vieles, was zur Vorbereitung der Seligsprechung sich als besonders wichtig und wissenswert herausstellte, wurde schon vorweg durch die Recherchen der Biografen erkundet, archiviert und publiziert. Hier ein paar Tipps:

Reinhard Abeln / Adalbert Ludwig Balling: „Speichen an Rad der Zeit“, Pater Engelmar Unzeitig und die Priesterbaracke im KZ Dachau, TB, 157 S. Herder Freiburg, 1985/1991; es ist dies eine TB-Kurzausgabe der ersten umfangreichen Engelmar- Unzeitig-Biografie: „Eine Spur der Liebe hinterlassen“, Märtyrer der Nächstenliebe, Verlag Mariannhill Würzburg 1984. — In englischer Sprache erschien in den USA: „Martyr of Brothlerly Love“. –- Andreas Rohring (Hg.): „Worte der Freiheit“, Zitate aus Pater Engelmars Briefen. Vorwort: Adalbert Ludwig Balling; Don Bosco-Kommunikation München, 2011. -– Brigitte Muth-Oelschner: „Wo Gott nicht sein darf, schickt er einen Engel“. Eine Erzählung über Pater Engelmar Unzeitig; Vorwort von Miloslav Kardinal Vlk, Prag; Herausgeber: CMM-Generalat Rom; Druckerei Mariannhill Reimlingen 2011.

Engelmar Unzeitig: „Liebe verdoppelt die Kräfte“, Briefe aus dem KZ Dachau (1941-1945).
Herausgegeben von Pater Wolfgang Zürrlein; Geleitwort von Bischof Paul-Werner Scheele, Würzburg, 1993

Also nochmal zurück zur Frage, ob Selige plötzlich „vom Himmel purzeln“ oder ob es doch längererVorbereitungen braucht, eine klare Antwort: Es braucht viele und lange Vorbereitungen – auf diversen Ebenen. Bücher und Biografien sind dabei eher Vor-Arbeiten. Die sich natürlich oft auch in Zeitschriften und Magazinen fortsetzen. Und in der allgemeinen Voraus-Verehrung des gläubigen Volkes. In früheren Jahrhunderten wurden Selige und Heilige oft per Akklamation im Beisein des Bischofs öffentlich dazu erklärt – mitunter bei der Erhebung der Gebeine derer, die man besonders verehren wollte. Dieses Verfahren wurde im Mittelalter nach Rom verlegt und dem Papst unterstellt. Etwas Ähnliches schlug man ja auch auf dem Petersplatz vor, als Papst Johannes-Paul II. starb. „Subito Santo!“ rief die Menge.

Später, bis herauf in unsere Zeit, übernahmen das gewissermaßen die Gebets-Erhörungen, die man den Selig-Heilig-Zusprechenden nachsagte – und mitunter sogar seitenweise in kirchlich-religiösen Blättern veröffentlichte. In Deutschland und Österreich, vor allem aber in Spanien und in den USA, wurden solche Pater Engelmar zugeschriebene Erhörungen bekannt und auch veröffentlicht. Sie werden in Rom als „Stimme des Volkes“ betrachtet.

Also ein letzte Mal: Es fällt kein Heiliger vom Himmel; und kein Seliger wird „künstlich“ hochgespielt, weder vom Vatikan noch vom Papst selber; es sind allemal Gläubige, die den Papst darum bitten, bestimmte Verstorbene als solche zu erklären.

Das dabei auch nachgewiesene Wunder eine Rolle spielen können, ist bekannt. Auf Pater Engelmars Fürsprache sollen zwei Wunder geschehen sein, die auch von Fachärzten in Spanien und in den USA bestätigt wurden. Für die Seligsprechung selber genügte dem Papst die Tatsache, dass Pater Engelmar als Märtyrer gestorben ist; dazu hat Franziskus ihn Ende Januar 2016 offiziell erklärt und gleichzeitig seine offizielle Seligsprechung festgelegt – im Dom zu Würzburg am 24. September 2016.


[1] A.G. Schmitt wurde 1951 zum Bischof von Bulawayo ernannt – und 25 Jahre später, während des blutigen Bürgerkriegs in Rhodesien (heute: Simbabwe) von einem Terroristen/Freischärler erschossen. Vgl. ALB: „Keine Götter, die Brot essen“, Verlag Mariannhill Würzburg, 2001

Papst Benedikt XVI. erklärt Pater Engelmar Unzeitig als verehrungswürdig und erkennt „heroische“ Tugendgrade an

Ein Brief aus dem Generalat der Missionare von Mariannhill berichtet über den aktuellen Stand der Seligsprechung von Pater Engelmar Unzeitig: „Wie Sie sicher schon wissen, ermächtigte der Hl. Vater die Kongregation für die Seligsprechungen das folgende Dekret „Die heroischen Tugenden des Dieners Gottes Engelmar Unzeitig, deutscher Priester der Kongregation der Missionare von Mariannhill (1911-1945) “ zu veröffentlichen. Pater Engelmar ist also nicht mehr „Diener Gottes“, sondern „Ehrwürdiger“ und als solcher kann und verdient er verehrt zu werden. Der Papst erklärt eine Person für ‘Ehrwürdig’ in deren Leben ‘heroische Tugenden’ nachgewiesen werden können. … Bei dieser Gelegenheit möchten wir Ihnen allen danken, die Sie mitgeholfen und mitgebetet haben, damit dieser weitere Schritt im Seligsprechungsprozess von Pater Engelmar ermöglicht wurde.
Ein Wunder ist geschehen
Der nächste Schritt ist dann die Seligsprechung. Dazu ist ein Wunder erforderlich. Im Fall von Pater Engelmar ist ein Wunder bereits geschehen. Es wurde inzwischen von zwei unabhängigen Ärzten anerkannt. Jetzt folgt noch eine „consulta medica“ und dann kommt die endgültige Empfehlung der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechung, so dass der Papst ihn zum Seligen erklärt. Wir hoffen und beten, dass dies bald geschehe.
Das Dekret über die Tugenden lautet:  “Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? In der Schrift steht: Um deinetwillen sind wir den ganzen Tag dem Tod ausgesetzt; wir werden behandelt wie Schafe, die man zum Schlachten bestimmt hat. Doch all das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat (Röm 8,35-37).
Die menschlichen, christlichen und priesterlichen Ereignisse im Leben des Dieners Gottes Engelmar Unzeitig, der in einem kurzen Leben ein lebendiges Zeugnis von der Nachfolge Christi und von großherzigem Dienst an seinen Brü̈der ablegte, erinnern uns an dieses Zitat des Apostels Paulus.
Der Diener Gottes wurde geboren am 1. März 1911 in Greifendorf, Bezirk Schönhengst, Ost-Mähren, das zu dieser Zeit zum österreichisch-ungarischen Reich gehörte. Er wurde in der Pfarrkirche des Dorfes auf den Namen Hubert getauft.
Seine sehr katholische Familie und seine Herkunft gaben ihm eine reine christliche Lebensweise mit. Er hatte eine starke religiöse Erziehung und die Angewohnheit, sich um andere zu kümmern, eine enge Verbindung zu den Menschen und eine Bereitschaft zu teilen. Diese Züge blieben immer bei ihm.
Er war sechs Jahre, als er seinen Vater verlor. Nach der Grundschule musste er, selbst noch ein Kind, eine Arbeitsstelle annehmen, um für seine Mutter und Schwester zu sorgen.
Als Heranwachsender spürte er eine klare und starke Berufung zum Ordensleben. Mit Zustimmung seiner Familie ging er in das Internat der Mariannhiller Missionare und er schaffte das Abitur mit ausgezeichneten Noten. Nach dem Noviziat machte er die erste Profess und nahm den Ordensnamen Engelmar. Er war sehr angesehen bei Oberen und Mitbrüdern wegen seines Fleißes, seiner Klugheit und seinem Eifer. 1939 wurde der Diener Gottes in Würzburg geweiht. Seine erste feste Stelle war als Pfarrer in Glöckelberg, in Böhmen. Dort waren Sudetendeutsche, die den Anschluss ans deutsche Reich durch Hitler ganz gerne annahmen.
Wollte nichts von den Nazis wissen
Nach dem Staats­-examen, übernahm er den Religionsunterricht an der Grundschule. Sein Dienst war immer vollkommen gottgeweiht durch ein priesterliches Leben der Demut und gutmütigen Eifers, immer bemüht um den Aufbau des Reiches Gottes. Täglich bekräftigte er seine Verbundenheit mit Christus durch Gebet, Spenden der Sakramente, Treue zu seinen Ordensgelübden, Eifer im Unterrichten der Jugend und durch seine Liebe für die Armen und Bedürftigen.
Fanatismus und Gewalttätigkeiten, sowie politische Unruhen auf Grund des Zweiten Weltkriegs, nahmen ständig zu. Der Diener Gottes wollte nichts von den Nazis wissen. Er zog die Wahrheit vor und wollte keine Gunst von den Mächtigen und von denen, die die Seelen der Gläubigen verdarben.
Engel von Dachau
Aus diesem Grund beurteilte die Partei ihn und seine Ideen als gefährlich. Er wurde 1941 von der Sicherheitspolizei verhaftet und ins Gefängnis von Linz gebracht. Nachdem er wegen krimineller Aktivitäten verurteilt worden war, wurde er nach Dachau in Bayern gebracht. Dort ertrug er viele Widerwärtigkeiten in Gelassenheit und gab ein großartiges Zeugnis seines Gottvertrauens und seines Glaubens. Ausgesetzt den ständigen Misshandlungen und der Machtlosigkeit, verlor er dennoch nicht seine innere Ruhe, sondern sie wurde für ihn zum Anlass für Hoffnung und Sanftmütigkeit und seine Tugend wuchs in wirklich heldenhaften Taten. Nächstenliebe brannte in ihm und er lernte Russisch, um den russischen Gefangenen zu helfen. In diesen Jahren waren sein Zeugnis fü̈r den Glauben und fü̈r seinen Mut Höhepunkte auf seiner Pilgerfahrt der Treue zu Christus. Seine Liebe fü̈r die Mitgefangenen brachte ihm später den Namen „Engel von Dachau.“
Als im Lager Typhus ausbrach, im Winter von 1944, meldete sich der Diener Gottes zum freiwilligen Krankendienst, um ihnen den Trost des Glaubens zu spenden, obwohl er sich der tödlichen Gefahr bewusst war.
Nachdem er ein einzigartiges Zeugnis gegeben hatte vom Sieg der Liebe ü̈ber alle Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten, starb er in Dachau als Opfer der Seuche am 2. März, 1945, gerade erst 34 Jahre alt.
Wegen seines Rufes der Heiligkeit hat die Diözese Wü̈rzburg von Juli 1991 bis Juni 1996 eine Untersuchung durchgefü̈hrt und hinzu kam eine Untersuchung der Diözese Rottenburg-Stuttgart vom Oktober 1991. Die Kongregation fü̈r die Heiligsprechung hat die Autorität dieser beiden Stellen durch ein Dekret vom 11. Januar 2002 bestätigt.
Nachdem die positio studiert worden war, wurde beraten ob der Diener Gottes die Tugenden in einer heroischen Weise ausgeübt hatte. Die theologischen Sachverständigen trafen sich am 30. Januar 2009 und kamen zu einem positiven Ergebnis. In der ordentlichen Sitzung am 28. April 2009, auf Vorschlag seiner Eminenz Kardinal Paul Joseph Cordes, Präsident des päpstlichen Rates “Cor Unum“ stimmten Kardinal und Bischöfe zu, dass der Diener Gottes die theologischen und Kardinaltugenden und die damit verbundenen anderen Tugenden in heldenhafter Weise praktiziert hatte.
Der Präfekt informierte den Heiligen Vater Benedikt über dieses Ergebnis. Der Papst akzeptierte und bestätigte die Ergebnisse der Kongregation für die Heiligsprechung und er gab bekannt: Die theologischen Tugenden von Glaube, Hoffnung und Liebe zu Gott sowie auch zum Nächsten, und die Kardinaltugenden von Klugheit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Stärke und die damit verbundenen Tugenden, wurden mit Gewissheit festgestellt bei dem Ordenspriester der Missionare von Mariannhill, dem Diener Gottes Engelmar (Hubert) Unzeitig in dem vorliegenden Prozess.
Papst Benedikt XVI. ordnete an, dass dieses Dekret ein öffentliches Gesetz und von der Kongregation für die Heiligsprechung in die Akten eingefügt werde.

Pater Engelmar Hubert Unzeitig – Mariannhiller Missionar

Ein Seliger aus dem Schönhengstgau (1911-1945)
Von Adalbert Ludwig Balling CMM

Er war einer unter den Unzähligen – und doch fiel er auf. „Er war einer, der sich absolut nicht wichtig machte: Es gab sehr viele, die eine Rolle spielen wollten. Anders bei ihm. Ganz still hat er einfach alles mit sich getragen, was er tragen musste, und eben dieses Bescheidene, dieses Sich-nicht-Vordrängen hat mich damals beeindruckt. – Und dann war da die Tat von Pater Engelmar Unzeitig, das große Ereignis! Einfach aus seinem Glauben und aus seiner Verbindung mit Christus heraus bezeugte er: Ich muss das Gute tun!“ – So schrieb Prälat Hermann Scheipers (Münster) über Pater Engelmar Unzeitig, den er in der Priesterbaracke von Dachau kennen gelernt hatte.

Mit 30 wurde Pater Engelmar verhaftet, als Pfarrverweser in Glöckelberg, im böhmischen Tschechien. Nach sechs Wochen Untersuchungshaft in Linz/Donau wurde er ins KZ Dachau „überstellt“. Mit 34 starb er als Märtyrer der Nächstenliebe. Vier Jahre in der „Hölle von Dachau“, vier Jahre auf dem Weg zur Heiligkeit. Wie ist es dazu gekommen? Warum überhaupt

wurde er von den Nazis verfolgt? Warum in so jungen Jahren? Gehörte er zu denen, die von Anfang an das Dritte Reich zu boykottieren versuchten? – Nein, er war kein Rebell. Ganz im Gegenteil! Er zählte zu den Stillen im Lande. Von Haus aus war er eher schüchtern.

Aus dem Schönhengstgau in Mähren

Geboren wurde Pater Engelmar Hubert (Taufname) Unzeitig am 1. März 1911 in Greifendorf bei Zwittau/Mähren. Seine Eltern hatten einen kleinen Bauernhof. Hubert war der einzige Junge unter fünf Geschwistern. Nach der Volksschule arbeitete er eine Zeitlang bei einem tschechischen Bauern, auch , um die tschechische Sprache besser zu erlernen: Das zur kaiserlich-königlichen Monarchie gehörende Mähren war nach dem Ersten Weltkrieg tschechisch geworden. Als Hubert immer deutlicher das Verlangen spürte, Priester zu werden, meldete er sich bei den Missionaren von Mariannhill in Reimlingen/Diözese Augsburg. Dort machte er das Abitur, schloss sich nach dem Noviziat (Probezeit) der Gemeinschaft an, absolvierte in Würzburg die philosophischen und theologischen Studien und wurde schließlich am 6. August 1939 von Bischof Matthias Ehrenfried von Würzburg zum Priester geweiht.

Nur wenige Tage nach seiner Primiz brach der Zweite Weltkrieg aus. Zunächst arbeitete er als Seelsorger in der Niederlassung der Mariannhiller in Riedegg bei Linz a. d. Donau, Österreich und betreute dort französische Kriegsgefangene, bis ihn im Herbst 1940 der Bischof von Linz bat, die Pfarrstelle in Glöckelberg/Böhmerwald zu übernehmen.

Es waren harte Monate für den Neupriester. Nicht nur der Winter war streng, auch die Seelsorge forderte ihn heraus – auf der Kanzel, beim Religionsunterricht, im Gespräch mit den Menschen vor Ort. Die Nationalsozialisten hatten das Sagen; Hitlers Agenten lauerten überall, auch in den Kirchen. So kam es, dass Pater Engelmar nicht nur bespitzelt, sondern auch schon bald verklagt wurde: Er setze sich für verfolgte Juden ein; er betrachte nicht den Führer, sondern Christus als seinen obersten Herrn; er lehre die Jugend, Gehorsam gegenüber Gott sei wichtiger als gegenüber weltlichen Herrschern.

So kam es wie befürchtet: Am 21. April 1941 wurde er verhaftet. Man ließ ihm kaum Zeit, mit seiner Schwester Marie, die ihm den Haushalt führte, noch ein paar wichtige Dinge zu besprechen. Sechs Wochen lang hielt man ihn im Gefängnis von Linz fest. Dann hieß es: „Ab nach Dachau!“ Dort traf Pater Engelmar Unzeitig am 3. Juni 1941 ein. Es sollte seine letzte Reise sein.

Dachau – eine Welt ohne Gott

In Dachau stand das erste Konzentrationslager des Dritten Reiches. Es wurde 1933 errichtet, nur kurze Zeit nach der Machtübernahme Hitlers. (Nebenbei: Erfunden wurden die Concentration Camps in Südafrika, während des sogenannten Burenkriegs, 1899-1902, und zwar von den britischen Truppen!) Als Pater Engelmar in Dachau eintraf, waren bereits Hunderte von Geistlichen dort inhaftiert, nicht nur Deutschsprachige, auch Franzosen, Niederländer und Ungarn, vor allem aber Polen. Die waren in separaten Baracken untergebracht. Die Deutschen und Österreicher hatten Block 26 zugeteilt bekommen, die Polen hingegen Block 28 und 30. Pater Engelmar erhielt die Lagernummer 26 147; diese Nummer war fortan sein Kennzeichen, nur auf der Lagerkartei standen noch weitere Personalien wie Taufname, Geburtsdatum, Geburtsort sowie der Ort seiner Verhaftung, nämlich Glöckelberg, Kreis Krumau. Doch diese persönlichen Angaben zählten nicht mehr. Ab sofort lief Pater Engelmar nur noch unter der Lagernummer 26 147. Jedem SS-Mann, dem er im Lager begegnete, musste er sich mit dieser Nummer vorstellen.

Die folgenden vier Jahre waren die Hölle. Und doch waren sie für Pater Engelmar auch sehr wertvolle Jahre. Hier reifte er zum begnadeten Seelsorger. Hier wuchs er über sich hinaus. Wenn wir seine Briefe aus dem KZ lesen, dann spüren wir etwas von seinem tiefen Gottvertrauen. Von seinem nimmermüden Einsatz für die Mithäftlinge, von seiner schlichten Frömmigkeit, die so stark war, dass selbst Verleumdung, Spott, Hunger und alltägliche Grausamkeiten ihn nicht davon abbringen konnten, sich bei Gott geborgen zu wissen. In einem seiner letzten Briefe schrieb er: „Liebe verdoppelt die Kräfte. Sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh.“ – Seine Liebe zu Gott und zum Nächsten war der tragende Grund seiner Bereitschaft, sogar im KZ sich derer anzunehmen, die sich schwerer taten als er, Gottes fürsorgliche Hand in allem zu sehen, und trotz der Härte des Lagerlebens auch weiterhin an Gottes Güte zu glauben.

Während dieser schrecklichen Zeit sparte sich Pater Engelmar immer wieder von den eigenen ohnehin knapp bemessenen Essensrationen einiges ab und reichte es heimlich an junge, hungrige russische Häftlinge weiter. Gleichzeitig betreute er sie als Seelsorger, übersetzte für sie einen kleinen Katechismus ins Russische und mühte sich so, in ihren trostlosen Alltag ein wenig Licht zu bringen. Sein zeitweiliger Einsatz in den Dachauer Messerschmitt-Werken ermöglichte ihm solche Kontakte, ohne dass es nach außen auffiel. Auf diese Weise fand auch ein hoher russischer Offizier wieder zurück zum Glauben seiner Väter .

Und als in den Baracken der Russen Flecktyphus ausbrach und niemand mehr willens war, dort die Pflege zu übernehmen, meldete sich Pater Engelmar freiwillig – wohl wissend, dass dies auch für ihn der sichere Tod sein würde . So kam es dann auch: Er wurde infiziert, und da kein oder nicht genügend Impfstoffe vorhanden waren , erlag er am 2 . März 1945 dieser Seuche, an der übrigens auch sein Vater einst (1916) in russischer Gefangenschaft an der Wolga gestorben war.

Ein Märtyrer der Nächstenliebe

Weil andere Priester-Häftlinge den Kapo des Krematoriums gut kannten, gelang es, die Leiche von Pater Engelmar einzeln verbrennen zu lassen und seine Asche aus dem Konzentrationslager zu schmuggeln. Über Umwege gelangte diese zu den Mariannhillern nach Würzburg. Dort wurde sie am Karfreitag 1945 auf dem Städtischen Friedhof beigesetzt. Im Herbst 1968 wurde die Urne in die dortige Herz-Jesu-Kirche übertragen.

Die „Erhebungsfeier“ zur Eröffnung des Seligsprechungsprozesses fand am 26. Juli 1991 in Würzburg unter dem Vorsitz von Bischof Paul-Werner Scheele statt. Seit 1998 befinden sich die Akten an der Kurie in Rom. Papst Benedikt XVI. verlieh dem Pater 2009 den heroischen Tugendgrad und erklärte ihn für „verehrungswürdig“; Papst Franziskus verlieh ihm im Januar 2016 den Titel Märtyrer, was schon zur offiziellen Seligsprechung führen wird .

Glöckelberg, Pater Engelmars erste Seelsorgestelle in Böhmen (Tschechien) nach Kriegsende geschleift, weil dieser Ort unmittelbar am Eisernen Vorhang gelegen war. Nur die Kirche und ein kleiner Laden blieben stehen. Die Kirche wurde nach Kriegsende als Munitionslager benutzt – und nach der politischen Wende restauriert. Eines der beiden Glasfenster im Chor zeigt heute Pater Engelmar als Seelsorger der KZ-Häftling und Wohltäter der Armen. Für viele ist er wegen seiner Solidarität mit den Häftlingen heute schon ein Vorbild für alle, die sich um Frieden, Versöhnung und weltweite Gerechtigkeit mühen. Als Märtyrer der Nächstenliebe bleibt er uns in Erinnerung – und ein Vorbild für die Zukunft, dem wir das Wort verdanken: „Was bleibt es anders als Gottes Gnade, die uns trägt und leitet.“

Wissenswertes zur Genesis
der großen Engelmar-Unzeitig Biografie

Wie lange brauchten Sie, sich einen ersten Gesamtüberblick zu verschaffen; wie viele Jahre haben Sie recherchiert, ehe Sie ein Rohmanuskript fertig stellen konnten?

