Predigt von Pater Dr. Hubert Wendl CMM beim Gottesdienst zu Ehren des Seligen Pater Engelmar Unzeitig CMM in Maria Veen:
Liebe Schwestern und Brüder!
Unser Alltag läuft nicht mehr rund, es ist gewaltig Sand in das Getriebe der Welt geraten. Ein unsichtbarer Virus hat uns aus der Bahn geworfen. Und so läuft vieles nicht mehr rund; im Getriebe der Welt knirscht es gewaltig und wir sind aus unserer Ordnung geworfen. Vieles gerät durcheinander.
Gerade diese Erfahrung hat auch Pater Engelmar gemacht. Sein Leben verlief in ziemlich geordneten Kreisen, auch wenn es immer wieder geknirscht hat, wie etwa der frühe Tod seines Vaters. Aber er hat immer wieder eine Ordnung für sich gefunden, so dass er seinen Weg finden konnte. Pater Engelmar hatte sich den Mariannhiller Missionaren angeschlossen, weil er in die Mission gehen und den Glauben verkünden wollte. Nach seiner Priesterweihe am 6. August 1939 – kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges – konnte er nur kurze Zeit als Priester in Würzburg, Linz und als Pfarrprovisor in Glöckelberg wirken. Am 21. April 1941 erfolgte seine Verhaftung und nach sechs Wochen Aufenthalt im Linzer Gefängnis die Überführung in das KZ Dachau.
Als junger Priester hat er sich um französische Kriegsgefangene gekümmert, wie dann als Gefangener im KZ Dachau vor allem um russische Inhaftierte, die ihm am Herzen lagen. Er hat sich da eingebracht, wo es sein eigenes Leben kosten sollte. Pater Engelmar hat sich nicht in sich selbst zurückgezogen, sondern im Gebet und in der Feier der heiligen Messe mit Gott kommuniziert und in aller Konsequenz anderen in ihren Leiden beigestanden. Es wird sogar berichtet, dass er im Konzentrationslager manchmal beinahe die Zählappelle verschwitzt hätte, weil er tief im Gebet vor dem Allerheiligsten in der Gefangenenkapelle versunken war.
Und dann geriet alles in Unordnung, es war nicht nur Sand ins Getriebe geraten, sondern es schien, als ob alle Zahnräder kaputt gingen und das Chaos ausbrach: Der Typhus brach im KZ aus – grenzenlos. Pater Engelmar und einige Mitbrüder wussten genau, dass diese Krankheit einen schweren Verlauf hat und unweigerlich zum Tod führt. Sein Vater war im Ersten Weltkrieg gerade an dieser Krankheit gestorben. Und nun stellt sich Pater Engelmar zur Verfügung, um diesen dem Tod geweihten Kranken zu helfen und ihnen beizustehen.
Sein Wunsch, in die Mission zu gehen, hat sich nicht erfüllt, aber er wurde nicht depressiv, sondern er erkannte, dass er auch hier „in diesem gottverlassenen Lager, in dem das Böse regiert und wo wir leicht glauben könnten, von Gott und der Welt in unserem Leiden verlassen zu sein“, wie er selbst schrieb, seine missionarische Berufung leben konnte.
Am 2. März 1945 starb Pater Engelmar, nachdem er sich bei der Pflege in den Typhus-Baracken selbst mit der tödlichen Krankheit angesteckt hatte. Einige Mitbrüder aus dem Priesterblock bemühten sich um seine Asche und schmuggelten sie auf abenteuerliche Weise aus dem KZ nach Würzburg. Nach seiner Seligsprechung im September 2016 wurde die Asche von Pater Engelmar im Altar unserer Kirche in Würzburg beigesetzt.
Es gibt viele Situationen, in denen unsere Welt aus den Fugen gerät, in der Sand ins Getriebe kommt und es gewaltig knirscht. Immer wieder lässt uns das Leben zweifeln:
„Warum lässt Gott das zu?“ Es ist eine Frage, auf die es keine andere Antwort gibt als den gelebten Glauben. Ein Glaube, der Tat werden will und der in Liebe antwortet, auch in der Umgebung von Hass und Gewalt. Der Glaube kann dann wieder Ordnung in unsere Herzen bringen. Auch wenn ich selbst gefesselt bin, bleibt das Wort Gottes frei und hat die Kraft, Fesseln abzustreifen. Es ist eine Freiheit, die auch uns in unserem Alltag tragen kann. So können dann auch wir sehen, wo unsere Liebe, wo wir selbst gebraucht werden. Denn „Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh“ schreibt Pater Engelmar in einem seiner letzten Briefe aus dem KZ.