Intensiv habe ich fünf Jahre lang recherchiert; das heißt jede freie Minute, nur dazu benutzt. (Diese Arbeit wurde ja neben den normal anfallenden Aufträgen geleistet; es war zu einer Zeit, als ich noch die Leitung der Gesamtredaktion der Mariannhiller Zeitschriften und Jahres-Kalender innehatte.)
In diesen Jahren lernte ich die vier leiblichen Schwestern Pater Engelmars kennen und deren Verwandte; damals erfuhr ich erstmals, dass die Briefe des Paters aus dem KZ Dachau von Schwester Marie (Sr. Huberta) trotz Flucht und Vertreibung nach Kriegsende gerettet wurden; sie selber hatte über 60 Originalbriefe lange Zeit bei sich aufbewahrt, auch noch nach ihrem Eintritts ins Kloster (zu den Mariannhiller Missionsschwestern vom Kostbaren Blut). Doch dann, irgendwann in den 1960er/1970er Jahren, hatte sie diese Briefe an einen Pater ausgeliehen – und nie mehr zurückerhalten.

Und was ist dann aus diesen Briefe geworden? Wo befinden sie sich heute?

Sie gingen total verloren. Niemand hatte auch nur die blasseste Ahnung, wo sie sich befänden, als ich zu recherchieren anfing. Sr. Huberta Unzeitig verriet mir den Namen des Paters, dem sie die Originalbriefe ihres Bruders ausgeliehen hatte; es war Pater Timotheus Kempf; doch der war inzwischen plötzlich und völlig unerwartet in Rom gestorben. – Also mühte ich mich, zunächst in Rom suchen zu lassen. Pater Dietmar Seubert, ein geborener Würzburger, war gerade Generalvikar im Generalat der Mariannhiller in Rom. Er half mir monatelang beim Suchen, indem er alle Räume, die eventuell auch als Abstellräume dienten, durchstöberte. Alles umsonst. Da gab ich ihm eines Tages den Tipp, er möge überall dort intensiv nachgucken, wo eventuell die Habe ehemaliger, plötzlich verstorbener Hausbewohner abgestellt wurde, vor allem die mögliche „Hinterlassenschaft“ des früheren Generalsuperiors Pater Ferdinand Holzner; er war wahrscheinlich einer der Wenigen, die über Pater Timotheus von den KZ-Briefen wussten. – Wochen und Monate vergingen, dann rief mich Pater Dietmar an: Die Briefe wurden gefunden; in einem fensterlosen Abstellraum, aufbewahrt in einer verstaubten alten Schuhschachtel…

Das war eine echte Freudenbotschaft! Es handelte sich in der Tat um das von Sr. Huberta „ausgeliehene“ Bündel mit über 60 KZ-Briefen ihres Bruders Pater Engelmar. Einige weitere Briefe wurden noch in Riedegg bei Linz a. d. Donau entdeckt; teilweise Teil-Briefe, abgerissen von den an die Familie Unzeitig in Greifendorf adressierten; ein paar der Briefe waren auch direkt an Pater Otto Heberling in Riedeg adressiert; er war während der Kriegsjahre Provinzoberer in Österreich.

Was geschah mit diesen Briefen? Waren sie eine Hilfe beim Abfassen der Biografie?

Vielleicht die beste Quelle überhaupt! Ohne diese Briefe wäre es kaum möglich gewesen, die tiefe Religiosität Pater Engelmars zu erkunden, auch die diesbezügliche Reife im Laufe der vier KZ-Jahre. Für Pater Engelmar waren diese schrecklichen KZ-Jahre eine Art „Kloster hinter Stacheldraht“; verordnet und überwacht von satanischen Kräften.

Alle KZ-Briefe Pater Engelmars wurden in Buchform veröffentlicht unter dem Titel „Liebe verdoppelt die Kräfte“, herausgegeben von Wolfgang Zürrlein, mit einem Vorwort von Bischof Paul-Werner Scheele, im Verlag Mariannhill Würzburg 1993. Auszüge aus diesen Briefen finden sich, fotografisch gestaltet und herausgegeben von Andreas Rohring (mit einem Vorwort von Adalbert Ludwig Balling) in dem Bildband „Worte der Freiheit“, Don Bosco-Verlag München 2011.

Was bzw. wen würden Sie als Ihre Hauptinformanten nennen, von den Original-Briefen aus dem KZ einmal abgesehen? Vor allem welche Personen?

Die Familie Unzeitig betreffend, waren die besten Informantinnen Pater Engelmars vier leibliche Schwestern, allen voran die schon wiederholt erwähnte Marie, die spätere Ordensschwester Huberta (nach ihrem Bruder benannt!); gefolgt von Sr. Adelhilde Regina und den beiden verheirateten Unzeitig-Schwestern (Frau Emilie Schneider und Frau Elsa Knötig), die sich nach ihrer Vertreibung aus dem Schönhengstgau (Mähren, Tschechien) mit ihren Familien in der Nähe von Stuttgart niederließen.

Sehr wichtige Informanten, vor allem über das Leben im KZ Dachau, waren die ehemaligen KZ-Geistlichen, die ich 1979 kennenlernte; sie waren einst „Kameraden“ Pater Engelmars in der Priesterbaracke Block 26. Unter ihnen befanden sich u.a. auch die folgenden Vertrauensleute: Die Priester Richard Schneider, Josef Albinger, Heinz Römer, Hermann Scheipers, Josef Augst, Hermann Dümig, Ernst Schobesberger, Eugen Weiler, die Jesuitenpatres Clemente Pereira und Johannes Maria Lenz und, last not least, Lagerdekan Prälat Georg Schelling. Insgesamt waren es rund 70 deutsche und österreichische (ehemalige) KZ-Geistliche, die ich persönlich kennenlernte; keiner von ihnen, der auch nur ein negatives Wort über ihn gesagt hätte. Alle sagten mir ohne Ausnahme: „Er war ein Heiliger! Da gibt es keinen Zweifel!“ Sie nannten ihn „Den Engel von Dachau“ und den „Maximilian Kolbe der Deutschen“. Für sie alle war klar: Pater Engelmar war ein „Märtyrer der Nächstenliebe“.

Wie informierten Sie sich über das Dritte Reich, wie über die allgemeine Situation im KZ, insbesondere über die damalige Situation in Dachau, vor allem in der Priesterbaracke.

Vorweg dies: Es waren insgesamt rund 15.000 Seiten Literatur, die ich in diesem Zusammenhang lesen musste; von diversen Autoren: Deutschen, Holländern, Österreichern usw. – sowohl über das Dritte Reich als auch über die Konzentrationslager im Allgemeinen; im Besonderen natürlich über das KZ Dachau.

Die meisten dieser Bücher (Fachliteratur) lieh ich mir von der Diözesanbibliothek in Köln aus; dabei war mir Pastor Josef Fögen eine ganz große Hilfe; er hatte damals direkten Zugang zur Bibliothek, und wenn er die von mir gewünschten Leihbücher vor Ort nicht finden konnte, mühte er sich, die anvisierten Titel in anderen Großbibliotheken auszuleihen. Ihm verdankte ich fast alles, wenn es darum ging, rare Titel ausfindig zu machen.

Wie viel haben Sie vom Dritten Reich noch als Jugendlicher mitbekommen, um sich die Gesamtsituation, die damals herrschte, in etwa zu verstehen? Hatten Sie den Namen „Dachau“ schon während der Kriegsjahre gehört? Wussten Sie, was die Erwachsenen damit sagen wollten, wenn sie unter sich wisperten, der oder jener sei nach Dachau gekommen?

Als ich geboren wurde, kam Hitler gerade an die Macht: Anfang März 1933. Also was ich trotz meiner Kindheit und Jugend mitbekam, stammte zunächst von meinen Eltern oder, ab des Besuches der Volksschule, im Frühjahr 1939, von den Lehrern, die im Regelfall gezwungen wurden, sich der Partei (NSDAP) anzuschließen. – Dass mit dem Dritten Reich etwas nicht stimme, begriff ich erstmals im Herbst 1938, als im Nachbardorf Bütthard die Synagogen angezündet, Fenster eingeworfen und Federbetten auf dem Marktplatz aufgeschlitzt wurden. Als ich Mama fragte, wer das gemacht habe, sagte sie nur „böse Menschen“, die die Juden nicht mögen“, und ich fragte zurück: Wer sind die Juden? – Da kam Papa dazu und flüsterte etwas, daraufhin bat mich Mama, draußen auf der Gasse nichts davon zu sagen… – Sie hatten beide schreckliche Ängste – warum Mama weinte, als Papa noch ein paar jüdische Namen erwähnte, konnte ich damals nicht verstehen.

Erst nach dem Krieg erfuhr ich, dass Papa schon in den dreißiger Jahren zusammen mit zwei oder drei anderen Männern aus unserem Dorf auf der Würzburger Festung festgehalten wurde, weil sie sich weigerten, der Hitler-Partei beizutreten. Jetzt erfuhr ich auch, dass Papa in den Nachbardörfern viele jüdische Händler kannte, und wohl daher auch ein paar Brocken Jiddisch sprach sowie die jüdischen Zahlen. 1959, als ich in Bulawayo, Simbabwe, eintraf, lernte ich mehrere Juden aus Bütthard, Allersheim und Giebelstadt kennen, die noch rechtzeitig das Dritte Reich verlassen hatten. Sie konnten sich an meinen Vater erinnern.

Das Wort Dachau hörte ich mehrmals während des 2. Weltkriegs, obschon die Erwachsenen bei uns im Haus es bewusst vermieden, darüber zu reden, wenn wir Kinder anwesend waren; und doch bekamen wir mit, dass man in unserer Gegenwart in solchen Situationen nur noch wisperte. Einmal hörte ich auch, dass man aus Dachau einen Sarg anlieferte, den zu öffnen streng verboten war. Man tat es dennoch – und fand einen Sack mit Sand… Das begriff ich damals überhaupt nicht; erst nach meinen Recherchen zum Engelmar-Buch begann ich zu begreifen.

Was mir ebenfalls erst Jahre, Jahrzehnte später „dämmerte“, war Folgendes: Die ersten amerikanischen Panzer hatten am Ostersonntag 1945 Gaurettersheim erreicht; zwei Tage davor, am Karfreitag, hatten wir sie schon in Bütthard und Allersheim einfahren sehen; warum das? fragten sich die Erwachsenen? Warum stoppten sie zwei Tage lang? Das konnte ich mir lange nicht erklären. Obschon ich damals auch schon zwölf Jahre alt war. Erst als ich mich an eine kleine Episode erinnerte, ging mir ein Licht auf: Damals, als ein Jeep vor unserem Hoftor anhielt, rannte ein Ami, wie wir bald alle Amerikaner nannten, in unsere Küche und sagte auf Deutsch: „Mudder, habt ihr net a poor frische Är für mich?“ Mama ging in die Vorratskammer und kam mit einem halben Napf Eier zurück. Statt Geld gab er ihr Schokolade, Kakao und Milchpulver. Als Mama sich über sein gutes Deutsch (fränkisch gefärbt)) wunderte, sagte er: Mudder, i komm aus Förth; dort bin ich geboren, aber meine Eltern sind 38 nach Amerika ausgewandert…“

Viele Jahre später erinnerte ich mich: Auch Henry Kissinger stammte aus Fürth, war mit seiner Familie noch vor dem Krieg ausgewandert und kehrte als amerikanischer Soldat zurück. Noch später wurde er Außenminister unter Nixon!

Und in unserem Nachbardorf Allersheim gab es schon vor 200 und mehr Jahren einen jüdischen Friedhof für den Großraum zwischen Tauberbischofsheim und Würzburg, Giebelstadt und Kitzingen. Vielleicht hatte das Zögern der amerikanischen Armee, damals, 1945, zwischen Karfreitag und Ostersonntag, doch etwas mit dem Glauben einiger jüdischer Soldaten bzw. ihrer Ahnen zu tun?

Gab es im Laufe der Erstellung der Biografie irgendwelche Probleme – oder auch später, als man die Seligsprechung anpeilte?

Ja, da tauchten immer wieder Probleme auf. Zum Beispiel, als ich das erste Mal nach Greifendorf fahren wollte. Wie sollte ich das anstellen, ohne mit dem damals, Ende der 1970er Jahre, noch kommunistischen Regime in der Tschechoslowakei in Konflikt zu kommen!? Es bestand zu dieser Zeit noch der Erlass, weder Journalisten noch Theologen einreisen zu lassen. – Was tat ich? Ich bat einen guten Bekannten, mich von Österreich aus nach Greifendorf zu bringen – und am selben Abend wieder nach Österreich zurück zu kehren. Tages-Visa gab es, von früh 6.OO bis abends 8.00 Uhr. – Beim Ausfüllen der Papiere beim Grenzübergang (nördlich von Wien) schrieb ich in die Sparte Beruf: Office Manager / Büro-Leiter; mehr nicht, das stimmte ja auch, ich war seit Jahrzehnten Leiter meines Büros. Der Grenzbeamte hinterfragte nichts und setzte seinen Stempel drauf.

In Greifendorf fuhren wir erst zur Kirche; ich fotografierte alles, was mir wichtig schien: Den Taufbrunnen, die Kanzel, den Altarraum usw., natürlich mehrmals die Kirche von außen, ein paar Bildstöcke, das alte Schulhaus usw. Dann machte ich mich auf Suche nach Pater Engelmars Eltern- und Geburtshaus. Ohne ein Wort Tschechisch zu sprechen, ging ich alle älteren Leute an, vor allem Frauen, und siehe da, beim zweiten oder dritten Versuch klappte es: Die ältere Dame sprach Deutsch; sie wusste sofort, was ich suchte, brachte uns zum hölzernen Lattenzaun am Vorgarten: „Dort haben die Unzeitigs gewohnt“, sagte sie; „Jetzt wohnen da Tschechen; Kommunisten!“ – Wie sich herausstellte, war die alte Frau eine Schulkameradin von Sr. Huberta gewesen, Pater Engelmars Schwester. –

Erst ließ man mich nicht ins Unzeitig-Haus; die Frau, die mir die Tür aufmachte, war unsicher; sie verstand wohl nicht ganz, warum ich daran so interessiert war. Sie rief ihren Mann; der verstand ein wenig Deutsch, musterte mich von oben bis unten, und nickte dann zustimmend: Ja, ich dürfe mich kurz auch im Innern umgucken. Und auch fotografieren. Als ich mich verabschiedete, waren die jetzigen Bewohner des Unzeitig-Hauses ganz freundlich.

Am Spätnachmittag befanden wir uns wieder auf der Rückfahrt, zunächst kilometerlange Walnuss-Alleen entlang, mit einem Abstecher nach Brünn (Brno),aber dann so schnell es ging Richtung Grenze. Dort ging alles problemlos. Und doch fiel mir ein Stein vom Herzen: Hätte man rechtzeitig herausgefunden, warum ich halbheimlich für ein paar Stunden im Land war, wäre ich vermutlich direkt verhaftet worden. Wie erwähnt, damals bekamen weder deutsche Theologen noch deutsche Journalisten eine Einreise-Erlaubnis.

Warum dauerte es so viele Jahre, bis Pater Engelmar seliggesprochen wurde?

Das hat mehrere Gründe. Als ich um 1979 erstmals ein Treffen von ehemaligen KZ-Priestern besuchte, fragten mich praktische alle die gleiche Frage: Warum hat man ihn noch nicht heiliggesprochen? Wenn einer von unseren im KZ Verstorbenen, dann hätte ER es längst verdient.

Damals hatte man den Seligsprechungs-Prozess noch nicht einmal begonnen. Für einige unserer Patres war das kein Thema; sie konnten sich den jungen Pater, den sie noch persönlich gekannt haben, einfach nicht als Seligen oder Heiligen vorstellen: „Dieses schüchterne, stille Paterlein! Was soll der schon Großes geleistet haben!?“

Ich habe dennoch auf drei Generalkapiteln (1979 und 1985 in Rom und 1990 in Kanada einen diesbezüglichen Antrag gestellt; die ersten beiden wurden mehrheitlich abgelehnt, erst beim dritten Anlauf hatte ich Erfolg. So kam es dann 1991 offiziell zur diözesanen Seligsprechungs-Kommission unter Bischof Paul-Werner Scheele, Würzburg.

Ein paar Jahre später, noch vor der Jahrtausendwende, wurden die Akten der Kurie übergeben. Später wurden auch zwei Wunder gemeldet, die auf Fürsprache Pater Engelmars geschehen sein sollen, aber dann von der offiziellen römischen Kommission, die solche Wunder überprüfen soll, abgelehnt.

Jetzt erinnerte man sich an einen früheren Vorschlag: In den offiziellen Dokumenten Pater Engelmar nicht als Bekenner, wie bisher, sondern als „Märtyrer der Nächstenliebe“ vorzustellen. – Das wurde denn auch unter Bischof Friedhelm Hofmann und Dr. Stefan Rambacher vom Ordinariat Würzburg durchgeführt. Ich lieferte dazu zwei wichtige Papiere, ein Memo mit den Aussagen von Augenzeugen (alle ehemalige KZ-Dachau-Priester) und einem weiteren Memo mit meinen Antworten zu einem sehr gezielten diesbezüglichen Fragebogen der Kurie.

Und siehe da, jetzt schien die Sache ins Rollen zu kommen; im Januar 2016 verkündete Papst Franziskus, Pater Engelmar sei als Märtyrer gestorben – und somit ein Vorbild für die Christenheit. 

Akten von Pater Engelmar auf den Weg nach Rom

Der Würzburger Bischof Dr. Friedhelm Hofmann hat am Freitag, 25. Mai 2012, im Beisein von Mariannhiller-Provinzial Pater Dr. Hubert Wendl und dem diözesanen Postulator Pater Wolfgang Zürrlein das diözesane Zusatzverfahren zur Prüfung des Martyriums von Pater Engelmar Unzeitig von den Mariannhiller Missionaren abgeschlossen. Der römische Anwalt Dr. Andrea Ambrosi wird die Dokumente der römischen Selig- und Heiligsprechungskongregation übergeben, welche die gesamte Causa Pater Engelmar prüft und beurteilt. Die Kongregation und schließlich der Papst entscheiden dann, ob der 1945 im Konzentrationslager Dachau ums Leben gekommene Ordensmann bald zu den Seligen der Kirche gehört.

Bei einer Sitzung stellten der Offizial Domkapitular Dr. Stefan Rambacher, der Bischöflicher Delegat für das Verfahren, Vikar Thomas Drexler als Promotor iustitiae sowie der als Notar beauftragte Diözesanrichter Klaus Schmalzl die Vollständigkeit und Echtheit der Akten fest. Anschließend wurden die Unterlagen versiegelt und in zweifacher Ausfertigung dem römischen Postulator Ambrosi übergeben. Bischof Hofmann dankte allen, die mit Fleiß und großer Umsicht in ihrer jeweiligen Aufgabe dazu beigetragen hätten, dass das zusätzliche Verfahren in so kurzer Zeit abschlossen werden konnte.

Der Bischof hatte das Zusatzverfahren über das Martyrium Pater Engelmars am 15. September 2011 eröffnet. Das Hauptverfahren für Pater Engelmar wurde durch Bischof Dr. Paul-Werner Scheele am 26. Juli 1991 eröffnet. Im Jahr 2009 verlieh Papst Benedikt XVI. Pater Engelmar den heroischen Tugendgrad und erklärte ihn zum verehrungswürdigen Diener Gottes. Sollte die Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen Pater Engelmar als Märtyrer anerkennen, sei mit einem Abschluss des Verfahrens in wenigen Jahren zu rechnen, sagte Bischof Hofmann.

Pater Engelmar Unzeitig wurde 1911 in Greifendorf in Ostmähren geboren. 1928 trat er in Reimlingen bei den Missionaren von Mariannhill ein. In Würzburg studierte er Philosophie und Theologie und empfing 1939 die Priesterweihe. Danach wirkte er als Pfarrer im Böhmerwald. Weil er gegen die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten protestierte, wurde er 1941 von der Gestapo verhaftet und in KZ-Dachau gebracht. Freiwillig meldete er sich dort 1944 zur Pflege von Flecktyphus-Kranken. Hunderten von Todkranken spendete er die Sakramente. Mitgefangene rettete er vor dem Hungertod, indem er ihnen von seiner Essensration gab. Mithäftlinge bezeichneten ihn als „Engel von Dachau“. Pater Engelmar starb am 2. März 1945 an Flecktyphus. Seine Asche wurde aus dem Konzentrationslager geschmuggelt und auf dem Würzburger Hauptfriedhof beigesetzt. Seit 1968 ist die Urne in einer Seitenkapelle der Mariannhiller Herz-Jesu-Kirche in Würzburg bestattet.

Was viele interessieren wird – Fragen zur Seligsprechung von Pater Engelmar Unzeitig

beantwortet von Pater Adalbert Ludwig Balling

(1) Stimmt es, dass einer der deutschen KZ-Priester, nämlich Pfarrer Richard Schneider aus dem Norden des Erzbistums Freiburg (noch in fränkisch Baden) den KAPO (Boss) des Dachauer Krematoriums gewissermaßen bestochen hat, um die Leiche des inzwischen verstorbenen Mariannhiller Paters einzeln zu verbrennen und dessen Asche ihm einzeln und ganz persönlich zu überreichen?

Ja, Pfarrer Richard Schneider war mit Pater Engelmar befreundet; er hielt ihn für einen sehr frommen und eifrigen Mithäftling, einen „lebenden Heiligen“. Den Kapo des Krematoriums kannte Schneider persönlich; er stammte entweder aus seiner früheren Pfarrei – oder Schneider kannte ihn anderweitig. Auf jeden Fall bestätigten mir (und auch anderen Mariannhiller Missionaren) mehrere ehemalige KZ-Priester „den Fall Unzeitig“ wie geschildert. Weitere Details gehen auch aus der folgenden Aussage des Leo Pfanzer hervor .

(2) Wer transportierte Pater Engelmars Asche heimlich vom KZ Dachau bis zu den Missionaren von Mariannhill in Würzburg? War das nicht, weil noch während des Dritten Reiches, äußerst gefährlich? Sollte man den Betreffenden nicht im Nachhinein dafür ehren?

Es war Leo Pfanzer aus Höchberg bei Würzburg, damals Chef des Baywa-Lagerhauses in Dachau-Stadt (nicht im KZ); er war ausnahmsweise berechtigt, das Areal der „Plantage“ (großflächige Gartenanlage innerhalb des KZ’s) zu besuchen, zwecks Samenaustausch, Gartengeräten und dergleichen mehr. Meistens trug er bei dieser Gelegenheit das Parteiabzeichen ganz bewusst, um auf diese Weise sich zu schützen – vor den SS-Leuten und manchen heimtückischen Kapos. In Wirklichkeit war er, wie er mir persönlich erzählte, auf Anhieb willens, diesen und ähnliche übergefährliche „Liebesdienste“ zu erfüllen. Pfanzer stammte aus dem katholischen Unterfranken – und wusste sehr genau, um was man ihn gebeten hatte. Ich traf Leo Pfanzer nach dem Krieg und längst im Ruhestand; es war in den 1970er Jahren, in Plattling, zwischen Regensburg und Passau. Als er starb, wünschte er im nahegelegenen Marien-Wallfahrtskirchlein, hoch über der Donau, begraben zu werden. Es war damals in Dachau, während des Dritten Reiches, für Leo Pfanzer ein äußerst lebensgefährliches Risiko, bis zum Ende des Nazi-Regimes, was er im KZ Dachau heimlich unternommen hatte zu Gunsten der Häftlinge, aber er stand dazu. Es war seine eigene Überzeugung. Auch musste er sich nicht erst den Weg zu den Mariannhillern in Würzburg extra weisen lassen; Würzburg war gleichsam Pfanzers Heimatstadt. Er stammte ja aus dem benachbarten Höchberg!

(3) Wer hat die Aussagen Pfanzers von Seiten der Augenzeugen aus dem KZ überprüft?

Praktisch alle ehemaligen Häftlinge des Priesterblocks kannten Leo Pfanzer. Sie hatten mehrheitlich schon alles, hinter vorgehaltener Hand noch im KZ erfahren. – Mit Sicherheit wären alle drei, Schneider, Pfanzer und der betreffende Kapo, hätten SS-Leute es erfahren, sofort hingerichtet worden.

(4) Wer nahm in Würzburg 1945 die Asche Pater Engelmars entgegen? Es war noch während des Dritten Reiches; wie konnte man den Transfer der Asche geheim halten?

Das war der damalige Rektor des Piusseminars in Würzburg, nämlich Pater Willehad Krause CMM. Er ist übrigens sechs Jahre vorher, im August 1939, auch Primiz-Prediger bei Pater Engelmar in seinem Geburtsort Greifendorf im Schönhengstgau gewesen, also im ehemaligen Mähren, heute Teil von Tschechien. Die Asche des im KZ Verstorbenen wurde von Pfarrer Schneider in ein kleines Säckchen genäht, worauf er mit Tusche schrieb: Vera cinera (korrekt wäre gewesen: ,,Veri cineres! Anm. des Verf.) beati in Domino defuncti P. Unzeitig“ (Name des im Herrn verstorbenen Paters Unzeitig) – Dann wurde das Asche-Säckchen Herrn Pfanzer anvertraut und, wie erwähnt, aus dem Lager herausgeschmuggelt.

(5) Warum versuchte Pfarrer Schneider, ausgerechnet Pater Engelmars Leiche separat verbrennen zu lassen – angesichts des riesigen „Leichenberges“, den es täglich, frühmorgens, vor allem gegen Ende des Krieges, in Dachau zu sehen gab? Was verband ihn mit Unzeitig?

Richard Schneider war Seelsorger – auch im KZ. Und er bewunderte den Eifer des Mariannhiller Paters. Sie wohnten nicht nur beide in der Priesterbaracke, sondern arbeiteten zeitweise auch zusammen. Schneider schrieb später, nach dem Krieg: Es sei ein Wagnis auf Leben und Tod gewesen, was er und weitere Beteiligte getan hätten. Dennoch, es sei nach dem Bekanntwerden von Engelmars Tod sein „einziger Gedanke gewesen, wie es möglich wäre, seine sterblichen Überreste zu erhalten, die sonst nach dem Verbrennen im Krematorium in ein Aschengrab mit vielen anderen gekommen wären.“ Schneider, so wissen wir heute, stammte aus Hundheim bei Tauberbischofsheim, im Erzbistum Freiburg, das früher einmal zum fränkischen Teil Nordbadens gehörte und weithin von Würzburg beeinflusst worden war. Schneider wörtlich: ,,Ich sah in Pater Engelmar, wie alle meine Mitbrüder, einen Heiligen. Weil ich ihn so schätzte, habe ich mich damals bemüht, seine Asche zu bekommen.“

(6) Wer war anwesend, als Pater Engelmars Asche im Grab der Mariannhiller auf dem Würzburger Zentralfriedhof beigesetzt wurde?

Es war Pater Willehad Krause, der von Herrn Pfanzer das Säckchen mit Asche entgegengenommen hatte. Wahrscheinlich hatte er seinen Stellvertreter oder einen anderen Pater noch eingeweiht. Der Sicherheit wegen – die Nazis waren ja noch an der Regierung! – wurde die Mehrzahl der Kleriker im Piusseminar vom Rektor des Hauses damals nicht informiert. – Der Tag, an dem die Asche in Würzburg heimlich, aber wahrscheinlich in Absprache mit dem Friedhofwärter, beigesetzt wurde, fiel auf den Karfreitag 1945. Zu dieser Zeit standen amerikanische Voraus-Truppen bereits im Westen des Ochsenfurter Gaus; nur wenige Tage später wurde auch Würzburg-Stadt eingenommen.

(7) Seit Jahren liest und hört man immer wieder von Glöckelberg gerade im Zusammenhang mit Pater Engelmar. Ich konnte es auf keiner Landkarte finden. Was hat es mit dieser Ortsbezeichnung zu tun?

Sie haben Recht; es ist fast nirgends (mehr) zu finden, außer auf Vorkriegskarten: Glöckelberg war ein Grenzdorf im Böhmerwald; dort war Pater Engelmar kurzzeitig Pfarrverweser – nach der Übernahme der deutsch-sprechenden Gebiete Tschechiens durch Hitlers Einmarsch (1938). Von Glöckelberg aus wurde er inhaftiert. Erst sechs Wochen U-Haft in Linz/Donau, dann vier Jahre KZ Dachau. – Nach dem 2. Weltkrieg wurde Glöckelberg Sperrgebiet, d.h. militärische Zone: Die Leute (Deutsch Sprechende) wurden vertrieben, das Dorf wurde geschleift, also buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht und der Friedhof geschändet. Nur die Kirche blieb stehen; man nützte sie

zeitweise als Munitionslager. Nach der „Prager Wende“ (1989) haben vor allem ehemalige „Glöckelberger“ aus Bayern und Österreich (Ackermann-Gemeinde!) die Restauration von Kirche und Friedhof betrieben. Das Gotteshaus wird inzwischen auch als Friedens- und Versöhnungskirche in der Dreiländerecke (Tschechien, Österreich, Deutschland) benutzt. Eines der neuen bunten Glasfenster im Kirchenchor zeigt Pater Engelmar als „Nothelfer“ der Häftlinge in Dachau.

(8) War Pater Engelmar ein echter Deutscher – oder doch eher Österreicher bzw. Tscheche?

Nie sah Pater Engelmar sich selber anders denn als Deutschen. Er war zwar im alten k.& k. Österreich-Ungarn geboren worden, aber die Menschen in Böhmen und Mähren sahen sich nie anders: Ihre Vorfahren stammten aus dem bayerischen Franken, vor Jahrhunderten von dort herbeigerufen von Königen und Fürstbischöfen. Sie rodeten, siedelten und trieben Ackerbau und Viehzucht – im Auftrag und unter der Schirmherrschaft der Mächtigen. Dass sie Deutsch sprachen und heimische Sitten und Bräuche beachteten, war selbstverständlich.

Von Pater Engelmar wissen wir: Er klopfte als Spätberufener bei den Mariannhiller Missionaren in Reimlingen, Diözese Augsburg, an. Vorher jedoch ging er als Knecht zu einem tschechischen Bauern, um dessen Sprache zu lernen. Denn nach dem 1. Weltkrieg war dieser Teil Österreich-Ungarns selbständig geworden unter den Namen Tschechien und Slowakei. – So wurden alle Deutsch Sprechenden in den Sudeten, in Böhmen und Mähren automatisch politisch zu Tschechen. – Also nochmal: Pater Engelmar fühlte sich nie als Tscheche; allenfalls als geborener Österreicher, aber im Herzen war und blieb er ein Deutscher. Und in Dachau, im Lager, fühlte er sich für alle zuständig, für alle, die in Not waren, die Hunger hatten, die krank waren. Da kannte er weder Sprach- noch sonstige Grenzen. Er war, wenngleich selber Häftling, Seel-Sorger für alle.

(9) Irgendwo las oder hörte ich, Pater Engelmar sei in Wirklichkeit anfangs ganz auf Hitlers Seite gewesen; erst viel später sei er eines anderer belehrt worden?

Stimmt! Man kann fast pauschal sagen, die ganz große Mehrzahl der in Tschechien lebenden Deutschen vor dem 2. Weltkrieg sah in Hitler, der 1933 an die Macht gekommen war, einen Befreier; Befreier vom tschechischen Joch. So – nur so – ist es zu erklären, dass der jugendliche Hubert (Taufname) Unzeitig sich für den Führer begeistern ließ – und lange brauchte, bis er zu begreifen begann, was Hitler (nach seiner Machtergreifung) wirklich vorhatte. In den dreißiger Jahren kam es darüber öfters zu Uneinigkeiten mit seinen Mitstudenten. Umso verwunderter war er später, als Seelsorger in Glöckelberg, als man ihm von Seiten der dortigen Nazis vorwarf, gegen Hitler und das Dritte Reich zu agieren.

(10) Was war der eigentliche Grund seiner Verhaftung? Was warf man ihm vor? Warum wurde er in U-Haft genommen? Warum wurde er, wie er anfangs vermutete, nicht vorzeitig wieder entlassen?

Nein, es war keine Verwechslung, wie Pater Engelmar anfangs selber meinte. Es waren lokale Nazis, die sich wichtig machen wollten, um dafür gelobt und geehrt zu werden – die ihn anklagten: Er halte alle Menschen, auch Juden und Zigeuner, für gleichwertig, und für ihn gebe es nur einen König und obersten Herrn, nämlich Jesus Christus. Einer seiner Ministranten, den er gemaßregelt hatte, hatte sich zu Hause bei seinem Vater, einem eingefleischten Parteigänger, beschwert; der scheint daraus eine politische Anklage formuliert zu haben, die darin gipfelte, Pater Engelmar missachte Hitlers Führerschaft, respektiere aber alle Menschen, auch Juden und Zigeuner, als gleichberechtigt.

(11) Wie realistisch waren Pater Engelmars Träume, selber einmal als Missionar nach Russland zu gehen?

Sicher nicht tages-aktuell! Aber auch in seiner Gemeinschaft wurde darüber nicht direkt diskutiert; man war noch zu sehr mit dem südlichen Afrika beschäftigt, wo ja auch das Mutterhaus Mariannhill steht. Aber die Diskussion „Richtung Russland“ war auf anderen kirchlichen Ebenen längst angebrochen. – Im KZ Dachau hatte Pater Engelmar zusammen mit ein paar anderen Priesterhäftlingen bereits begonnen, ukrainische und russische Häftlinge mit dem katholischen Katechismus bekannt zu machen. Dazu hatten sie drei oder vier Büchlein in russischer Sprache vorbereitet. Pfarrer Hermann Dümig, ein KZ-Überlebender aus dem Bistum Würzburg, gehörte zu diesem Team. Natürlich musste alles streng geheim gehandhabt werden, verborgen vor der SS und einigen fanatischer Kapos.

(12) Was weiß man um Pater Engelmars Familie? Haben seine Eltern die Vertreibung/Flucht nach dem 2 . Weltkrieg überlebt? Wie stand es um seine Geschwister?

Vater Johann Unzeitig war Landwirt von Beruf; er ist im Januar 1916 in einem russischen Gefangenenlager an der Wolga gestorben – an Typhus! Die Mutter, Cäcilia-Maria, geb. Kohl, starb im Frühjahr 1943 in Greifendorf (während ihr Sohn schon zwei Jahre im KZ verbrachte). – Pater Engelmar hatte vier Schwestern: Alle vier mussten nach dem Krieg ihre Heimat verlassen; sie siedelten sich in der Nähe von Stuttgart neu an. Eine von ihnen (Schwester Adelhilde) wurde schon vor dem Krieg Mitglied der Mariannhiller Missionsschwestern (CPS) in Wernberg, eine weitere, Marie, die ihm in Glöckelberg kurzfristig den Haushalt geführt hatte, trat in Neuenbeken,

Paderborn, nach dem Krieg derselben Gemeinschaft bei und nannte sich fortan Schwester Huberta. Sie, Schwester Huberta, war eine ganz wichtige Person, als es darum ging, rückblickend das Leben ihres Bruders Pater Engelmar zu erkunden und zu beschreiben.

(13) Wer waren Ihre Augenzeugen – das KZ Dachau betreffend? Überhaupt, woher haben Sie die zahlreichen Infos, die Sie in Ihrer großen Biographie „Eine Spur der Liebe hinterlassen“ verwendet haben? Wieweit sind Ihre „Fakten“ nachprüfbar?

Das Buch ist kein Roman, sondern eine Biografie. Vieles über das KZ habe ich von ehemaligen Häftlingen erfahren; persönlich, mündlich, schriftlich, aber auch über Bücher und Magazinartikeln von ehemaligen Dachau-Häftlingen. Ferner informierte ich mich über rund 15.000 Seiten KZ-Literatur. Intensiv recherchierte ich etwa fünf Jahre lang, traf die engsten Verwandten Pater Engelmars, ungefähr 70 Priester, die das Dachauer KZ überlebt haben und schaute mich auch in anderen bekannten Konzentrationslagern um wie zum Beispiel in den Gedenkstätten von Mauthausen, Auschwitz und Flossenbürg; natürlich auch in Berlin-Plötzensee. – Ganz wichtige Augenzeugen waren die „Priesterkameraden“ von der Baracke 26, unter ihnen die Geistlichen: Richard Schneider, Josef Albinger, Emil Kiesel, Heinz Römer, Clemente Pereira, Johannes Maria Lenz, Hermann Scheipers und Hermann Dümig. Auf sie wird im Laufe der Biografie immer wieder verwiesen.

(14) Welchen Einfluss hatte Pater Ludwig Maria Tremel auf den jungen Hubert Unzeitig während der Gymnasialstudien sowie während der restlichen Vorbereitungszeit auf den späteren Ordens- und Missionsberuf?

Pater Tremel war Provinzial, zeitweise auch Schulrektor in Reimlingen und Rektor des Piusseminars, eine der wichtigsten und einflussreichsten Persönlichkeiten unter den Missionaren von Mariannhill; er kannte Südafrika und wurde allenthalben geschätzt und respektiert. Sein Einfluss auf den jungen Hubert war groß; er schätzte vor allem die Geradlinigkeit und tiefe Frömmigkeit des Paters – und seine Verehrung der Gottesmutter Maria. Das Käppele, die Marienwallfahrtskirche auf dem Nikolausberg, im Würzburger Stadtbild dem Piusseminar der Mariannhiller auf dem Mönchberg gegenüber, wurde von ihm regelmäßig besucht. Soweit man dies aus seinen wenigen persönlichen Notizen ersehen kann, war Pater Ludwig der Pater, der den heranwachsenden Pater Engelmar am tiefsten und nachhaltigsten beeinflusst hat. Später, im KZ, war es möglicherweise der Pallottinerpater Kentenich (der zeitweise auf Block 26 stationiert war, teilweise aber auch in Einzelhaft), der geistliche Vorträge hielt und dessen Diktion mitunter in Pater Engelmars Briefen wiederzufinden ist.

(15) Wenn man von den beiden Priesterbaracken im KZ Dachau spricht, sind mehrheitlich katholische Priester und Ordensleute gemeint. Wo waren die evangelischen Pastöre? Wo die Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften?

Von den rund 3000 Priestern in Dachau waren zirka 90 Prozent katholische Geistliche; davon wieder mehrheitlich polnische, die in Block 28 untergebracht waren. (Gegen Ende des Krieges kam eine dritte Priesterbaracke hinzu, vor allem für Priester aus dem Osten.) Evangelische deutschsprachige Häftlinge befanden sich auch in der Baracke 26; zwischen den beiden Konfessionen gab es keine größeren Probleme. – Der Grund, warum vergleichsweise wenige evangelische Pastöre inhaftiert waren ist vielleicht so zu erklären: Insgesamt war die deutsche Bevölkerung der vorwiegend evangelischen Regionen dem Dritten Reich enger verbunden als die überwiegend katholischen. Die einheitliche Rückbindung nach Rom war hier spürbar. Evangelische Geistlich fühlten sich unabhängiger, auch in ihren politischen Entscheidungen. Vor allem aber waren die evangelischen Pastöre weithin verheiratet, mussten sich also auch um ihre Familien kümmern und bei ihren Entscheidungen auch deren Zukunft mit-berücksichtigen.

(16) In der Priesterbaracke in Dachau soll es auch ein Kapelle gegeben haben; konnten die Priester dort auch die hl. Messe feiern? Auch Pater Engelmar?

Jein! Erlaubt, Messe zu feiern, war es seit Anfang Januar 1941, einmal täglich und zwar dem Lagerkaplan/Dekan Georg Schelling, ein Vorarlberger; Konzelebration gab es damals noch nicht. Außer den Priestern von Block 26 durfte niemand teilnehmen. Einige Jahre später wurde diese Regel weniger eng eingehalten. Tagsüber musste einer sogar als Wachposten am Blocktor stehen. Schelling, so erfuhr ich von ihm selber, machte hin und wieder ein Auge zu und ließ auch andere Häftlinge zelebrieren. Von Pater Engelmar wissen wir selber, dass er nach dem Tod seiner Mutter (im März 1943) wohl erstmals in der Baracke die Messe feiern durfte. – Die Kapelle war von den Häftlingen selber „ausstaffiert“ worden: Altar, Tabernakel, Kreuz, Kelche usw. wurden selbst angefertigt bzw. vom Pfarrer von Dachau-Stadt erbeten; eine Madonna kam von außen; auch Hostien und Mess-Wein wurden halb-heimlich über die Pfarrei geliefert. – Die Chance, die Messe feiern zu können, war auf eine drängende Bitte von Papst Pius XII hin genehmigt worden. Später, gegen Ende der Haft, hatte man eine Zeitlang die katholischen Priester täglich zum Weintrinken gezwungen; ein SS-Mann gab den Befehl: Pfaffen sauft! und diese mussten einen Liter hinunterschütten, ehe sie den leeren Becher umdrehen durften. Eine üble Verspottung sakraler Riten!

(17) Gelegentlich liest man, in den KZs sei hart gearbeitet worden; in Plantagen und Werkstätten, aber auch im Auftrag der Kriegsrüstung. Wie weit stimmt das auch für das KZ in Dachau?

Ja, auch in Dachau musste sklavisch hart gearbeitet werden. Zwar gab es gewisse Zeiten, als die Priester davon ausgenommen waren; aber stattdessen mussten sie andere Schwerarbeiten übernehmen, z.B. volle Esskübel zu den Baracken schleppen oder Schnee schaufeln – teilweise ohne Schaufeln, ohne Besen, sondern mit den bloßen Tischplatten wegschieben. Aber das blieb nicht lange so. Dann wurden auch die Priester auf andere Arbeiten verteilt, Pater Engelmar z. B. musste sich in der Plantage zu Grunde schuften, bei jedem Wetter, auch bei Eis und Schnee, Wolkenbruch, Hagel und anderem Unwetter. – Ferner arbeitete Pater Engelmar für lange Zeit in einer Messerschmitt-Fabrik, in diesem Fall zusammen mit Prälat Albinger. Hier kam er auch in Kontakt mit russischen Häftlingen; hier gab er heimlich Katechismus-Unterricht; hier besserte er sein Russisch auf. Hier, so hat mir Albinger wieder und wieder berichtet, arbeiteten sie an Hitlers Geheim-Waffe V2. Hier soll auch bewusste Sabotage getrieben worden sein, indem einige Häftlinge es wagten, bei der Fabrikation komplizierter Waffenteile absichtlich Fehler einzubauen, etwa bei der millimetergenauen Einstellung von Schrauben und ähnlichen Einzelteilen.

(18) Stimmt es, dass Pater Engelmar zeitweise einem hohen SS-Offizier in Dachau als „Stubenknecht“ dienen musste?

Ja, so war es – zeitlich wahrscheinlich ehe Pater Engelmar zur Arbeit in der Messerschmitt-Fabrik tätig werden musste. Von Seiten der ehemaligen Priesterkameraden, die das KZ überlebt und die zu treffen ich 1979 auf einem Ehemaligen-Treffen in Freiburg die Chance hatte, erfuhr ich diesbezüglich keine klare Auskunft. Es muss etwas Geheimnisvolles um diese Arbeit im Büro des SS-Offiziers gewesen sein. Pater Engelmar fühlte sich verpflichtet, über seine Arbeit zu schweigen; es war ein Vertrauensposten – und die Mithäftlinge vermuteten im Laufe der Wochen und Monate sogar eine gewisse gewachsene innere Abhängigkeit des Offiziers von Engelmar. Er, der Offizier, schien eine Art Bekehrung mitzumachen, beeinflusst und gestützt vom edlen Verhalten des nach innen gekehrten Paters. Wie weit diese „geistige Freundschaft“ gediehen ist, wissen wir nicht, nur dass diese ganz abrupt durch die Oberleitung der SS gestoppt wurde. Albinger, Römer, Schneider und andere KZ-Überlebende meinten auf meine Frage hin, es müsse eine tiefgründende, schier übernatürliche Freundschaft gewesen sein, die den Offizier in seiner Weltanschauung ins Wanken und auf eine total neue Lebensausrichtung gebracht haben muss. Sehr viel mehr lässt sich dazu nicht sagen. Es bleibt weiterhin und weithin ein Mysterium.

*

(19) Worin beseht eigentlich der große Unterschied zwischen Selig- und Heiligsprechung?

So groß ist der Unterschied nicht. Es sind zwei Stufen, um kirchlicherseits zu erklären, dass eine verstorbene Person, Mann oder Frau, ein vorbildliches Leben geführt hat, jedenfalls gegen Ende seines Lebens. Um dies festzustellen, brauchte es in früheren Jahrhunderten nur die Akklamation des gläubigen Volkes. Da genügten im Normalfall die Erhebung der Gebeine und der Beifall, das heißt, die Zustimmung der Gläubigen. Seit etwa dem Beginn des 2. Jahrtausends räumt man Rom, also der römischen Kurie (dem Papst) das Recht ein, Selige und Heilige zu ernennen. Johannes Paul II. hat verordnet, dass die „Überprüfung der Heiligkeit“ zunächst dem betreffenden Ordinariat überlassen wird, wo der/die Betreffende(n) gestorben sind, um deren „Selig/Heiligkeit“ es geht. Wir sprechen in diesem Stadium von einer Diözesanen Kommission zur Vorbereitung der Seligsprechung. Erst dann, wenn auf Bistumsebene diesbezüglich alles erforscht und notiert wurde, werden die gesammelten Informationen nach Rom weitergeleitet zur weiteren Prüfung. Dann beginnt dort die zweite Stufe; zum Beispiel wird sehr kritisch überprüft, ob eventuell ein Wunder vorliegt, das mit natürlichen Mitteln nicht erklärt werden kann. Bei Märtyrern werden keine Wunder vorausverlangt; ihr Martyrium gilt umso mehr.

Der eigentliche Unterschied zwischen Selig- und Heiligsprechung liegt im Folgenden: Erst wird jemand selig- und dann, eventuell auch heiliggesprochen. Selige werden einer Gemeinschaft, einem Orden, einer Bevölkerungsgruppe, einer bestimmten Region, einem Land usw. als Vorbilder zur Seite gestellt; Heilige hingegen meistens dem gesamten katholischen Volk. Heilige, so könnte man sagen, gelten global, universell, weltweit als Vorbilder. Der gesamten Christenheit – oder auch der gesamten Weltbevölkerung; kein Nichtchrist wird genötigt, sie als Vorbilder zu sehen, es wird aber auch niemand gezwungen, dies nicht zu tun.

Vor 60 Jahren am 2. März 1945 starb Pater Engelmar Unzeitig im Konzentrationslager Dachau Für viele Menschen ist der Missionar von Mariannhill mittlerweile Zuflucht in jeder Not geworden

Text: Pater Andreas Rohring CMM

Vor sechzig Jahren starb im Konzentrationslager Dachau Pater Engelmar Unzeitig. Als Häftling Nr. 26 147 lebte er im Priesterblock fast vier Jahre bis zu seinem Tod in den Typhus-Baracken des Lagers. Es war ein Leben in der Hölle auf Erden, und dennoch lebte Pater Engelmar hier in Liebe. In seiner Sorge für die Mithäftlinge hatte er sich im Januar 1945 freiwillig als Pfleger für die Typhuskranken gemeldet. Alle zwanzig Priester, die sich für diesen Dienst bereit erklärten, waren sich bewusst, welches Risiko sie für sich eingingen. Sie versuchten den Todkranken in den Baracken wenigstens ein menschliches Sterben zu ermöglichen, so gut dies ging. In einer Umgebung von Hass und Gewalt antworteten sie in Liebe bis zum Tod. Pater Engelmar wurde selber von der heimtückischen Krankheit dahingerafft und starb am 2. März 1945 – vor sechzig Jahren.
Ehemalige Mithäftlinge von Pater Engelmar fanden folgende Worte: “Pater Engelmar hat mich von Anfang an beeindruckt, denn er strahlte sowohl Einfachheit, Demut und Bescheidenheit als auch eine dauernde innere Fröhlichkeit aus.” (Hermann Scheipers); “Pater Engelmar war die Ruhe selbst; Ruhe und Halt in all der schrecklichen Unruhe des KZs. Er war gesammelt, freundlich, gelassen …” (Prälat Josef Albinger); “Er war ein lieber, wertvoller Mensch. Die Liebe in Person. Mehr kann ich nicht sagen. Das ist er gewesen: Liebe!” (Prälat Emil Wiesel).

Pater Engelmar Hubert Unzeitig (1911-1945)

Kurze biographische Skizze

Von sechs Priesterjahren verbrachte er vier im Konzentrationslager Dachau; dort starb er im Alter von 34 Jahren. Er hatte sich zur Pflege russischer Häftlinge gemeldet, die an Typhus erkrankt waren, wurde selber angesteckt und wenige Wochen später von dieser heimtückischen Seuche hinweggerafft. Wegen seines freiwilligen Dienstes an Mithäftlingen, um die sich von Seiten der Lagerleitung niemand mehr kümmerte, wird er auch der „Maximilian Kolbe der Deutschen“ genannt. Ebenfalls inhaftierte Priester, die das KZ überlebt haben, sprachen von ihm als dem „Engel von Dachau“.

In einem seiner letzten Briefe schrieb Pater Engelmar: „Liebe verdoppelt die Kräfte. Sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh. Es ist wirklich in keines Menschen Herz gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.“

Er starb am 2. März 1945, nur wenige Wochen vor der Befreiung des Lagers durch amerikanische Soldaten. Seine Asche wurde aus dem Lager herausgeschmuggelt und am Karfreitag desselben Jahres auf dem Würzburger Stadtfriedhof beigesetzt. 1968 erfolgte die Übertragung der Urne in die Kirche der Mariannhiller.

1991 eröffnete Bischof Paul-Werner Scheele in Würzburg den Seligsprechungsprozess auf Diözesanebene; der wurde 1997 abgeschlossen. Damit erfolgte die erste offizielle Stufe der kirchlichen „Bestandsaufnahme“ zwecks möglicher späterer Seligsprechung. Weitere diesbezügliche Schritte erfolgten an der Kurie in Rom.

In seinen Briefen aus der „Hölle von Dachau“, wie dieses KZ zuweilen genannt wird, erweist sich Pater Engelmar als ein tief religiöser und spiritueller Ordensmann. Alle, die ihn dort kennenlernten, vor allem ehemalige Mithäftlinge, die das Konzentrationslager überlebt haben, sind voll des Lobes für diesen Mariannhiller:

Ich hatte in der Priesterbaracke von Dachau meinen Platz direkt hinter Pater Engelmar. Ich hatte damals den Eindruck eines schlichten, bescheidenen und tief religiösen Priesters, der nicht viel redete, aber bestimmt dafür viel betete… Er war ein Heiliger. Ich nehme dieses Wort nicht schnell in den Mund, aber bei Pater Engelmar ist es angebracht; er war ein heiligmäßiger Priester! (Pater Clemente Pereira SJ)

Pater Engelmar strahlte etwas Heiliges aus, ohne Worte, ohne große Gesten. Er war einer der unauffälligsten und liebenswertesten Mitbrüder in Dachau… Er hat mich von Anfang an beeindruckt, denn er strahlte sowohl Einfachheit, Demut und Bescheidenheit als auch eine dauernde innere Fröhlichkeit aus. (Msgr. Hermann Scheipers)

Mit Pater Engelmar verband mich tiefe Freundschaft. Wir waren zusammen in der Messerschmittfabrik von Dachau… Bei diesen Arbeiten war Pater Engelmar die Ruhe selbst; Ruhe und Halt in all der schrecklichen Unruhe des Konzentrationslagers. Er war gesammelt, freundlich, gelassen… (Prälat Josef Albinger)

Warum Pater Engelmar weit über die Gemeinschaft der Mariannhiller hinaus in Zukunft Bedeutung haben wird, hängt sicher auch mit seiner Herkunft und seiner Vita zusammen: Geboren in einer deutschstämmigen Familie im Schönghengstgau, damals Teil des k. & k österreichischen Imperiums, wurde er 1919, nach dem Ersten Weltkrieg, politisch erzwungen, Bürger Tschechiens; 1938, nach dem Überfall Hitlers und der Vereinnahmung der Sudetengebiete, galt er als deutscher Staatsbürger. Somit wurde er zum Vertreter der Dreiländerecke Tschechien, Österreich und Deutschland.

Die Kirche von Glöckelberg im Böhmerwald, wo er 1941 als Seelsorger tätig war, ehe er von der Gestapo verhaftet und über Linz / Donau nach Dachau verschleppt wurde, stand Jahrzehnte lang im militärischen Sperrgebiet. Heute ist sie wieder frei zugängig; sie wird inzwischen Friedens- und Versöhnungskirche genannt – von den Menschen der drei angrenzenden Länder. Sie wird auch für kommende Generationen mit seinem Namen verbunden bleiben. Denn man kann sich kaum einen geeigneteren Patron für dieses Gotteshaus vorstellen als Pater Engelmar, der sogar im KZ noch Russisch lernte, um vom Lager als Priester und Missionar für den Frieden und die Versöhnung zwischen den Völkern wirken zu können.

Märtyrer der Nächstenliebe
Zur Seligsprechung des Mariannhiller Missionars
Pater Engelmar (Hubert) Unzeitig CMM (1911-1945)

Sein heiligmäßiges Leben
in der Hölle von Dachau.
Was machte ihn zum Märtyrer?
Was zum Vorbild für viele?

Papst Franziskus hat im Januar 2016 Pater Engelmar Unzeitig offiziell als einen Märtyrer vorgestellt, der im KZ zu Dachau den Tod eines Märtyrers gestorben sei. Er nannte ihn ein Vorbild für alle Christen und erwähnte auch seine offizielle Seligsprechung im Herbst 2016 – und zwar am 24. September um 14.00 Uhr im Dom zu Würzburg.

Die Bezeichnung „Märtyrer“ bzw. „Märtyrer der Nächstenliebe“, auf den jungen Mariannhiller Missionar bezogen, stammt von ehemaligen KZ-Dachau-Häftlingen aus der sogenannten Priesterbaracke (Block 26). Das Gleiche gilt für die Bezeichnung „Der „Engel von Dachau“ und „Der Maximilian Kolbe der Deutschen“. Alle drei Aussagen wurden immer wieder von ehemaligen Priester-Häftlingen verwendet.

Anlässlich meines ersten Treffens mit rund 70 ehemaligen KZ-Dachau-Priestern, die Pater Engelmar im Lager erlebt hatten, stellte man mir oft die Frage: „Warum habt ihr diesen Märtyrer immer noch nicht heilig sprechen lassen? Er hätte es längst verdient: Dieser Engel von Dachau! Dieser Maximilian Kolbe der Deutschen! Wenn das kein Heiliger war, wer dann!?“

In praktisch allen Gesprächen, die ich mit „Ehemaligen“ führte, vor allem während meiner jahrelangen Recherchen beim Erarbeiten der großen Pater Engelmar-Unzeitig-Biografie („Eine Spur der Liebe hinterlassen“, Verlag Mariannhill Würzburg, 1984) nannte man Pater Engelmar einen „Märtyrer der Nächstenliebe“, der ganz bewusst und völlig freiwillig sich in der Typhusbaracke zur Pflege der Sterbenskranken zur Verfügung stellte. Er wusste um die schier 100-prozentige Ansteckungsgefahr, und dass kaum einer überleben werde, der sich dazu entschließe.

Was man meines Erachtens in diesem Zusammenhang besonders hervorheben sollte, ist die Tatsache, dass Pater Engelmar sich zu einer Zeit für seinen freiwilligen Gang in die Todesbaracke entscheiden musste, als der Krieg längst verloren und das Dritte Reich am Ende war: Die amerikanischen Truppen hatten bereits deutschen Boden betreten! Jeder Häftling wusste: Die Befreiung steht bevor; in wenigen Monaten ist alles vorüber!

Wie kam es zum freiwilligen Martyrium des von Haus aus schüchternen jungen Paters?

Um sein Martyrium in seiner ganzen Tiefe und Tragweite zu begreifen, müssen wir Pater Engelmars Lebensweg erkunden, müssen zurückblenden auf seine Herkunft, seine Familie, seinen Studienweg; müssen aber auch versuchen, seine urpersönlichen Ängste und Nöte zu verstehen – und uns darüber klarwerden, wie schwer es für ihn gewesen sein muss, diese von Haus aus mitbekommenen Hemmungen abzulegen und sich durchzukämpfen „zur Freiheit der Kinder Gottes“. Nicht jeder ist als Held geboren – und wohl nur wenige zum Martyrium. – Erst wenn wir diesen Gedanken in diesem Zusammenhang zu Ende denken, ahnen wir, wie schwer es für den dreißigjährigen Pater Engelmar gewesen sein muss, freiwillig in den Tod für andere zu gehen, in diesem Fall für typhuskranke Russen und Ukrainer. Und: Wie schwer es den oft als scheu, schüchtern und zurückhaltend geschilderten Mariannhiller Missionar gefallen sein muss, diesen Mut zum freiwilligen Martyrium zu entwickeln! Bis er selber anfing, sein ganzes Leben als einen Dienst an den Mitmenschen zu betrachten – im Dienste Gottes.

Für mich steht seit langem fest: In seiner (Pater Engelmars) Vergangenheit reifte seine Zukunft: Sein missionarischer Auftrag und seine Bereitschaft zum Martyrium… – Sein „persönlicher Kreuzweg“ begann in der Kindheit, wenngleich es ihm damals noch nicht bewusst sein konnte. Der Vater starb 1916 an Typhus – in russischer Gefangenschaft; -Engelmar-Hubert Unzeitig rund 30 Jahre später ebenfalls an Typhus. Hubert Unzeitig ging noch nicht in die Volksschule, als der Tod seines Vaters im fernen Russland bekannt wurde.

1928, mit 17 Jahren, begann der Jugendliche aus Greifendorf auf der Spätberufenen-Schule der Mariannhiller in Reimlingen mit dem Gymnasialstudium, und musste seine Lieben allein zurücklassen – mit einer kleinen Landwirtschaft, von der sie kaum leben konnten. So gern er Priester und Missionar werden wollte, es tat ihm weh, dies seiner Mutter und seinen vier Schwestern „antun“ zu müssen. – Es folgten Abitur (1934), Noviziat (Einführung ins klösterliche Leben und Studium der Philosophie und Theologie.

Wenige Wochen nach seiner Priesterweihe (August 1939) brach der Zweite Weltkrieg aus. Im April 1941 wurde Pater Engelmar in Glöckelberg (Böhmerwald) von der SS verhaftet und sechs Wochen später von Linz/Donau ins KZ Dachau überstellt. Vier von insgesamt sechs Priesterjahren verbrachte er dort in menschen-unwürdiger, menschen-verachtender Umgebung.

Das Leben in Dachau war die Hölle auf Erden. Zu den täglichen Schikanen und Willkürakten der SS bzw. ihrer Helfershelfer (Kapos) kamen die „inneren Ängste, die es zu überwinden galt – und der eigene Kampf um den aufzubringenden Schneid, heimlich und trotz allem, unter steter Lebensgefahr sich um andere zu kümmern, ihnen vom eigenen Mund abgesparte Essensrationen zukommen zu lassen oder seine Pakete, die er von zu Hause bekam, mit ihnen zu teilen; besonders aber sie so diskret wie möglich seelsorgerlich zu betreuen.

Pater Engelmar, der von Haus aus Schüchterne und Ängstliche riskierte in Dachau täglich, meist sogar mehrmals am Tag, sein Leben. Aus Sorge um die Seelen anderer – geboren aus innerer Überzeugung, dass dort, wo Menschen in Not sind, keine persönliche Rücksicht geboten ist.

Große, innere Reife – trotz Sklavenarbeit, bösen Schikanen und üblen Schindereien

Der Alltag im KZ verlief für Pater Engelmar, jedenfalls von außen betrachtet, völlig gegen den Strich. Nie hätte er sich in jungen Jahren träumen lassen, einmal auf Hitlers Geheiß in einem seiner als Arbeitslager deklarierten KZ’s festgehalten zu werden. Seine Landsleute in Mähren, auch „Sudetendeutsche“ genannt, hatten doch den „Anschluss ans Reich“ allgemein begrüßt und den Führer, zunächst jedenfalls, willkommen geheißen. Doch dann dies: Verhaftung, U-Haft und KZ!

Und doch war auch das, wie Pater Engelmar in seinen Briefen immer wieder beteuert, „Gottes Wille“. Das KZ wurde zu seiner Aufgabe; zu seinem Seelsorge-Bezirk; zu seiner Mission. Und die Typhusbaracken von Dachau zum Ort seines Martyriums. So bekam das KZ für ihn eine ur-sächliche und sinn-volle Bedeutung, mögen auch er selber und andere Häftlinge es vorerst überhaupt nicht so gesehen haben. Der 30jährige Neupriester reifte in wenigen Jahren zum „Helden und Heiligen“.

Diese seine Haltung, die erst im Laufe des KZ-Daseins sich langsam herauskristallisierte, machte ihn vor allem in den letzten beiden Jahren seiner Haft zum Vorbild, und für zahlreiche russische Häftlinge, viele von ihnen noch Jugendliche, sogar zum priesterlichen Freund.

Wer, wie Pater Engelmar, mehrere Jahre im KZ verbringen musste, brauchte neben einer halbwegs gesunden körperlichen Verfassung sowie einer guten seelischen Balance noch etwas: Nämlich ein unerschütterliches Gottvertrauen; ferner die Bereitschaft, das ihm zugewiesene Kreuz willig auf sich zu nehmen. Letzteres, die Einstellung zum Leiden „in Gottes Namen“, also in der Nachfolge Jesu auf sich zu nehmen – das war es vor allem, was Pater Engelmar auszeichnete und gleichzeitig die Kraft schenkte, mühsame Sklavenarbeiten, willkürliche Schikanen und teuflische Schindereien zu ertragen. Ohne diese ausgeprägte Haltung des bewussten Kreuztragens um Jesu willen hätte er die langen Jahre im KZ kaum überstanden. Diese Treue zu Jesus gipfelte in der glasklaren Überzeugung: Wo Menschen in körperlicher oder seelischer Not sind, da muss man helfen – und sei es mit dem eigenen Schicksal so verknüpft, dass es die persönliche Bereitschaft zum Martyrium nicht grundsätzlich ausschloss.

Gewiss, Pater Engelmar wollte nicht sterben; sein Ziel war die Mission, die Evangelisation; wenn nicht im südlichen Afrika, dann wollte er nach dem Krieg mithelfen, Russland zu missionieren. Seine persönliche Frömmigkeit, die sich in Dachau weiter entfaltete (das beweisen sein Briefe aus dem KZ), ließ in ihm die Bereitschaft wachsen, schier alles zu riskieren, um anderen, Menschen in Not, beizustehen. Auch unter der lauernden Gefahr, erwischt und mit der sofortigen Hinrichtung bestraft zu werden! Das erforderte schon lange vor seinem Tod durch Flecktyphus die glasklare Bereitschaft, das eigene Leben der Hilfsbereitschaft gegenüber anderen unterzuordnen.

Es war eben auch ein „geistiges Martyrium“! Er sehnte sich nach seinen Verwandten im mährischen Schönhengstgau und nach seinen Mitbrüdern bei den Mariannhillern. Spätestens ab Mitte/Ende 1944 wusste man auch im Dachauer KZ, dass die Alliierten in Bälde Deutschland besetzen würden – und dass es bis zur Befreiung aller Inhaftierten nur noch Monate sein dürften. Es galt also, diese kurze Zeit zu überleben – bis zur endgültigen Entlassung in die Freiheit.

Klammheimlicher Samariter und Lagerseelsorger

Pater Engelmar konnte etwas Russisch; er hatte, noch zu Hause, Tschechisch gelernt, und Russisch während seiner Studienjahre. Schon als Schüler und Student sprach er gelegentlich davon, vielleicht später einmal in Russland missionieren zu wollen. In Dachau – jetzt bereits in heimlichem Kontakt mit russischen und ukrainischen Häftlingen – wurde dieser Wunsch konkreter.

Pater Engelmar schreckte alsbald von nichts mehr zurück, auch vor keiner Drohung von Seiten der Lagerleitung, die keinerlei Kontakte zwischen deutsch- und russischsprachigen Häftlingen zuließ. Er erkannte seine Chance, als er zusammen mit einigen weiteren Priesterhäftlingen (z. B. mit den Geistlichen Albinger und Brantzen) in der Messerschmitt-Baracke von Dachau auf russische Häftlinge stieß. Dort, in der Fabrik, wurde in Tag- und Nachtschichten geschuftet, u. a. auch an den V2-Waffen. Pfarrer Hans Brantzen beschreibt die damalige Situation:

„Hier, bei Messerschmitt, erlebten wir bei Pater Unzeitig eine besondere Prägung, wobei seine Hilfsbereitschaft für religiös suchende Menschen auffällig zum Ausdruck kam. Dort musste uns ein russischer Familienvater, Peter mit Namen, in die ersten Anfänge der Technik einführen; ein schlichter, aber geistig reifer Mensch… So begannen (wir) bald Gespräche um Gott in den Nächten bei Messerschmitt. Nikodemus-Stunden eigener Art. Pater Unzeitig nahm sich immer mehr dieses Suchenden an. Es entwickelte sich zwischen den beiden ein feines Freundschaftsverhältnis auf geistiger Basis. Um sich besser mit Peter verständigen zu können, lernte Pater Unzeitig (noch intensiver) Russisch…“

Pfarrer Brantzen berichtete weiter, dass Peter nach dem Tod Pater Engelmars zum katholischen Glauben konvertierte: „Der Tod seines Missionars erschütterte ihn fürchterlich. Er verehrte Pater Unzeitig wie einen Heiligen.“

Es scheint mir wichtig, auch an dieser Stelle daran zu erinnern: Was immer im KZ Dachau an aktiver und direkter Seelsorge getan wurde, musste heimlich geschehen. Darüber berichtet Pater Sales Hess (Münsterschwarzach), ebenfalls ein Überlebender des Dachauer KZ‘s: „Unterstehe sich keiner von euch Pfaffen, einem Häftling Beichten zu hören; wer es tut, wird exemplarisch bestraft!“ – So herrschte uns eines Tages der Lagerführer an… Jede religiöse Betätigung der Insassen war verboten; verboten war jeder religiöse Gegenstand, verboten war sogar jedes gemurmelte Gebet. Alles Religiöse wurde verlacht und verspottet.“

Dennoch wurde in Dachau von vielen Geistlichen direkte Seelsorge betrieben. Pater Otto Pies SJ sagte über das Verhalten der Geistlichen auf Block 26: „Es ist wohl kaum ein gutwilliger Katholik im Lager ohne den Empfang der heiligen Sakramente gestorben, die heimlich, wenn auch in primitiver Form, gespendet wurden.“

Letztlich vollzog sich dieser Heroismus in aller Stille, überdeckt vom lauten Getriebe des Lagerlebens. Pater Clemente Pereira – auch er kannte Pater Engelmar Unzeitig persönlich; beide waren in derselben Stube untergebracht – schrieb über die Standfestigkeit und den Idealismus vieler inhaftierter Geistlicher: „Die Priester, die sich im Revier (Krankenstuben) als Pfleger oder „Hauser“ hatten anstellen lassen, verrichteten dort die schmutzigsten und niedrigsten Dienste, um den Sterbenden nahe sein zu können. Kranken-Öl und Hostien ließen sie sich von Kameraden des Block 26 ins Revier bringen, natürlich im Geheimen…“

Nach Pfarrer Richard Schneider mühte sich Pater Engelmar zusammen mit Pfarrer Hermann Dümig (aus dem Bistum Würzburg) ernsthaft um die „Missionierung der russischen Häftlinge“, nicht zuletzt dadurch, dass sie Gebete, Katechismus-Texte und Teile der „Nachfolge Christi“ ins Russische übersetzten. Natürlich stets unter Wahrung größter Diskretion. Die Gefahr, entdeckt und erwischt zu werden, war allgegenwärtig; das machte praktisch jede Lagerseelsorge zum persönlichen Risiko.

Freiwillig in den Todesbaracken DachausPater Engelmar stirbt an Flecktyphus

Es war wohl die schwerste Entscheidung seines Lebens: Der zunächst noch heimlich gehaltene freiwillige Gang in eine der Typhusbaracken, vorwiegend mit todkranken russischen und ukrainischen Häftlingen belegt – getarnt als Blockschreiber. Erst Wochen, eventuell auch erst ein, zwei Monate später, befahl die SS Lagerkaplan Georg Schelling, zwanzig Geistliche zur Verfügung zu stellen zur Pflege der an Flecktyphus Erkrankten – je zehn deutsche und zehn polnische. Mehrere dieser Blocks waren völlig außer Kontrolle geraten. Die SS-Leute mieden inzwischen jeden Kontakt mit den Infizierten; sie fürchteten um ihr eigenes Leben. Sie hatten Angst, die Seuche könnte sich nicht nur im ganzen Lager, sondern auch in den SS-Quartieren ausbreiten. Daher der Auftrag an Lagerdekan Georg Schelling: 20 Geistliche für die sonst allenthalben gemiedenen Typhusbaracken „freizugeben“. Der rief je zehn deutsche und polnische auf, sich freiwillig zu melden. – Aus einem meiner Gespräche mit Schelling im Jahr 1981 ging überdeutlich hervor: Jeder dieser 20 freiwilligen Geistlichen wusste nur zu gut: Dies würde ein Gang in den schier sicheren Tod bedeuten! Sie haben bewusst und ohne jeden Druck von außen die Pflege der dem Tod geweihten Mithäftlinge aufgenommen; ihre Haltung entsprach dem Märtyrer-Ethos der großen Glaubenszeugen der Kirche. – Hier wird übrigens die Parallele Pater Engelmars zu Maximilian Kolbe am deutlichsten. Der Franziskanerpater meldete sich freiwillig für einen zum Tod verurteilten polnischen Familienvater: Jener über-lebte Auschwitz und er- lebte sogar noch die Selig- und Heiligsprechung Kolbes durch den polnischen Papst Johannes-Paul II.

Pater Sales Hess kommentierte nach dem Krieg: „Diese Entscheidung der 20 freiwilligen Geistlichen in Dachau war nicht leicht; sie erforderte Heroismus im höchsten Grad. Jeder, der sich zum freiwilligen Krankendienst in den verseuchten Baracken meldete, durfte nicht mehr auf Block 26 zurückkehren…“ – Ein weiteres Wort eines Augenzeugen, diesmal von Pfarrer Josef Witthaut: „Von Pater Unzeitig weiß ich als Bettnachbar (auf Block 26) bestimmt, dass er sich bei seiner Meldung der Schwere der Entscheidung bewusst war.“

Zwei Jahre nach Kriegsende, 1947, schrieb Pater Johannes Maria Lenz SJ (der einzige der „freiwilligen Pfleger“, der überlebte) an Sr. Adelhilde Regina Unzeitig einen ausführlichen Bericht über die letzten Tage seines Freundes Hubert: „Ein stiller, selbstloser Helfer war er, eine wahrhaft priesterliche Opferseele, unser Pater Hubert Engelmar… Bescheidenheit war sein Wesen. – Er konnte aber auch energisch sein, sobald es um die Wahrheit ging, um sachliche Gründe. Niemals war es ihm um seine Person zu tun und niemals verlor er die Ruhe, auch wenn er sich rücksichtslos zur unangenehmen Wahrheit bekannte. Solche Selbstlosigkeit kennt auch im Tadel keine Verletzung der Liebe.“

Pater Lenz verwies gleichfalls auf Pater Engelmars Großzügigkeit gegenüber anderen Häftlingen; auch dass er seine von zu Hause erhaltenen Pakete „wohl zum größten Teil unauffällig verschenkte und sich mit der Lagerkost begnügt hat“. Er sei „ein vorzüglicher Priester“ gewesen, und die Seelsorge „seine Hauptsorge für die Armen“. Wörtlich fuhr Lenz fort: „Er (Pater Engelmar) hörte seinen Armen gerne die hl. Beichte und tröstete sie in seiner ruhig-gütigen Art im Elend des Lagers. Hubert war ein Mann, der kein Opfer scheute. Doch das Wertvollste an ihm war seine übernatürliche priesterliche Seelenhaltung. Bei allem Eifer blieb er ein stiller Mann des Gebetes, ganz verborgen und übersehen in der großen Priestergemeinschaft von Dachau. Erst sein Tod brachte ihn an die Oberfläche der allgemeinen Aufmerksamkeit, starb er doch den Tod eines Märtyrers für die Freiheit der Kirche, für den Glauben und als Opfer der Nächstenliebe. Freiwillig hatte er den Schreibposten in einem Arbeitskommando auf Block 23 übernommen. In dieser Baracke jedoch herrschte der grausame Tod; sie war plötzlich zum Typhusblock geworden. Aus Raummangel hatte man die Arbeiter dieses Kommandos, gesunde Menschen, in einen Seuchenblock hineingezwungen. – Pater Engelmar fand neben seiner Pflichtarbeit auch noch Zeit für eine höhere Pflicht: Die Liebe Christi drängte ihn zu priesterlicher Arbeit. In den rückwärtigen Stuben seiner Baracke warteten hilflose Sterbende auf den Priester. Pater Engelmar opferte alle Freizeit für die armen Kameraden verschiedener Nationen. Er schenkte ihnen noch viel mehr als seine Zeit und selbstlose Mühe – seine ganze priesterliche Liebe! Das war sein Ziel, während der Tod schreckliche Ernte hielt.“

Pater Lenz nannte den Typhusblock in Dachau Pater Engelmars „letzte Pfarrei“. Wieder und wieder betonte er, sein Freund Hubert habe noch allemal um seine Todesgefahr gewusst, doch seine Liebe zu den Leidenden sei größer gewesen: Zur Rettung von Seelen, so Engelmars Antwort, würde er weiterhin und gerne Verbannung und alles andere ertragen.

Am 28. Januar 1945, etwa vier Wochen vor seinem Tod, schrieb Pater Engelmar an seinen Mitbruder (und Provinzial) Pater Otto Heberling in Riedegg/Österreich: „Im Übrigen wollen wir weiter aus Gottes Hand annehmen, was er in Zukunft schicken wird, und ihm alles aufopfern mit der Bitte, er möge der schwer geprüften Menschheit bald den heißersehnten Frieden schenken.“

Etwa gleichzeitig, offensichtlich nur wenige Tage später, doch leider undatiert, schrieb er an seine leibliche Schwester Adelhilde-Regina Unzeitig in Wernberg/Kärnten sein wahrscheinlich letzten Brief aus Dachau. Man könnte ihn sein Vermächtnis nennen; sein geistiges Testament. Darin stehen die wunderschönen Worte: „Liebe verdoppelt die Kräfte; sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh. Es ist wirklich in keines Menschen Herz gedrungen, was Gott für die bereithält, die ihn lieben… – Man sieht doch immer wieder, dass das Menschenherz auf Liebe abgestimmt ist und dass ihrer Macht auf Dauer nichts widerstehen kann, wenn sie sich wirklich auf Gott und nicht auf die Geschöpfe gründet. Wir wollen weiter alles tun und aufopfern, dass Liebe und Frieden bald wieder herrschen mögen…“

Pater Engelmar starb an Flecktyphus Seine Asche wurde aus dem KZ geschmuggelt und auf dem Würzburger Stadt-Friedhof beigesetzt

Am 2. März 1945 starb Pater Engelmar Hubert Unzeitig auf dem Revier (Krankenbaracke) des Dachauer Konzentrationslagers; sein Tod wurde beim Morgenapell gemeldet. Er war von Typhuskranken angesteckt worden, denen er freiwillig zu Hilfe gekommen war: Um sie zu pflegen; um ihnen die Sterbesakramente zu spenden…

Wie es ihm in den letzten Wochen, schon infiziert, erging, darüber haben uns mehrere Mitgefangene berichtet; neben Pater Lenz waren es vor allem die Pfarrer Dümig und Brantzen. An anderer Stelle und in etwas anderem Zusammenhang wurde darüber bereits mehrfach berichtet. Hier nur noch ein paar Worte, warum man sich darum mühte, seine Leiche einzeln zu verbrennen und seine Asche heimlich aus dem KZ zu schmuggeln.

Pfarrer Richard Schneider antwortete auf meine Frage, warum er sich so sehr um die Asche von Pater Engelmar bemüht habe, schriftlich: „Ich sah in Pater Engelmar, wie alle meine Mitbrüder im KZ Dachau, einen Heiligen. Weil ich ihn so schätzte, habe ich mich damals bemüht, seine Asche zu kommen.“

Auch Leo Pfanzer, der Chef der Baywa in Dachau-Stadt, wurde schon erwähnt; er schmuggelte Pater Engelmars Asche“ aus dem Lager und besorgte deren Weiterleitung nach Würzburg. – Ich habe Leo Pfanzer persönlich kennengelernt und interviewt; er stammte aus Höchberg bei Würzburg; die Missionare von Mariannhill auf dem Mönchberg waren ihm gut bekannt. – Die Asche wurde Ende März 1945 an Pater Willehad Krause, Rektor des Piusseminars, heimlich übergeben, der sie heimlich am Karfreitag im Grab der Mariannhiller beisetzte. Von dort wurde die Urne im November 1968 feierlich in die Herz-Jesu-Kirche überführt, wo sich seitdem eine Pater Engelmar-Gedenkstätte befindet.

1947 schrieb Pater Willehad Krause an die inzwischen in den Westen abgeschobenen Schwestern Engelmars (vom Schönhengstgau in Mähren in die Gegend von Stuttgart) einen ausführlichen Brief über die heimliche Beisetzung Engelmars am Karfreitag 1945. Im Anschluss an diesen Bericht nannte er Pater Engelmar „unseren Fürsprecher im Himmel“. Pater Krause kannte Pater Engelmar recht gut, schon als Frater im Piusseminar. Er war es auch, der ihm 1939 in Greifendorf die Primiz-Predigt gehalten hatte. In seinem 1947 an die Unzeitig-Schwestern gerichteten Brief nannte er Pater Engelmar unseren Fürsprecher im Himmel und erwähnte Folgendes: „ Als bei den letzten Kämpfen in Würzburg im April 1945 wir im Artilleriefeuer lagen und die Granaten in Haus und Kirche einschlugen, habe ich immer wieder Pater Engelmar um Hilfe angerufen, und ich bin überzeugt, dass wir es seiner Fürbitte zu verdanken haben, dass wir noch so gut durch das Unheil hindurchgekommen sind.“ – In der Tat, blieb das Piusseminar mit Kirche einer der größeren kirchlichen Gebäude-Komplexe, die den Bombenangriff der britischen Air Force auf Würzburg am 16. März 1945 und den im April folgenden Artillerie-Beschuss der vorrückenden amerikanischen Truppen halbwegs unbeschädigt überstanden haben.

Interessant in diesem Zusammenhang: Dass Rektor Willehad Krause seinen im KZ ums Leben gekommenen Mitbruder Engelmar in seiner eigenen Not schon damals, kurz nach der Nachricht von Engelmars Tod, überhaupt als Fürsprecher anrief! Selten gilt ja ein Prophet in seiner Heimat…

Maria stand hoch in Ehren im Priesterblock von Dachau

Von Adalbert Ludwig Balling

In seiner persönlichen Haltung zur Gottesmutter wurde Pater Engelmar Unzeitig wohl am stärksten und intensivsten mitgeprägt: Von seiner Mutter Cäcilie-Maria im mährischen Schönhengstgau, von Mariannhiller Missionaren in Würzburg und Reimlingen und, zuletzt, ab Sommer 1941, in der Priester-Baracke des Konzentrationslagers Dachau, wo fast 3.000 Geistliche festgehalten wurden. – Ehe wir jedoch im Detail auf seine Haltung zur Gottesmutter zu sprechen kommen, für jene, die seinen Lebenslauf noch nicht kennen, zuvor einen kurzen Abriss seines jung-vollendeten Lebens.

Biografische LEBENSSKIZZE

Pater Engelmar Hubert Unzeitig (Hubert war sein bürgerlicher Tauf- und Rufname) wurde am 1. März 1911 in Greifendorf bei Zwittau im mährischen Schönhengstgau geboren, das heute politisch zu Tschechien gehört. Er entstammte einer kleinbäuerlichen Familie und wuchs mit vier älteren Schwestern auf. Ein Junge starb in sehr jungen Jahren. Vater Johann Unzeitig diente im Ersten Weltkrieg in der Österreichisch-Ungarischen Armee; er starb 1916 in russischer Gefangenschaft in einem Lager an der Wolga – an Typhus. Nach der Volksschule verdingte sich der jugendliche Hubert bei einem tschechischen Bauern in der Nähe von Brünn (Brno), auch um die tschechische Sprache besser und schneller zu erlernen.

Mit 17 Jahren brach er seine Dienste als Bauernknecht ab und ging ins Spätberufenen-Seminar der Missionare von Mariannhill nach Reimlingen im Ries, Diözese Augsburg. Nach dem Abitur trat er in die Mariannhiller Ordens- und Missions- Gemeinschaft ein und studierte Philosophie und Theologie in Würzburg, wo er im Sommer 1939 von Bischof Matthias Ehrenfried zum Priester geweiht wurde; die Primiz-Messe feierte er am 15. August in Greifendorf; zwei Wochen später brach der 2. Weltkrieg aus. Sein erster Pastoral-Einsatz erfolgte 1940 in Riedegg bei Linz/Donau; von da ging es wenig später nach Glöckelberg im Böhmerwald, wo er ein knappes Jahr später von der Gestapo verhaftet und in Linz/Donau in U-Haft genommen wurde.

Nach rund sechs Wochen überstellte man ihn – auf Weisung Berlins – ins KZ Dachau, wo er am 2. März 1945 dem Typhus erlag, angesteckt von russischen und ukrainischen Häftlingen, die zu pflegen er sich freiwillig gemeldet hatte. Seine Asche wurde aus dem KZ herausgeschmuggelt und am Karfreitag 1945 auf dem Würzburger Friedhof heimlich beigesetzt. 1968 erfolgte die Übertragung seiner Urne in die Herz-Jesu-Kirche der Mariannhiller.

Ehemalige KZ-Häftlinge nannten ihn den „Engel von Dachau“ bzw. den „Maximilian Kolbe der Deutschen“ sowie einen Märtyrer der Nächstenliebe. Sein Seligsprechungsprozess wurde am 26. Juli 1991 von Bischof Paul-Werner Scheele in Würzburg eingeleitet. Im Januar 2016 verkündete Papst Franziskus, Pater Engelmar dürfe ab sofort als Märtyrer verehrt und ein Vorbild für alle Christen genannt werden. Die offizielle Seligsprechung wurde auf den 24. September 2016 festgesetzt – im Dom zu Würzburg.

EINFLUSS DURCH ELTERNHAUS & MARIANNHILL

Pater Engelmars frühes „Marienbild“ ist ohne den starken Einfluss seiner Mutter sowie seiner Großmutter (Vaters Mutter) kaum vorstellbar. Hinzu kam die Einwirkung mehrerer Priestergestalten aus der Gemeinschaft der Missionare von Mariannhill, allen voran Gründerabt Franz Pfanner sowie Pater Ludwig Maria Tremel, Rektor und Provinzial in Reimlingen und Würzburg.

Cäcilie-Maria Unzeitig übertrug die Art ihrer Marien-Verehrung schier automatisch auf ihre Kinder; sie lebte ihren Glauben auch im Alltag; so die Verehrung der Gottesmutter, wie in Mähren damals praktiziert. Da gab es das Rosenkranzgebet und tägliche Angelus-Läuten, Marienandachten (vor allem im Mai und an besonderen Festen) sowie Fuß-Wallfahrten zum „Marienbildstock“ bei Pohler, dem Heimatort von Vater Johann Unzeitig. Laut örtlicher Legende wurde hier einst ein Edelmann von Räubern überfallen. Er versuchte zu entkommen, indem er seinem Pferd die Sporen gab und mit dem Bittruf: „Maria, hilf!“ in den nahen Abgrund jagte. Ross und Reiter blieben auf wunderbare Weise unversehrt.

Wie sehr Pater Engelmar von dieser dörflich-volkstümlichen Art der Marien-Verehrung beeinflusst war, zeigte sich auch bei der Wahl seines Primiztages: Es war das Fest Mariä Himmelfahrt, am 15. August 1939, obschon er die Priesterweihe bereits am 6. August erhalten hatte.

Die Gemeinschaft der Mariannhiller – der Name sagt es schon – enthält auch ein „marianisches Erbe“: Abt Franz Pfanner, der Gründer der Missionszentrale in Südafrika, benannte die meisten der von ihm gegründete Stationen nach berühmten Marien-Wallfahrtsorten in Europa, z. B. nach Kevelaer, Mariazell, Marialinden, Centocow, Mariathal, Lourdes u.s.w. Er war als großer und inniger Marienverehrer bekannt. In vielen seiner Ansprachen sowie in zahlrechen Artikeln der von ihm begonnenen Zeitschrift und Kalender/Jahrbücher kam seine tiefe Marien-Verehrung zum Ausdruck. In Emaus, einer von ihm erbauten Außenstation von Lourdes-Mission, errichtete er eigenhändig einen Kreuzweg hinauf zu einem 70 Meter hohen Felsen mit 174 in Gestein gehauenen Stufen. Betend mühte er sich täglich, diesen steilen Kreuzweg zu erklimmen. Oben machte er in der Lourdes-Grotte eine kurze besinnliche Rast. Als er in seinen letzten Lebensjahren (er starb am 24. Mai 1909) nahezu erblindete, feierte er jeden Tag die Marienmesse, die er auswendig konnte!

Im Spätberufenen-Seminar zu Reimlingen, wo Hubert Unzeitig seine ersten Kontakte mit Mariannhill hatte, war damals Pater Ludwig-Maria Tremel Rektor des Gymnasiums und Provinzoberer der Mariannhiller im deutschen Sprachraum. Er war ein glühender Verehrer der Gottesmutter: Keine Predigt, die nicht auf Maria verwies; keine Andacht, die nicht irgendwie mit der Gottesmutter in Verbindung gebracht wurde!

Auch am späteren Studienort Frater/Pater Engelmars, in Würzburg, war die Marienverehrung schon immer eingebettet in die lokale Volksfrömmigkeit. Da waren das Käppele und die Marienfeste (Burg), die Marienkapelle in der Innenstadt und mehrere der Gottesmutter geweihte Pfarrkirchen. Es ist sicher nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet: Die fränkische Art der Marienminne und die Gemeinschaf der Mariannhiller prägten Pater Engelmars „Marienbild“ auf einfache, doch wesentliche Weise mit.

BEWÄHRUNG IM PRIESTERBLOCK ZU DACHAU

Intensiven und bleibenden Einfluss auf Pater Engelmars „persönliche Frömmigkeit“ hatten mehrere Priester-Häftlinge in Dachau. Dazu zählten u.a. der Niederländer Pater Titus Brandsma, Pater Josef Kentenich, Karl Leisner (der im Dezember 1944 im KZ heimlich zum Priester geweiht worden war) sowie seine Arbeitskameraden Schneider, Albinger und Brantzen; natürlich auch Lagerdekan Georg Schelling aus Vorarlberg. Wie bereits erwähnt, standen ihm auch die Mariannhiller Vorbilder stets vor Augen: Abt Franz Pfanner und Pater Ludwig-Maria Tremel. Zudem sah man ihn öfter in dem Buch „Werktags-Heiligkeit“ von Pater Kentenich lesen; es scheint eines der wenigen religiösen Bücher gewesen zu sein, das ihm damals zur Verfügung stand.

Dann war da auch die „Madonna von Dachau“, eine Marienstatue in der Lagerkapelle von Block 26! Pater Engelmar besuchte sie mehrmals am Tag, auch außerhalb der Gottesdienst-Zeiten, und hielt gerne Zwiesprache mit ihr. Bei Maria, der Gottesmutter, fühlte er sich geborgen; bei ihr schöpfte er immer wieder Mut, Kraft und Hoffnung.

Sehr beliebt war auch das von Pfarrer J. Schulz auf Dachau umgedichtete Mariengebet zur Lager-Madonna; Pater Engelmar hat es unzählige Male gebetet. Darin heißt es: „Und kommst du an die Stätten, wo unsere Eltern und Angehörigen, unsere Pfarrkinder und Mitarbeiter schon so lange um unsere Heimkehr beten, dann sag ihnen, dass du über uns wachst im Leben und im Sterben. Unsere Liebe Frau von Dachau, zeige, dass du unsere Mutter bist, wo di Not am größten ist.“

Sogar während der schweren und meist sehr mühsamen Tagesarbeitszeit pflegte Pater Engelmar, wann immer möglich, den Rosenkranz zu beten. Zuweilen, wenn gerade ohne SS-Beaufsichtigung, beteten die Priester halblaut und gemeinsam. Pfarrer Hans Brantzen hat das ausdrücklich in seinem Lagerbericht erwähnt und es auch mit Pater Engelmar in Verbindung gebracht.

Dachau war für Pater Engelmar nicht nur ein Ort qualvoller Leiden und unmenschlicher, abscheulicher Untaten, sondern auch – man wird es kaum glauben – „eine Schule des Betens und der seelischen Erneuerung“. Hier, im Umfeld des Bösen, hat Pater Engelmar Gott intensiv gesucht – und gefunden. Hier hat er missionarisch und marianisch gebetet und gewirkt; hier reifte er zu wahrer innerer Größe. Das beweisen – neben den Dutzenden von Aussagen ehemaliger Priesterhäftlinge – in besonderer Weise die Briefe, die Pater Engelmar im KZ Dachau geschrieben hat und die von seiner leiblichen Schwester Marie (später: Sr. Huberta Unzeitig) bei der Vertreibung aus dem mährischen Schönhengstgau (heute: Tschechien) in den Westen gerettet wurden. In diesen handgeschriebenen Briefen stehen auch zahlreiche Hinweise auf seine innige Marienliebe.

ORIGINAL-ZITATE AUS KZ-BRIEFEN

In den Briefen, die Pater Engelmar aus dem KZ Dachau an seine Lieben zu Hause in Mähren schrieb, stehen deutliche Worte über seine enge Verbundenheit zur Gottesmutter:

# Am 5. Oktober 1941 (Pater Engelmar ist seit Juni 1941 in Dachau) schreibt er: „Der Rosenkranzmonat sieht uns wieder am Nachmittag zum gemeinsamen Rosenkranzgebet um den Altar geschart, um Maria, die Hilfe der Christen, die Mittlerin der Gnaden zu grüßen und um ihre mütterliche Fürsprache anzurufen…“

# Am 20 Mai 1942 (es ist das sogenannte Dachauer Hungerjahr!) erwähnt er das „treubesorgte Mutterherz Mariens, der Maienkönigin, die wir recht eifrig grüßen in den freien Augenblicken zwischen der Arbeit“.

# Und am 6. Juni 1943 heißt es: „Vertrauen wir weiter auf Maria, unsere gute Mutter; sie wird auch in Zukunft über uns wachen und uns helfend und führend zur Seite stehen.“

# Am 21. Mai 1944, ein knappes Jahr vor seinem Tod, kommt Pater Engelmar abermals auf die „Maienkönigin“ zu sprechen: „Im Maienmonat dürfen auch wir uns um den Thron der Himmelskönigin scharen, um sie zu grüßen und ihr die Anliegen der schwergeprüften Menschheit vorzutragen…“.

Das Verhalten Pater Engelmars gegenüber der Gottesmutter ähnelte in vielem seinem Verhalten gegenüber der eigenen Mutter. Sie, seine Mutter Cäcilia-Maria Unzeitig, schätzte er über alles; er war stets um sie besorgt, auch vom KZ aus, und gab seinen Schwestern gelegentlich Ratschläge, wie sie ihr etwas Gutes tun könnten – auch in seinem Namen.

Als ihm der Tod seiner Mutter ins KZ gemeldet wurde (es war Anfang März 1943), durfte er erstmals in der Lagerkapelle die heilige Messe selber feiern (Konzelebration gab es damals noch nicht) – und viele Mithäftlinge der Priesterbaracke nahmen daran teil. Aber so schwer und hart er den Tod seiner Mutter auch empfand, letztlich wurde ihr Ableben bzw. das Gedenken an die Verstorbene, für ihn zur „inneren Kraftquelle“, nämlich in dem Sinne, auch weiterhin das Inferno von Dachau mit Gottes Hilfe durchzustehen, ja sogar noch intensiver als bisher im Gebet und in praktischer Nächstenliebe zu leben.

Jetzt wurde ihm Maria, die Himmelskönigin, zur „Mutter aller Mütter“. Ihr blieb er bis zu seinem Tod in echter Marienminne verbunden.

Aber er blieb auch bis zu seinem Tod ein Mariannhiller Missionar. Nach dem Krieg, so pflegte er Mithäftlingen gelegentlich zu sagen, wolle er sich freiwillig für die Missionierung Russlands melden; Maria, die Gottesmutter, werde ihm dabei zur Seite stehen…

Dazu ist es nicht mehr gekommen; Pater Engelmar starb, wenige Wochen vor dem Einzug der amerikanischen Streitkräfte in Dachau. Aber Pater Engelmars Vermächtnis wird weiter leben. Das gilt auch für seine wahrscheinlich letzten Worte, die uns überliefert wurden:

„Liebe verdoppelt die Kräfte; sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh. Es ist wirklich in keines Menschen Herz gedrungen, was Gott denen bereitet, die ihn lieben…“

 

LITERATUR:

* Adalbert Ludwig Balling, Eine Spur der Liebe hinterlassen / Märtyrer der Nächstenliebe im KZ Dachau, Verlag Mariannhill Würzburg, 1984

* A.L. Balling/R. Abeln, Speichen am Rad der Zeit/Priester in Dachau, Herder Freiburg 1985

* B. Muth-Oelschner, Wo Gott nicht sein darf, schickt er einen Engel / Erzählung über den seligen Engelmar Unzeitig, Vorwort: Kardinal Miloslav Vlk, Prag. Druck: Mariannhill Rom/Reimlingen 2011

* A. Rohring (Hg.), Worte der Freiheit / Brief-Zitate; Vorwort von A. L. Balling, Don-Bosco-Kommunikation München 2011

* Engelmar H. Unzeitig, Liebe verdoppelt die Kräfte / Briefe aus dem KZ. Hg. W. Zürrlein; Vorwort: Bischof Paul-Werner Scheele, Würzburg; Druckauftrag: Mariannhill Rom; Druck Reimlingen 1993

Die Heimatgemeinde Greifendorf in Tschechien schenkte dem Piusseminar in Würzburg eine Holzplastik – Das Leben Pater Engelmars ist ein Zeugnis für Versöhnung

Text Pater Andreas Rohring CMM

Pater Engelmar ist ein Zeugnis für die Versöhnung von Menschen und Völkern. Dies sagte Provinzial Pater Dr. Hubert Wendl anlässlich der Überreichung einer Statue von Pater Engelmar Unzeitig. Die Holzplastik ist ein Geschenk der Heimatgemeinde von Pater Engelmar; zahlreiche Vertreter aus Greifendorf waren anwesend. Unter ihnen die Bürgermeisterin Frau Vanieckova und Herr Cvrkal, der das Projekt der Statue initiert hat, sowie der Künstler Peter Steffan. Eine zweite Statue steht in der Greifendorfer Pfarrkirche.
In seiner Ansprache sagte Provinzial Pater Hubert unter anderem: “Pater Engelmar steht heute als ein Beispiel für einen solchen Glauben vor uns – auch hier in der neuen Statue von Peter Steffan. Der Künstler zeigt Pater Engelmar in der Häftlingskluft des Konzentrationslagers wie er Brot austeilt. Aber unter dieser dünnen Kleidung ist noch der Priesterkragen oder der Kragen des Habits zu erkennen. Pater Engelmar lebte seine Berufung und seinen Glauben bis zum Ende, bis in seinen Tod hinein.
1911 wurde Hubert Unzeitig in Greifendorf in Ostmähren im heutigen Tschechien geboren. Zusammen mit seinen vier Schwestern und seiner Mutter – der Vater ist im 1. Weltkrieg gestorben – hilft er auf dem Bauernhof mit und arbeitet auch als Bauernknecht auf einem tschechischen Hof. Zu uns Missionaren von Mariannhill kam er über das damalige Spätberufenenseminar in Reimlingen und trat nach dem Abitur als Frater Engelmar in die Kongregation ein. Theologie studierte er in Würzburg teils an der Universität aber auch in unserem Piusseminar. Am 6. August 1939 wurde er hier in unserer Kirche zum Priester geweiht. Er wurde anschließend nach Österreich versetzt und übernahm dort im Sommer 1940 die Seelsorge in der Pfarrei Glöckelberg im Böhmerwald. Am 21. April 1941 wurde er wohl wegen seiner Äußerungen in der Predigt oder im Schulunterricht, verhaftet und ins Linzer Gefängnis gebracht. Nach sechs langen Wochen bangen Wartens in der Untersuchungshaft wurde Pater Engelmar in KZ-Dachau überführt.
Als Häftling mit der Nummer 26147 lebte er auf dem Priesterblock fast vier Jahre bis zu seinem Tod in den Typhusbaracken des Lagers. In Dachau, dem ersten Konzentrationslager des Dritten Reichs, wurde die Menschenwürde von 200.000 Gefangenen aus fast 40 Nationen buchstäblich mit Füßen getreten. Allein im so genannten „Priesterblock“ lebten fast 3 000 Geistliche auf engstem Raum beisammen. Die Schikanen der SS beherrschten das Leben im Lager. Man kann wohl niemanden, der im Konzentrationslager leben oder besser überleben musste, einen Vorwurf daraus machen, wenn er versuchte, diese Hölle für sich etwas angenehmer zu gestalten. Die Versuchung, sich das harte Leben etwas zu erleichtern, war groß. Viele verbitterten, weil der Sklavenarbeit bei Wasser und Brot niemand entgehen konnte; die wenigen Essenspakete, die Angehörige ins Lager schicken durften, waren für sie eine seltene, doch sehr willkommene Ergänzung zur angebotenen Magerkost. Hunger herrschte überall im Lager. Obwohl die Pakete vielfach schon für eine Person zu wenig waren, wurden viele davon mit denen geteilt, die sie nötig hatten.
In seiner Sorge für die Mitmenschen hat Pater Engelmar sich im Januar 1945 freiwillig als Pfleger für die Typhusbaracken gemeldet. Alle 20 Priester, 10 polnische und 10 deutsche, waren sich bewusst, welches Risiko sie für sich eingingen. Sie versuchten die Schwerkranken in den Todesbaracken wenigstens ein menschliches Sterben zu bereiten, so gut dies möglich war. In einer Umgebung von Hass und Gewalt verharrten sie in Liebe bis zum Tod. Am 2. März 1945 starb Pater Engelmar selber am Flecktyphus. Mithäftlinge sorgten dafür, dass seine Asche aus dem Konzentrationslager herausgeschmuggelt werden konnte und dass Pater Engelmar so letztlich in unserer Kirche beigesetzt werden konnte.
„Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh. Es ist wirklich in keines Herz gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. Freilich trifft auch sie die raue Diesseitswirklichkeit mit all dem Hasten und Jagen und mit dem ungestümen Wünschen und Fordern, mit ihrer Zwietracht und mit ihrem Hass wie ein beißender Frost, aber die Strahlen der wärmenden Sonne der Liebe des allgütigen Vaters sind doch stärker und werden triumphieren, denn unsterblich ist das Gute und der Sieg muss Gottes bleiben.“ So schreibt Pater Engelmar aus dem Konzentrationslager.”

Gedanken über die Wirkungsstätte von Pater Engelmar Unzeitig

Text von Pater Bheki Shabalala

Möchtest Du mitfahren nach Glöckelberg und die Messe feiern? So die Frage von Bruder Franziskus Pühringer. Welch eine Gelegenheit! Endlich sollte ich den Ort des Wirkens von Pater Engelmar Unzeitig persönlich kennen lernen.
Obgleich mein ehemaliger Mitbruder nicht lange in Glöckelberg tätig war und 1941 von den Nazis dort festgenommen wurde, nachdem er verkündet hatte, dass das Wort Gottes mehr gelte als das Wort des Menschen (sprich Autorität), ist damit Glöckelberg doch aufs Engste mit Pater Engelmar verbunden.
Wie wir wissen, wurde Pater Engelmar nach seiner Festnahme ins KZ Dachau gebracht, wo er 1945 als Märtyrer der Nächstenliebe starb.
Es gibt viel schriftliches Material über seine Hingabe und aufopfernde Sorge um die russischen Gefangenen im Typhusblock jenes berüchtigten Lagers.
Ich hatte Dachau vor einigen Jahren besucht und habe auch an Pater Engelmars Grab in Würzburg gestanden. Aber jetzt am Altar „seiner“ Kirche die Messe feiern zu dürfen, war eine Erfahrung, die ich nur schwer in Worte fassen kann.
Der Ort seines Wirkens berührte mich tief; ein Gefühl, als ob er neben mir stünde und mir aus seinem Leben erzähle. Ich spürte plötzlich, dass er mich ermächtigte, das, was er zu mir sagte, weiterzugeben. Jetzt hatte ich ein komplettes Bild von ihm; er sprach zu mir.
In meiner afrikanischen Kultur nimmt die mündliche Überlieferung einen sehr wichtigen Platz ein. Jetzt kann ich von ihm erzählen. Kann mir vorstellen, wo und wie sein Leben verlaufen wäre, wenn der Krieg nicht Land und Leben zerstört und Hunger, Leid und Hass zurückgelassen hätte. Alles was blieb, waren „seine“ Kirche und der Friedhof. Das Dorf wurde von Panzern niedergewalzt, und die Bewohner flüchteten.
Dass seit der Restaurierung der Kirche jetzt jährlich von der österreichischen Provinz der Mariannhiller organisierte Pilgerfahrten die Erinnerung an meinen toten Mitbruder lebendig halten, erfüllt mich mit Freude, aber auch Zuversicht.
Während der Messe ging mein Blick über die Anwesenden (ehemalige Bewohner Glöckelbergs) und dann hinaus über die liebevoll wieder aufgestellten Grabsteine, aber auch über das brach liegende Land ringsum. Ein Zulu-Sprichwort kam mir in den Sinn: Umuntu umuntu ngabantu (Ein Mensch wird erst zum Menschen, wenn er das Menschsein des anderen akzeptiert).
Hier an dieser Stelle sind auch heute noch die Wunden der Entweihung und Verletzung sichtbar. Das Dorf wurde nie wieder aufgebaut. Rundherum Wald, ungemähte Wiesen mit schönen Feldblumen. Stille. Ab und zu ein Vogel. Der Ort strahlt Ruhe, Abgeschiedenheit, aber auch Hoffnung aus. Ich bin ein positiver Mensch; komme aus einem Land, wo vor gar nicht langer Zeit Menschenrechtsverletzungen, Hass und Gewalt an der Tagesordnung waren.
Wir haben ein Wort: Ubuntu, das tief in der südafrikanischen Psyche verankert und schwer zu übersetzen ist. Es hat uns vielleicht vor einem grausamen Bürgerkrieg bewahrt.
Ubuntu bedeutet: Liebe, Freundlichkeit, Selbstlosigkeit, Mitgefühl, Gnade, Respekt und Bestätigung der Würde des anderen.
Als bei der Abfahrt mein Blick noch einmal über die Kirche, den kleinen Friedhof und die fast paradiesische Umgebung glitt, hatte ich das Gefühl, dass wir vielleicht doch eines Tages überall auf dieser Welt Ubuntu verwirklichen können.
Der Weg Pater Engelmar Unzeitigs ist lang, aber er lädt ein und ist begehbar!

Interview im Jahr 2004 mit Anwalt Dr. Andrea Ambrosi, der im Auftrag der Missionare von Mariannhill den Seligsprechungsprozess von Pater Engelmar betreut – Erstmals gibt es ein Wunder in den USA

Text: Pater Andreas Rohring CMM

Frage: Herr Dr. Andrea Ambrosi, warum sollte Pater Engelmar Unzeitig selig­gesprochen werden? 
Antwort: Pater Engelmar war ein Priester und Ordensmann, der einen tiefen Glauben an Gott und an die göttliche Vorsehung hatte. Er liebte seinen Nächsten so sehr, dass er sich für ihn geopfert hat. Niemals beschwerte er sich über sein Schicksal und kümmerte sich um die Anliegen anderer und betete für sie. Sein größtes Bestreben war, sich vor allem Gottes Willen zu überlassen. Diese Überzeugung gab ihm die Kraft, jede Situation zu meistern und sich nicht über irgendwelches Elend, das ihm begegnete, zu beklagen. Wir glauben, dass er diese Tugend in einer heldenhaften Weise praktizierte. Um Pater Engelmar heilig zu sprechen müssen zwei Wunder, die ihm zugeschrieben werden, bestätigt werden; eines für seine Seligsprechung und eines für seine Heiligsprechung. Falls Pater Engelmar eines Tages heiliggesprochen wird, wird er ein Vorbild sein für seine Ordensgemeinschaft und deren Mitglieder, sowie den Rest der Welt.
Frage: Können Sie etwas zu dem Wunder sagen, das sich in den Vereinigten Staaten von Amerika ereignet hat und Pater Engelmar zugeschrieben wird?
Antwort: Eine diözesane Untersuchung wurde in den Vereinigten Staaten angestrengt, um ein mögliches Wunder im Zusammenhang mit Pater Engelmar zu untersuchen. Es betrifft Mr. Sebold, der 1995 die Diagnose auf Enddarmkrebs mit Ausstrahlungen auf die Niere sowie eine Fistel im Schließmuskel erhielt. Er unterzog sich zweimal einer Operation. Ihm wurden Gewebeproben vom Dickdarm, vom Magen und von der Prostata entnommen. Die Urin-Blase und der Dünndarm waren in Ordnung und eine Diagnose des Schließmuskels wurde vorgelegt. Am 23. August 1995 wurde er wiederum operiert, weil er Abszesse im Beckenbereich und Unterleib hatte, und man legte ihm einen künstlichen Darmausgang. Die Ärzte erwarteten eine sehr kurze und rasche Verschlechterung bei Mr. Sebold. Der Tumor war schon sehr weit fortgeschritten und hatte sich schon in zwei Bereichen der Bauchhöhle ausgebreitet. Der Patient hat darauf hin keine Therapie in Anspruch genommen. Die zwei hauptverantwortlichen Ärzte, die auch Mr. Sebold operiert hatten, gaben uns ihre Berichte, in denen sie uns mitteilten, dass die Genesung von Mr. Sebold ungewöhnlich und unerwartet war. Ein Arzt in Rom, der auch Mitglied der Kommission für die Ärzte innerhalb der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse ist, untersuchte den Fall und sagte, dass es wert sei, ihn zu untersuchen, weil der Patient so schlechte Heilungsaussichten hatte und er immer noch lebt und es ihm scheinbar gut geht.
Frage: Inwieweit beeinflusst das Wunder den Seligsprechungsprozess?
Antwort: Ohne ein Wunder haben wir keinen Seligsprechungsprozess. Wenn Pater Engelmar für würdig befunden wird, brauchen wir ein Wunder, um ihn selig zu sprechen. Und dann noch ein weiteres, um ihn heilig zu sprechen.
Frage: Was für Schritte folgen nun?
Antwort: Im April 2005 werden wir die Positio Super Virtutibus einreichen. Dann haben wir darauf zu warten, dass die Kommission den Fall untersucht. Wir wissen nicht, wie viel Zeit dies in Anspruch nehmen wird, weil es noch eine Wartelis­te gibt mit anderen Fällen, die ebenfalls untersucht und diskutiert werden müssen. Wenn wir dann einmal an der Reihe sind, wird die Kommission den Fall untersuchen und schauen, ob Pater Engelmar sein Leben in heroischer Art und Weise gelebt hat. Falls er dies tat, wird er für würdig befunden. Falls er würdig ist, wird man sich mit dem Wunder beschäftigen. Die Tatsache, dass wir schon ein Wunder haben und die Untersuchungen darüber schon stattfanden, wird die ganze Sache beschleunigen.

Bischof Dr. Friedhelm Hofmann würdigt vorbildliches Leben Im KZ Dachau infolge der Pflege von Typhuskranken gestorben

Text: Markus Hauck (POW)

Pater Dr. Hubert Wendl von den Mariannhiller Missionaren hat Bischof Dr. Friedhelm Hofmann die sogenannte Positio für den Seligsprechungsprozess von Mariannhillerpater Engelmar Unzeitig (1911-1945) im Bischofshaus überreicht. Anwesend war dabei Offizial Domkapitular Monsignore Dr. Stefan Rambacher, Bischöflicher Delegat für das Verfahren zur Prüfung des Martyriums von Unzeitig. „Wir hoffen, dass Unzeitig bald als Märtyrer zu den Seligen erhoben wird“, sagte Provinzial Wendl. Bischof Hofmann brachte seine große Freude und Dankbarkeit zum Ausdruck.

Bei der Positio handelt es sich um die Dokumentation für das weitere Verfahren im Seligsprechungsprozess. Diese wird der Theologenkommission der römischen Selig- und Heiligsprechungskongregation zeitnah vorgelegt. Dann erfolgt eine Begutachtung durch die Kardinäle und Bischöfe der Kongregation. Bei einem zu erwartenden positiven Votum dieses Kollegiums wird Papst Franziskus ein entsprechendes Dekret für die Seligsprechung erlassen.

Das Hauptverfahren für den Pater, der am 2. März 1945 infolge der freiwilligen Pflege von Typhuskranken im Konzentrationslager Dachau starb, wurde durch Bischof Dr. Paul-Werner Scheele am 26. Juli 1991 als Bekennerprozess eröffnet.

Im Jahr 2009 erkannte Papst Benedikt XVI. Unzeitig den heroischen Tugendgrad zu und erklärte ihn zum verehrungswürdigen Diener Gottes. Im September 2011 eröffnete Bischof Hofmann im Beisein von Mariannhiller-Provinzial Wendl und des diözesanen Postulators Pater Wolfgang Zürrlein ein zusätzliches Verfahren zur Prüfung des Martyriums Unzeitigs. Abgeschlossen wurde dieses vonseiten der Diözese im Mai 2012 und zur Prüfung der römischen Selig- und Heiligsprechungskongregation übergeben.

Pater Engelmar Unzeitig wurde als Hubert Unzeitig am 1. März 1911 in Greifendorf in Ostmähren geboren. Am 18. April 1928 begann er seine Ausbildung an der Mariannhiller Schule in Reimlingen und konnte im April 1934 sein Abitur ablegen. Noch im gleichen Monat begann er im Missionshaus St. Paul in den Niederlanden sein Noviziat und erhielt den Namen Frater Engelmar.In Würzburg studierte er Philosophie und Theologie und empfing 1939 die Priesterweihe. Danach wirkte er als Pfarrer in Glöckelberg im Böhmerwald. Weil er im Religionsunterricht und in seinen Predigten gegen die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten protestierte, wurde er 1941 durch die Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Freiwillig meldete er sich dort 1944 zur Pflege von Flecktyphus-Kranken. Hunderten von Todkranken spendete er die Sakramente. Mitgefangene rettete er vor dem Hungertod, indem er ihnen von seiner Essensration gab. Mithäftlinge bezeichneten ihn als „Engel von Dachau“. Unzeitig starb am 2. März 1945 an Flecktyphus. Seine Asche wurde aus dem Konzentrationslager geschmuggelt und auf dem Würzburger Hauptfriedhof beigesetzt. Seit 1968 ist die Urne in einer Seitenkapelle der Mariannhiller Herz-Jesu-Kirche in Würzburg bestattet.

Pater Engelmar Hubert Unzeitig (1911-1945) – Der Engel von Dachau – Blutzeuge der Nächstenliebe

Text von Pater Adalbert Balling CMM

Versäume nicht, den Spuren der Heiligen und Guten zu folgen! So schrieb einst Thomas von Aquin an seinen Mitbruder Frater Johannes, der sich anschickte, Theologie zu studieren. Den Spuren der Heiligen und Guten folgen. Richtig! Aber welchen Heiligen? Welchen Guten? – Nach Meinung der Kirche gibt es „ein Heer von Millionen und Abermillionen stiller Heiliger in der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche“, schreibt Kirchenrechtsprofessor Dr. Winfried Schulz. Wenn die Kirche – via eines vorausgegangenen „Prozesses“ ermittelt, Erkundigungen einzieht und schließlich die Selig- beziehungsweise Heiligsprechung einer bestimmten Person vornimmt, dann soll damit unter anderem auch auf den besonderen Zeugnischarakter des oder der Betreffenden verwiesen werden.

Für Pater Engelmar Hubert Unzeitig wurde am 26. Juli 1991 das „Diözesane Erhebungsverfahren“ (sprich: Einleitung zur Selig- und Heiligsprechung) von Bischof Paul-Werner Scheele, Würzburg, eröffnet. Der unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefundenen konstituierenden Sitzung ging eine kurze Andacht in der Krypta der Herz-Jesu-Kirche in Würzburg voraus, an der nicht nur die Mariannhiller Missionare teilnahmen, sondern auch nahe Verwandte Pater Engelmars sowie ehemalige Mithäftlinge der Priesterbaracke in Dachau.

Weitere wichtige Schritte Richtung Seligsprechung wurden im Laufe der letzten 25 Jahre in Rom getätigt, zuletzt unter Leitung des Postulators Dr. Andrea Ambrosi.

Pater Engelmar hat viele Spuren der Liebe hinterlassen. Er hat Zeugnis abgelegt; er hat Wegzeichen gesetzt – vor allem während der letzten Wochen und Monate seines relativ kurzen, aber heroischen Lebens im Konzentrationslager Dachau. Dort ist er den Tod eines Märtyrers der Nächstenliebe gestorben.

Dass wir relativ gut über sein Leben und Wirken in Dachau unterrichtet sind, verdanken wir den über 70 Briefen, die er aus dem KZ geschrieben hat und die uns erhalten geblieben sind – sowie den detaillierten Berichten ehemaliger Mithäftlinge im sogenannten Priesterblock des Lagers, von denen ich rund sechs Dutzend persönlich kennenlernen durfte, vorwiegend auf einem ihrer alle zwei Jahre stattfindenden Ehemaligen-Treffen – 1979 in Freiburg. Sie alle bezeugten: Pater Engelmar war mit 34 Jahren freiwillig in die Todesbaracke von Dachau gegangen, pflegte dort vor allem ukrainische und russische Häftlinge, die an Typhus erkrankt waren, um die sich die SS-Lagerleitung nicht mehr kümmerte.

Pater Engelmar spendete den Todkranken, wenn erwünscht, die Sakramente und wurde schließlich selbst Opfer dieser tückischen Seuche.

Die äußeren Lebensdaten von Hubert Unzeitig sind rasch erzählt: Er wurde am 1. März 1911 in Greifendorf im mährischen Schönhengstgau (Tschechien) geboren – als einziger Junge unter vier Mädchen. Der Vater, Landwirt von Beruf, starb 1916 in russischer Gefangenschaft, wahrscheinlich an Typhus.

Als 17jähriger meldete sich Hubert (sein Taufname) im Spätberufenen-Seminar der Missionare von Mariannhill in Reimlingen/Diözese Augsburg, machte 1934 das Abitur und ging anschließend ins Noviziat – im holländischen St. Paul bei Arcen/Venlo. Hier erhielt er den Ordensnamen Frater/Pater Engelmar. Philosophie und Theologie studierte er in Würzburg, wo er im August 1939 von Bischof Matthias Ehrenfried zum Priester geweiht wurde. Noch während seines Primizurlaubs in seiner Heimatgemeinde Greifendorf in Mähren brach der Zweite Weltkrieg aus.

Pater Engelmar wirkte vorübergehend in Riedegg bei Linz/Österreich und übernahm im Herbst 1940 die Seelsorgestelle Glöckelberg im Böhmerwald/Tschechien. Ein halbes Jahr später wurde er „wegen heimtückischen Äußerungen und Verteidigung der Juden“ angezeigt und (am 21. April 1941) von zwei Gestapoleuten abgeführt. Es folgten sechs Wochen Untersuchungshaft in Linz/Donau; dann wurde er (am 3. Juni 1941) in das Konzentrationslager Dachau „überstellt“. Damit begann der leidvolle Weg seines jungen Priesterlebens; er war erst 3o Jahre alt – und noch keine zwei Jahre Priester.

„Das größte Kloster der Welt“

Was im KZ auf ihn wartete, war hart, unmenschlich, widerlich, mitunter satanisch: Sträflingskleidung, Holzschuhe, Hungerkost, seelischer Terror, Zwangsarbeit bei Sommerhitze wie Winterkälte und steter militärischer Drill. Mensch war dort keiner mehr, nicht in den Augen der SS; nur noch Nummer. Pater Engelmar trug die Lagernummer 26.147. Dass er sich trotz schrecklicher Schikanen mühte, auch religiös durchzuhalten, vermerkte er bereits in einem seiner ersten Briefe aus dem KZ: „Ich suche die Zeit hier so gut als möglich auszunützen für die seelische und religiöse Vervollkommnung. Nicht an letzter Stelle stehen auf meinem Programm Gebet und Sühne.“

Jesuitenpater Lenz, ehemaliger KZ-Häftling und mit Pater Engelmar befreundet, nannte Dachau einmal das „größte Kloster der Welt“. Fast 3.000 Priester lebten und litten dort zeitweise auf engstem Raum. Sie waren in zwei Baracken untergebracht; die deutschsprachigen Priesterhäftlinge auf Block 26, die Mehrzahl der polnischen Geistlichen im Block nebenan, auf 28. Seit Anfang 1941 gab es in der deutschen Priesterbaracke eine „Lagerkapelle“.

Für Pater Engelmar und viele Mithäftlinge (unter ihnen auch der aus der Diözese Würzburg 2012 seliggesprochene Pfarrer Georg Häfner sowie Diakon Karl Leisner, der im Dezember 1944 heimlich im Dachauer Lager zum Priester geweiht wurde) war die KZ-Haft nicht nur ein Leidensweg, sondern auch eine Schule des Gebetes. Einer der ehemaligen Priester-Häftlinge meinte später mit Recht, die eigentliche Gnade dieser Jahre sei es gewesen, in Dachau Gott intensiver gesucht zu haben.

Ab April 1942 arbeitete Pater Engelmar auf der Plantage, einem Gelände, das viele Hektar umfasste und größtenteils aus Gewürzgärten und Versuchsfelder bestand. Zu Hunderten rutschten die Häftlinge auf den Knien, jäteten Unkraut und krochen in pestartig stinkenden Wassergräben herum, ohne jeden Schutz vor der Witterung – noch vor den Kapos (Häftlings-Vorarbeiter), die sie oft wie Vieh misshandelten.

Hans Brantzen, der mit Pater Engelmar auf der Plantage arbeitete, äußerte sich später über den Mariannhiller Pater in bewegenden Worten: „Es waren furchtbare Monate. Wir mussten Schubkarren schieben und Beete ausheben; wir saßen bei Regen und Sturm auf Pikierbeeten, Unzeitig und ich, oft zusammen. Ohne ein falsches Loblied singen zu müssen, darf ich beteuern: Er war immer der Gleiche; wenn andere klagten und heimdachten an die guten alten Tage, schaute er nach oben zum Vater. Und es half! Hauptpunkte seines feinen Charakters waren Bescheidenheit, Ruhe und Verträglichkeit in der Enge des Blocks. All das ließ ihn nicht auffallen. Was auffiel, war seine Güte, wenn er bei den Mitbrüdern für andere arme Häftlinge bettelte… – Wenn wir von der harten Arbeit zurückkamen, um unseren Schlag Steckrüben oder anderes (KZ-Essen) zu fassen, sah man ihn in die Kapelle gehen, bevor er die Stube betrat. Abends war Unzeitig stets für Minuten in der Kapelle zu sehen. Desgleichen vor jedem Antreten. Mit größtem Heroismus blieb er stets gleich hilfsbereit und still…“

In einem Brief vom 15. Dezember 1941 schrieb Pater Engelmar an seine Lieben zu Hause: „Was vielleicht manchmal als Unglück erscheint, ist oft das größte Glück. Wie vieles lernt der Mensch erst durch die Erfahrung in der Schule des Lebens!“ – Ein paar Monate später: „Hoffen wir, dass Getreide und Obst doch noch in etwa gute Ernten einbringen, damit das Hungergespenst nicht wieder beschworen werde und sich Gott auch derer wieder erbarme, die bei jedem Bissen Brot auf den guten Willen anderer angewiesen sind.“ – Das war eine wenngleich verschlüsselte, doch unüberhörbare Nachricht vom eigenen Schicksal und der eigenen Mutlosigkeit im Hungerjahr 1942, das die Dachauer KZ-Häftlinge besonders stark getroffen hatte.

Seelsorge für russische Mithäftlinge

Im Herbst 1942 wurde es den Häftlingen erlaubt, sich Pakete (auch mit Esswaren) von zu Hause schicken zu lassen. Das rettete vielen das Leben.

Pater Engelmar arbeitete jetzt in der Messerschmitt-Abteilung des Lagers. Hier sollen unter anderem auch Teile für die berühmt-berüchtigte V2-Raketen gefertigt worden sein. Hier hatte er enge Kontakte zu vielen Häftlingen aus der Sowjetunion. Hans Brantzen schreibt: „Hier erlebten wir bei Pater Engelmar ein Ereignis besonderer Prägung, bei dem seine Hilfsbereitschaft für religiös suchende Menschen besonders zum Ausdruck kam. Ein russischer Familienvater, Peter mit Namen, musste uns in die Anfänge der Technik einführen. Peter entpuppte sich als ein schlichter, aber geistig reifer Mensch. Und so begannen bald Gespräche um Gott in den langen Nächten; es waren Nikodemusstunden ganz besonderer Art. Pater Unzeitig nahm sich dieses Suchenden an. Die beiden trafen sich heimlich auch außerhalb der Arbeitszeit (es wurde in Schichten gearbeitet!) oft zu Zwiegesprächen. Um sich besser mit Peter verständigen zu können, lernte Pater Unzeitig fleißig Russisch. Aber in Peter blieb eine letzte Unsicherheit, ein letztes Bangen…“

Als Peter später erfuhr, Pater Engelmar habe sich freiwillig in die Typhusbaracke gemeldet, war er zutiefst beeindruckt. Brantzen dazu: „Der Tod seines Missionars erschütterte ihn (Peter) fürchterlich. Er verehrte Unzeitig wie einen Heiligen.“

Pater Engelmar äußerte im Lager wiederholt die Hoffnung, nach dem Krieg als Missionar im Osten (Russland) tätig werden zu wollen. „Überhaupt bestimmte der Missionsberuf sein Handeln“, schrieb Josef Witthaut, ebenfalls ehemaliger Mithäftling Unzeitigs in Dachau: „Er schien immer nur daran zu denken, wie er anderen helfen könne, sich selbst sah er zuletzt. Wenn von daheim ein Paket kam, hatte er stets Bekannte, denen er helfen musste. Auch vielen Confratres war bekannt, dass Unzeitig immer wusste, wo es Hunger zu stillen gab. So ging manche Gabe durch seine Hand weiter an Zivilhäftlinge, von denen er sehr viele infolge seiner langen Haftzeit kannte und die durch ihn Hilfe fanden…“

Einen russischen Ingenieur (und hohen Parteifunktionär, wie sich nach dem Krieg herausstellte) brachte Pater Engelmar wieder zum Glauben zurück. – Einen ähnlich tiefen Eindruck muss er auf einen deutschen SS-Mann gemacht haben. Augenzeugen zufolge verstand er sich so gut mit ihm, dass der SS-Mann kaum mehr eine private Entscheidung traf, ohne vorher den Pater zu konsultieren.

In den letzten Dezemberwochen 1944 spitzte sich die Lage in Dachau dramatisch zu. Eine Flecktyphus-Epidemie erfasste mehrere Baracken. Tausende Häftlinge, vor allem aus der Sowjetunion, wurden dahingerafft. Die Erkrankten lagen oft tagelang im Delirium, stöhnten, schrien, verfielen dem Wahnsinn; sie waren über und über mit Läusen und Flöhen, den Überträgern dieser Krankheit, bedeckt. Wegen der direkten Ansteckungsgefahr war kaum jemand bereit, dort einen Pflegeposten zu übernehmen. Die SS ließ sich ohnehin in diesen Baracken nicht mehr sehen, sie forderte aber die beiden Priesterblocks auf, den deutschen und den polnischen, je zehn Geistliche zur Pflege der Typhuskranken zur Verfügung zu stellen.

Pater Engelmar war einer der ersten, die willens waren, die Todgeweihten zu pflegen. Er hatte sich übrigens schon Wochen vorher halbheimlich dort als „Blockschreiber“ anstellen lassen, mit dem Hintergedanken, so den Erkrankten auch seelsorgerlich näher sein zu können.

Ein letzter Liebesdienst

Diese Entscheidung, sich für die Typhuskranken zur Verfügung zu stellen, war (diesbezüglich stimmten alle ehemaligen Mithäftlinge überein) Pater Engelmars ganz persönliche und sehr heroische Tat. Hier liegt auch die Parallele zu Maximilian Kolbe am nächsten. Mehrere ehemalige Häftlinge nannten Pater Engelmar nicht nur den „Engel von Dachau“, sondern auch den „Maximilian Kolbe der Deutschen“. Bei beiden Vergleichen handelte es sich um die Bereitschaft, aus Nächstenliebe den eigenen Tod hintanzustellen. Pfarrer Josef Wittmann bestätigte dies: „Von Pater Unzeitig weiß ich als Bettnachbar, dass er sich bei seiner (freiwilligen) Meldung für die Typhusbaracke der Schwere der Entscheidung sehr wohl bewusst war.“

Mit ihrem Einzug in die Typhusbaracke entfalteten die 20 katholischen Geistlichen, neben der Krankenpflege, auch eine rege pastorale Tätigkeit. „Wer wollte, konnte beichten, kommunizieren und die heilige Ölung empfangen“, schrieb Pater Sales Hess (Münsterschwarzach) später in seinem Buch „Dachau – eine Welt ohne Gott“. Von Jesuitenpater Lenz liegt uns ein langer, detaillierter Bericht über die letzten Tage des Mariannhiller Missionars vor. Daraus ein paar Zeilen: „Pater Engelmar war ein Mann, der kein Opfer scheute. Eines Mittags wurde ich ans Fenster gerufen; er (Pater Engelmar) hatte geklopft. Er war heiter – bei allem tödlichen Ernst der Lage. Das Glück seines priesterlichen Wirkens sprach aus seinem edlen, feingeschnittenen Antlitz. Einige Tage später ließ er mich abermals rufen… Aber sein Gesicht ließ mich diesmal erschrecken. Von hohem Fieber glänzten seine Augen, und die eingefallenen Wangen zeigten scharf geränderte rote Flecken. Etwas gekrümmt, stand er da, geschüttelt von Fieberfrost; es war noch Winter, etwa um den 20. Februar 1945. Meine Mahnung zur Vorsicht beantwortete er mit einem freundlichen Lächeln. Er schien nicht zu ahnen, dass der Tod ihn bereits unwiderruflich festhielt. Er wollte ja noch vielen helfen, und viele warteten auf seine Hilfe. An sich selbst jedoch dachte er nicht.“

Beide, Unzeitig und Lenz, hatten übrigens in Dachau herausgefunden, dass sie noch etwas anderes miteinander verband: Je eine ihrer leiblichen Schwestern waren damals bereits Mitglieder der Mariannhiller Missionsschwestern vom Kostbaren Blut in Wernberg, Kärnten. Pater Lenz gehörte übrigens zu den zehn deutschsprachigen Geistlichen, die sich freiwillig gemeldet hatten; er überlebte die Typhusbaracke des Dachauer KZs als einziger Pfleger aus der deutschen Priestergruppe. Er hatte das Glück, rechtzeitig geimpft zu werden, noch bevor die entsprechenden Sera im Lager völlig aufgebraucht waren.

Zehn Tage nach der letzten Begegnung mit Pater Lenz erlag Pater Engelmar dem Flecktyphus: Am 2. März 1945, um 7.20 Uhr. Sein undatierter (wahrscheinlich letzter) Brief aus Dachau gleicht einem Vermächtnis; adressiert hatte er ihn an Sr. Adelhilde Unzeitig CPS, Kloster Wernberg bei Villach, Kärnten. Wir zitieren: „Liebe verdoppelt die Kräfte; sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh. Es ist wirklich in keines Menschen Herz gedrungen, was Gott für diejenigen bereithält, die ihn lieben.“

Letzte Ruhestätte

Pfarrer Richard Schneider, Mithäftling Pater Unzeitigs, sorgte dafür, dass der Leichnam des Verstorbenen einzeln verbrannt wurde – heimlich und nachts durch den Kapo des Krematoriums, den Schneider aus seiner früheren Pfarrei persönliche kannte. Er, Schneider, war es auch, der die Asche aus dem KZ herausschmuggelte; Leo Pfanzer (aus Höchberg bei Würzburg, damals bei der Baywa in Dachau tätig) übernahm den Weitertransport zu den Missionaren von Mariannhill nach Würzburg, wo sie am Karfreitag 1945 auf dem Städtischen Zentralfriedhof beigesetzt wurde.

1968 erfolgte die feierliche Urnenübertragung in die Mariannhiller Herz-Jesu-Kirche in Würzburg. Damals meinte einer der anwesenden Priester: „Wir sollten nicht länger für Pater Engelmar beten, sondern zu ihm!“

Am 21. Juni 2008 fand heuer bei Sonnenschein und warmem Wetter zum zehnten Mal die Wallfahrt nach Glöckelberg statt: Pater Provinzial begrüßte die Teilnehmer/innen am Grenzübergang Sonnenwald. 110 Pilger nahmen an der Fußwallfahrt teil. Einige kamen sogar aus Südafrika und Belgien, Mitbrüder der Deutschen Provinz, die Nichten von Pater Engelmar aus Deutschland sowie aus Vorarlberg. Bruder Franziskus Pühringer gestaltete drei Stationen mit den Themen: Vertrauen, Leben aus dem Glauben (anhand des Lebensbeispieles von Franz Jägerstätter und Pater Engelmar) sowie Weltoffenheit und missionarische Weite.
Zur Eucharistiefeier in der Kirche waren sogar 200 Personen anwesend. Musikalisch wurde der Gottesdienst von einer Gruppe der Gallus-Singers aus Gallneukirchen mit flotten rhythmischen Liedern umrahmt. Hauptzelebrant und Prediger war Pater Tony Gathen aus Riedegg. Pater Markus Bucher, Pater Johannes Kriech, Pater Franz Hrouda und Pater Winfried Egler konzelebrierten. Auch der Bayerische Rundfunk war anwesend und hat die gesamte Messe aufgenommen, um einen Film über Pater Engelmar zu drehen. 
Einige Gedanken aus der Predigt: „Ich nehme an, wir sind uns alle einig darüber, dass eine Gedenkfeier für Pater Engelmar nicht nur eine nostalgische Übung, sondern immer wieder eine neue Herausforderung ist, unser eigenes Gewissen zu erforschen.
Fast ist man versucht, wenn man diese Worte von Pater Engelmar hört, den harten Hintergrund des Lebens oder Überlebens im KZ zu vergessen. Vielleicht kommen sie einem etwas weltfremd vor. Aber gerade in seinem Leben, im grausamen Alltag des KZ empfand Pater Engelmar den Trost und die Freude seines Glaubens. Und gerade diesen Glauben wollte er ja verkünden.
Er war Mariannhiller geworden, weil er als Missionar in die Welt hinausgehen wollte. Und nun wirkte er als Missionar im KZ und konnte anderen den Trost des Glaubens und die Freude an Gott weitergeben. Ja, es gelang ihm, selbst in Dachau missionarisch tätig zu werden. Er hat am eigenen Leib erfahren, dass das Evangelium nicht zu fesseln ist, sondern dass es uns befreien kann.
Pater Engelmar sah nicht nur die eigene Not, sondern auch die der anderen. Er bleib in seiner missionarischen Sichtweise nicht bei sich stehen. Am 2. März 1945 starb er, nachdem er sich bei der Pflege in den Typhus-Baracken selbst mit der tödlichen Krankheit angesteckt hatte.
Es gibt viele Situationen, die uns immer wieder fragen lassen: „Warum lässt Gott das zu?“ Eine Frage, auf die es keine andere Antwort gibt, als im Glauben. Auch in unserer Zeit des Wohlstands und des Profitstrebens müssen wir uns bemühen, die Gleichgültigkeit und Vergnügungssucht zu überwinden. Der Glaube kann wieder Ordnung in unsere Herzen bringen. Auch wenn die gefesselt bin in verschiedensten Abhängigkeiten, so bleibt das Wort Gottes doch frei und hat die Kraft, Fesseln zu lösen – eine Freiheit, die auch uns im Alltag tragen kann. Denn „Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh“, um mit einem Satz von Pater Engelmar Unzeitig zu schließen. 

In einem seiner Briefe aus Dachau schreibt Pater Engelmar: Es erschüttert einen oft, wenn man sieht und hört, wie die Menschen, die man trifft, trotz der Heimsuchungen, mit denen Gott an ihr Herz anklopft und sie vom Seelenschlaf aufwecken will, weiter verstockt und verblendet dahinleben und eher verstockter und verbitterter werden. Andererseits erkennt man immer wieder, wie nach den Lehren unserer heiligen Religion, all die Rätsel und Schwierigkeiten, die anderen so zu schaffen machen, so schön gelöst werden, und soviel Trost und Freude zuteil wird.

Pater Franz Hrouda CMM

Von Adalbert Ludwig Balling CMM

Jetzt, nachdem die Seligsprechung Pater Engelmar Unzeitigs feststeht, kommen immer häufiger Anfragen, seine Person, die Umstände seiner Verhaftung und seines Sterbens betreffend, aber auch, wie es mir gelungen sei, seine Biografie zu schreiben, ohne ihn näher gekannt zu haben. Vor allem wird meine große Biographie „Eine Spur der Liebe hinterlassen“ (Verlag Mariannhill Würzburg 1984) hinterfragt, etwa wieweit das dort Recherchierte denn auch als echte Information zu betrachten sei.

Zunächst und vorweg: Ich bin Mitglied der Missionare von Mariannhill, der gleichen Gemeinschaft, der auch Pater Engelmar angehörte. Also gewissermaßen Mitbrüder ein und derselben Ordensfamilie. Ich habe noch mehrere seiner Studienkameraden getroffen, mehrere seiner Lehrer und Ordensoberen und alle vier seiner leiblichen Schwestern.

Hinzu kommt, dass es mir gelang, rund 70 ehemalige KZ-Priester, die mit Pater Engelmar die sogenannte Priesterbaracke im KZ Dachau teilten, kennenzulernen, zu interviewen und über ihr Verhältnis zu Pater Engelmar zu befragen. 30-40 von ihnen äußerten sich mir gegenüber in persönlichen Gesprächen bzw. später übers Telefon oder in Briefen. In längerem Kontakt, über viele Jahre hin, stand ich mit den ehemaligen KZ-Kameraden, den Priestern Josef Albinger, Fulda; Heinz Römer, Neustadt a. d. Weinstraße; Emil Kiesel, Geißlingen/Waldshut; Richard Schneider, Buchen und Pater Clemente Pereira SJ, Bad Godesberg.

Weitere wichtige Informanten waren die Geistlichen Hermann Scheipers, Münster; Hermann Dümig, Würzburg und Jesuitenpater Johannes Maria Lenz. Hinzu kamen Informationen von zahlreichen Laien, die über das Leben in den KZs geschrieben hatten sowie die Patres, die Engelmar Hubert Unzeitig schon vor seiner Inhaftierung persönlich gekannt hatten, z. B. Gebhard Lehle, Helmut Hartmann, Ansbert Bieberle und Otto Heberling. Besonders ergiebig waren die Gespräche mit Pater Engelmars vier Schwestern, zwei waren Mariannhiller Missionsschwestern vom Kostbaren Blut (CPS), zwei lebten nach der Vertreibung aus ihrer mährischen Heimat nach dem 2. Weltkrieg mit ihren Familien in der Nähe von Stuttgart. – Von einer der beiden Klosterfrauen, Schwester Huberta, habe ich sehr viel erfahren über die Familie Unzeitig, Persönliches über ihren Bruder Engelmar-Hubert und vor allem erste Hinweise darüber, dass seine Briefe aus dem KZ mit der vertriebenen/geflüchteten Familie in den Westen gerettet wurden. Die Originale waren von ihr dem inzwischen in Rom verstorbenen Pater Timotheus Kempf übergeben und nicht mehr zurückgegeben worden. Es kostete mich ein halbes Jahr, bis diese Briefe mit viel Mühe und Geduld wieder gefunden wurden. Veröffentlich wurden sie unter dem Titel „Liebe verdoppelt die Kräfte“ – mit einem Vorwort von Bischof Paul-Werner Scheele, Würzburg, und gehören zum Wertvollsten, was wir heute von Pater Engelmar haben, neben seinem Primiz-Kelch und einem viel benutzten Volkslexikon – alles aufbewahrt im Archiv der Mariannhiller in Rom.

Wie kam es zur Verhaftung

Seit Mitte der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts standen viele kirchliche Einrichtungen und Klöster im Focus nationalsozialistischer Angriffe. Den Missionsorden warf man Devisenschmuggel vor, zum Beispiel auch dem Generalsuperior der Mariannhiller, Pater Reginald Weinmann. Es war alles andere als Schmuggel; es handelte sich allenfalls um Überweisungen von Missionsspenden an die Missionare vor Ort. (Vgl. Doktorarbeit von Pater Hubert Wendl CMM, Universität Würzburg)

Alle Presseorgane der Kirche, der Orden, der katholischen Vereine wurden zensiert und behindert – oder ganz verboten. Wer sich kritisch über Hitler und das Dritte Reich äußerte, lief Gefahr, wenn angeklagt, vor Gericht gestellt und ins KZ „überstellt“ bzw. direkt zum Tod verurteilt zu werden.

PS: Pater Moduald Stiegler CMM wurde z. B. 1944 zum Tode verurteilt, weil er Hirtenbriefe der katholischen Bischöfe unter die Gläubigen verteilt hatte. Da es gegen Kriegsende war, wurde der Pater zur „Frontbewährung begnadet“ und an die vorderste Ostfront geschickt. So überlebte er beides, Todesurteil und Krieg.

Begründet wurde Pater Engelmars Verhaftung mit dem Vorwurf, er stelle Christus, den König, über den Führer, spreche allen Menschen, auch Zigeunern und Juden, gleiche Rechte zu, und weil er sich weigere Hitler mehr zu gehorchen als den Vorschriften Gottes und der Kirche.

Einmal in U-Haft, im Falle Engelmar Unzeitig war es Linz a. d. Donau, war es kaum möglich, wieder entlassen zu werden; das Ansehen der Parteigänger in Glöckelberg (Böhmen), von wo man ihn verhaftete, stand auf dem Spiel. Bis Pater Engelmar dann in Dachau eintraf, waren sechs Wochen vergangen. Da wurden keine weiteren Anstrengungen unternommen, ihn wieder frei zu bekommen.

In der Hölle von Dachau reifte er auch religiös zur Persönlichkeit

Vier von sechs Priesterjahren in der „Hölle von Dachau“ verbringen zu müssen, war auch für Pater Engelmar eine außergewöhnliche Leistung; nur noch als Nummer zu gelten; keinerlei persönlichen Rechte zu besitzen und Demütigungen über Demütigungen ertragen zu müssen – das forderte innere Stärke und Halt. Zudem: Hunger ohne Ende, Schwerstarbeit in der Plantage, Sklavenarbeit und Knechtung, totale Trennung von seinen Lieben und von seiner Gemeinschaft (nur ein Brief pro Monat war an eine Person erlaubt) – das war mehr als ein normaler Mensch auf sich nehmen kann. Hinzu kam bei Pater Engelmar (und den anderen Geistlichen in der Priesterbaracke): Es war ihnen streng verboten, als Priester zu wirken; das war nur heimlich möglich – und im Wissen, wenn erwischt, schwer bestraft oder gar zum Tod verurteilt zu werden.

Der Aufenthalt im KZ Dachau wurde für Pater Engelmar zur Bewährungsprobe – auch als katholischer Priester. Hier reifte er zu einer Größe, die man in so jungen Jahren selten erreicht. Das beweisen seine Briefe aus dem KZ mit fast jeder Zeile. Die Reife, die aus seinen Zeilen spricht, die seelische Abgeklärtheit und seine klare Sicht der Dinge, aber auch sein Schreibstil und seine Übersicht und Gewandtheit, wenn es darum ging, zu klären, was man schreiben darf und was nicht, wenn man weiß, dass jede Zeile die Lager-Zensur passieren muss – all das beweist einmal mehr, wie stark der 30jährige in diesen vier Jahren rundum gewachsen und gereift ist.

Nicht die persönliche „Verfolgung“ Pater Engelmars im KZ war gefährlich, sondern die allgemeine Notlage schier aller Häftlinge, ganz besonders im Hungerjahr 1942. Ferner gab es beinahe täglich Situationen, die gefährlich oder fast tödliche Folgen haben konnten. Der KZ-Alltag war schrecklich; eine Qual für alle, inhuman von früh bis abends. Die körperlichen Strapazen in der Plantage oder das Schneeschaufeln im Winter bzw. das Schleppen von schweren Esskübeln war in sich schon eine Tortur, vergleichbar mit dem Frondienst antiker Sklavenheere. Dennoch bemühte sich Pater Engelmar täglich neu, diesen KZ-Alltag in Einklang mit Gott zu verbringen. Man sah ihn auch tagsüber immer wieder mal in der Lagerkapelle. Seine ausgeprägte Liebe und Fürsorge im KZ-Alltag galt allerdings den misshandelten russischen und ukrainischen Häftlingen, den Kranken, den vom Flecktyphus befallenen Gefangenen sowie allen Hungernden innerhalb des Lagers. Nicht nur, was er gelegentlich von zu Hause an Esswaren per Päckchen geschickt bekam, auch die kargen KZ-Rationen teilte er häufig mit ihnen. Das haben mir mehrere KZ-Priester berichtet.

Pater Engelmar blieb stets freundlich, korrekt und nachsichtig. Nie kam ein böses Wort über seine Lippen gegen jene, die seine Verhaftung verursacht hatten, aber auch nicht gegen die KZ-Beamten oder Kapos. Öffentlich den Glauben zu bekennen war weder in der U-Haft noch im Lager möglich. Wohl stand Pater Engelmar stets zur Lehre der Kirche und zur Botschaft Jesu. Als Lagerdekan Schelling, ein Vorarlberger, die Erlaubnis bekam, tägliche eine heilige Messe zu feiern, war Pater Engelmar immer dabei – unauffällig, sich bescheiden zurückhaltend. Ängste quälten auch ihn, wie alle Häftlinge: Besonders die Ungewissheit über das Morgen; die Sorge um seine Lieben zu Hause sowie um seine Mitbrüder in Deutschland und Österreich. Willkür und Brutalität mancher SS-Leute und Kapos schürten solche Ängste täglich neu – rund um die Uhr.

Noch immer hoffte Pater Engelmar wie viele seiner Mithäftlinge, vielleicht würde man ihn am Ende doch noch entlassen. Sein Tagesablauf und seine Behandlung im KZ unterschied sich nicht von der Verhaltensweise der SS und ihrer Helfershelfer gegenüber anderen Häftlingen. Die Geistlichen hatten keine Sonderbehandlung – mit ganz wenigen Ausnahmen wie z. B. der evangelische Niemöller oder Pater Kentenich. Jeder Tag im KZ war eine Tortur. Von einem so feinfühligen, sensiblen und schüchternen Priester wie Pater Engelmar wurde dies sicher noch härter empfunden als von manchen anderen.

Heimliche Seelsorge bei den Ärmsten – Freiwillig in die Todesbaracke

Die ab Sommer 1944 leicht laxere Überprüfung der einzelnen Baracken durch die SS nützte Pater Engelmar und „schmuggelte sich selber“ in eine der sogenannten Typhusbaracken, wo vor allem russische und ukrainische Häftlinge untergebracht waren und zuhauf an Flecktyphus litten. Er half dort heimlich mit, verpflegte die Kranken und spendete, soweit möglich und angebracht, die Sterbesakramente. Alles streng geheim. Offiziell ließ er sich als Blockschreiber eintragen. Er tat dies schon Wochen (oder Monate) vor dem offiziellen Ersuchen der SS an Lagerdekan Schelling, je zehn deutsche und zehn polnische Priester für die Typhusbaracken zur Verfügung zu stellen. Es herrschten dort schreckliche Verhältnisse; SS und Kapos vermieden es immer häufiger, dort vorzusprechen – aus purer Angst, selbst angesteckt zu werden. – Pater Engelmar gehörte zu den zehn deutschen Freiwilligen aus der Priesterbaracke. Das war im Januar/Februar 1945.

Mit Sicherheit wusste Pater Engelmar um das Risiko, das er damit einging: Wer sich zur Pflege der Typhuskranken meldete, galt selber als Todeskandidat. Pater Engelmar ist bewusst und wohlwissend zu den Kranken gegangen, und er war sich dessen bewusst, dass die Befreiung durch amerikanische Soldaten kurz bevorstand. Das macht sein freiwilliges Martyrium noch wertvoller.

Laut Pater Lenz, ein Jesuitenpater aus Österreich, der als einziger aus der Zehnergruppe der deutschen Geistlichen, die überlebten und, wie Pater Engelmar auch eine leibliche Schwester in Wernberg, Kärnten, hatte, waren Engelmars letzte Worte: „Zur Rettung von Seelen würde ich weiter gerne Verbannung und alles andere ertragen.“

Zuvor hatte er an seine Schwester Marie in Greifendorf geschrieben: „Im Übrigen wollen wir weiter aus Gottes Hand annehmen, was er in Zukunft schicken wird, und ihm alles aufopfern mit der Bitte, er möge der schwer geprüften Menschheit recht bald den heißersehnten Frieden schenken.“ (28. Januar 1945) – Ferner schrieb er in einem Brief ohne Datum, vermutlich Anfang Februar an Schwester Adelhilde in Wernberg: „Liebe verdoppelt die Kräfte; sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh. Es ist in keines Menschen Herz gedrungen, was Gott für die bereit hält, die ihn lieben.“

Rein menschlich gesehen, wird man sagen müssen: Gewiss hatte Pater Engelmar auch Ängste auszustehen, wie jeder Mensch in einer ähnlichen Situation auch, aber sein Gottvertrauen war stärker als seine Ängste – und das beruhigte ihn. In keinem seiner Briefe steht auch nur ein böses Wort über seine Widersacher; kein Wort der Rache oder der Vergeltung! Das hätte seiner christlichen Überzeugung widersprochen …

In einem Schreiben von Pfarrer Josef Witthaut an Adelhilde-Regina Unzeitig, datiert auf den 21. September 1945, geht hervor: „Pater Engelmar wurde am 20. Februar 1945 in die offizielle Krankenbaracke (Revier genannt) eingeliefert; sterbenskrank. Vom Priesterblock aus versuchten einige Geistliche mit ihm Kontakt zu halten. Zeitweise hieß es sogar, er sei auf dem Weg zur Besserung. Doch dann kam ein Rückschlag, und er starb am 2. März 1945, wohl versehen mit den Sterbesakramenten, würdig aufgebahrt und eingesegnet; die ganze Kommunität hat ihm das Priester-Totenoffizium gehalten und ein feierliches Requiem aufgeopfert.“

Pater Engelmar starb im Dienste russischer und ukrainischer an Flecktyphus erkrankter KZ-Häftlinge. Dass er nach Dachau gekommen war, weil er die Lehre der Kirche und die Botschaft Jesu verteidigte, war den Mithäftlingen bekannt, auch denen aus dem Osten, mit denen er zeitweise in der Messerschmitt-Baracke arbeitete. Das bezeugte u. a. auch Prälat Albinger.

Ein Märtyrer der Nächstenliebe

Sowohl die Häftlinge der Priesterbaracke als auch die russischen und ukrainischen Häftlinge anderer Baracken waren überzeugt, dass Pater Engelmar „aus Liebe zum Glauben“ starb im Dienste christlicher Nächstenliebe. Wenn auch nicht mit denselben Worten, so äußerten sich doch alle, die ihn kannten, in ähnlichen Worten. Sogar russische Häftlinge! Sie nannten ihn ganz offen einen Heiligen; ihren heiligen Pater. Ein Russe namens Peter ließ sich sogar taufen, als er vom Sterben ,,seines Paters“ hörte. Pfarrer Richard Schneider wörtlich: „Ich sah in Pater Engelmar – wie alle Mitbrüder – einen Heiligen. Und weil ich ihn so schätzte, habe ich mich damals bemüht, seine Asche zu bekommen.“

Noch einmal: Ich habe unter den zirka 7o ehemaligen KZ-Priestern, die ich kennenlernte, keinen einzigen getroffen, der Pater Engelmar nicht geschätzt, nicht zuletzt als frommen und bescheidenen Mitbruder beschrieben hätte.

Nicht bei der Beisetzung von Pater Engelsmars (aus dem KZ herausgeschmuggelter) Asche am Karfreitag 1945 auf dem Würzburger Städtischen Friedhof wurde der Ruf nach Selig- und Heiligsprechung laut – das wäre viel zu gefährlich gewesen, weil alles streng geheim gehalten werden musste; denn noch waren die Nazis am Ruder, wenngleich die ersten amerikanischen Truppen bereits Teile des Ochsenfurter Gaus besetzt hatten. Wohl aber waren sich alle Anwesenden über das Martyrium Engelmars einig, als seine Asche am 20. November 1968 in die Herz-Jesu-Kirche des Piusseminars der Mariannhiller in Würzburg überführt und beigesetzt wurde. Mehrere ehemalige KZ-Priester waren anwesend: Albinger, Braun, Dümig, Hess, Landgraf, Langhans, Lösch, Römer, Schneider, Selhorst, Staudacher, Weiler, Weinmann, Weiß u. a. – Pater Dr. Sales Hess, Münsterschwarzach, sagte bei seiner Predigt: ,,Pater Engelmar war nicht irgendeiner von den fast 3 000 Geistlichen von Dachau, der in einer Welt ohne Gott sein Leben hingab für Christus; Pater Engelmar war ein Held der Caritas und ein Held apostolischen Eifers …“ – Ein anderer der anwesenden Geistlichen meinte nach der Aschenübertragung: ,,Wir sollten nicht länger für Pater Engelmar beten, sondern zu ihm!“

Ohne Abstriche, Pater Engelmar war ein Heiliger der Nächstenliebe; ein Vorbild, nicht nur für die Mitglieder der Missionare von Mariannhill, sondern europaweit für alle Gläubigen, besonders für die Menschen in der Dreiländerecke: Österreich, Deutschland und Tschechien. Er war ein Mann der Versöhnung und des Friedens, ein frommer und eifriger Seelsorger und ein glühender Missionar, der davon träumte, eines Tages in die Russland-Mission zu ziehen. Viele ehemalige Kameraden nennen ihn inzwischen den „Engel von Dachau“ bzw. den „Maximilian Kolbe der Deutschen“. Wir bleiben bei der mehr sakralen Bezeichnung und nennen ihn Glaubenszeugen und ,,Märtyrer der Nächstenliebe“.

Der Engel von Dachau

 PATER ENGELMAR HUBERT UNZEITIG (1911-1945)

 

Wichtige Aussagen (Auszüge) ehemaliger KZ-Priester

über den Mariannhiller Missionar Pater Engelmar Unzeitig

Seligsprechung am 24. September 2016 im Dom zu Würzburg

Vorbemerkung

Die Aussagen der hier aufgelisteten KZ-Dachau-Überlebenden stammen von katholischen Priestern, die Pater Engelmar Unzeitig persönlich gekannt haben – aus der Zeit ihrer gemeinsamen Haft in Dachau. Sie sind inzwischen alle verstorben, bis auf Pfarrer Hermann Scheibers, Jahrgang 1913. 2016 wurde er 103 Jahre alt. Er gehörte neben Pater Engelmar zu den relativ jungen katholischen Geistlichen, die während des Drittem Reiches in Dachau einsaßen. Rund 70 der das KZ überlebenden katholischen Priester lernte ich Anfang der 1980er Jahre persönlich kennen, die meisten auf einer alle zwei Jahre stattfindenden Versammlung ehemaliger KZ-Priester in Freiburg/Breisgau. Ihre Aussagen über Pater Engelmar und das Leben im KZ zählen zu den wertvollsten Zeit-Dokumenten, die wir zur Vorbereitung seiner Seligsprechung in Rom einreichen konnten. Zu den damaligen Live-Interviews kamen weitere Details, die mir in Briefen mitgeteilt bzw. mir aus späteren Telefongesprächen in Erinnerung blieben und festgehalten wurden. Die diesbezüglichen Originale und Mit-Schriften der Telefongespräche (vor allem aus der Zeit zwischen 1981 und 1984) befinden sich im CMM-Archiv in Rom. (ALB)

Pater Clemente Pereira SJ: „Ich hatte in der Priester-Baracke meinen Platz direkt hinter Pater Engelmar. Es ist irgendwie seltsam, dass ich nur ihn immer noch vor mir sehe. Ich hatte damals den Eindruck eines schlichten, bescheidenen und tief religiösen Priesters, der nicht viel redete, aber bestimmt dafür viel betete… er war ein Heiliger! Kein Zweifel. Ich nehme dieses Wort nicht schnell in den Mund. Aber bei Pater Engelmar ist es angebracht: Er war ein heiligmäßiger Priester!“ (1981)

Pater Franz Dabek SVD: „Ich sehe Pater Engelmar immer noch vor mir… Sein Bild steht unvergesslich (vor meinen Augen): Der Eindruck des Reinen, Unberührten, Gottgeweihten, vielleicht des Marianischen war vorherrschend… Er ist ein Heiliger!“ (1981)

Lagerdekan Prälat Georg Schelling: „Der beste Beweis dafür, dass Pater Engelmar ein Mann der Ordnung und der Standesdisziplin war, ist gerade der Umstand, dass ich nicht viel von ihm zu berichten weiß; er war nie im negativen Sinne aufgefallen. Andernfalls hätte ich damit zu tun gehabt; das wäre mir schon in Erinnerung geblieben. (1981)

Pfarrer Franz Schobesberger: „Ich hatte Pater Engelmar in Dachau als Tischnachbarn. Ich kann seine Liebeswürdigkeit und seine aufrichtige Freundlichkeit bezeugen, besonders seine Hilfsbereitschaft, wenn er mir, dem unerfahrenen Neuling im KZ, gern und unaufgefordert Ratschläge gab, die mir gute Dienste leisteten.“ (1982)

Pfarrer Josef Augst: „Ich kann nur sagen, dass er immer freundlich war, stets lächelte; ich weiß auch, dass er an der russischen Übersetzung der Heiligen Schrift oder des Katechismus arbeitete. Worüber ich mich damals gewundert habe.“ (1982)

Pfarrer Eugen Weiler: „Ich würde mich sehr freuen, wenn Pater Engelmar Hubert Unzeitig zur Ehre der Altäre erhoben würde, denn der Advocatus Diaboli dürfte im Prozess sicher kaum etwas vorbringen können.“ (1981)

Prälat Josef Albinger: „Mit Pater Engelmar verband mich tiefe Freundschaft. Wir waren zusammen in der Messerschmittfabrik von Dachau tätig. Es waren Tag- und Nachtschichten; alle vierzehn Tage wurde gewechselt. Da wurden auch Teile der berühmt-berüchtigten V-1 und V-2 hergestellt. Bei diesen Arbeiten war Pater Engelmar die Ruhe selbst; Ruhe und Halt in all der schrecklichen Unruhe des Konzentrationslagers. Er war gesammelt, freundlich, gelassen…“ (1982)

Pater Dr. Sales Hess OSB: “Einzelheiten weiß ich heute keine mehr über Pater Engelmar, aber ich bin überzeugt, dass er ein Held und Heiliger ist.” (1988)

Pfarrer Hermann Scheipers: „Pater Engelmar strahlte etwas Heiliges aus, ohne Worte, ohne große Gesten. Er war zweifellos einer der unauffälligsten und liebenswertesten Mitbrüder in Dachau. Ich habe ihn gut gekannt. Aber er war so bescheiden, dass man fast nichts über ihn sagen kann.“ (1981) –- „Ein wunderbar reines Lebensopfer in der Nachfolge Christi! Er starb kurz vor der Befreiung des Lagers; man kann ihn sicher in eine Reihe stellen mit Pater Maximilian Kolbe, der im Hungerbunker von Auschwitz für einen Familienvater sein Leben geopfert hat.“ (1983) –„Er hat mich von Anfang an beeindruckt, denn er strahlte sowohl Einfachheit, Demut und Bescheidenheit als auch eine dauernde innere Fröhlichkeit aus…“ (1984)

Pfarrer Heinz Römer: „In meinen Augen hätte auch er, Pater Engelmar Unzeitig, dieser Märtyrer der Nächstenliebe, es verdient, zur Ehre der Altäre erhoben zu werden.“ (1982)

Prälat Emil Kiesel: Pater Engelmar Hubert Unzeitig? Er war ein sehr lieber, wertvoller Mensch. Die Liebe in Person. Mehr kann ich nicht sagen. Das ist er gewesen: Liebe!“ (1982)

Abt Berthold Niedermoser: „Ich kannte Pater Engelmar persönlich. Sein Leben im KZ Dachau hat wirklich Vorbildcharakter. Vor seinem Eintritt ins Revier zur Pflege der Schwerst-Kranken sprach ich mit ihm und wies auf die Todesgefahr hin. Seine Antwort: Ich geh dahin, weil ich Jesus liebe, und um aus dieser Liebe heraus den Ärmsten helfen zu können und um durch Christi Liebesbeispiel sie zu Jesus zu führen. – Diese Aussage ist wohl gewichtig genug – und bezeugt Märtyrer-Charakter.“ (1994)

 

ZUSAMMENGESTELLT

VON PATER ADALBERT L. BALLING CMM