Anlässlich des Gedenkgottesdienstes zu Ehren des Seligen Pater Engelmar Unzeitig CMM in der Kirche St. Marien in Maria Veen sagte Pater Dr. Hubert Wendl CMM folgendes: „Unser Alltag läuft nicht mehr rund. Der Coronavirus hat uns jetzt schon zwei Jahre aus der Bahn geworfen. Und nun knirscht es seit Tagen auch gewaltig im Getriebe der Welt. Wir sind völlig aus unserer Ordnung geworfen, die uns bisher getragen hat. Vieles gerät durcheinander, nicht nur in der Ukraine. Wir spüren, wie sehr alles zusammen hängt. Wie wir aufeinander angewiesen sind mit Handelsketten, mit Importen und Exporten. Auf einmal ist unser Leben, an das wir uns gewohnt haben, bedroht. Ein Krieg ist ausgebrochen – vor unserer Haustür. Menschen kämpfen, Menschen sterben und Menschen fliehen vor Gewalt und Terror.
Solche Erfahrungen hat auch Pater Engelmar gemacht. Sein Leben verlief in ziemlich geordneten Kreisen, auch wenn es immer wieder geknirscht hat, wie etwa der frühe Tod seines Vaters. Aber er hat immer wieder eine Ordnung für sich gefunden, so dass er seinen Weg finden konnte. Pater Engelmar hatte sich unserer Gemeinschaft angeschlossen, weil er in die Mission gehen und den Glauben verkünden wollte. Nach seiner Priesterweihe am 6. August 1939 – kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges – konnte er nur kurze Zeit als Priester in Würzburg, Linz und als Pfarrprovisor in Glöckelberg wirken. Am 21. April 1941 erfolgte seine Verhaftung und nach sechs Wochen Aufenthalt im Linzer Gefängnis die Überführung in das KZ Dachau – ohne Verurteilung und ohne Gerichtsurteil. Er wurde einfach aus dem Weg geräumt.
Als junger Priester hat er sich um französische Kriegsgefangene gekümmert, wie dann als Gefangener im KZ Dachau vor allem um Inhaftierte aus dem Osten. Er hat sich da eingebracht, wo es sein eigenes Leben kosten sollte. Pater Engelmar hat sich nicht in sich selbst zurückgezogen, sondern im Gebet und in der Feier der heiligen Messe mit Gott kommuniziert und in aller Konsequenz anderen in ihren Leiden beigestanden. Es wird sogar berichtet, dass er im Konzentrationslager manchmal beinahe die Zählappelle verschwitzt hätte, weil er tief im Gebet vor dem Allerheiligsten in der Gefangenenkapelle versunken war. Der Krieg im Land war allen – auch im KZ – bewusst. Diese Nachrichten konnten von der Zensur nicht zurückgehalten werden. Wo es ihnen möglich war, versuchten die Gefangenen aufeinander zuzugehen und sich gegenseitig beizustehen.
Der Krieg war da im Land – spürbar für alle. Und dann geriet alles noch mehr in Unordnung, es war nicht nur Sand im Getriebe geraten, sondern es schien, als ob alle Zahnräder kaputt gingen und das Chaos ausbrach zu Beginn des Jahres 1945: Typhus brach im KZ aus – grenzenlos und nicht aufzuhalten. Pater Engelmar und einige Mitbrüder wussten genau, dass diese Krankheit einen schweren Verlauf hat und unweigerlich zum Tod führt. Sein Vater war im Ersten Weltkrieg gerade an dieser Krankheit gestorben. Und nun stellt sich Pater Engelmar zur Verfügung, um diese dem Tod geweihten Kranken zu helfen und ihnen beizustehen.
Sein Wunsch, in die Mission zu gehen, hat sich nicht erfüllt, aber er wurde nicht depressiv, sondern er erkannte, dass er auch hier in diesem Lager, „in dem das Böse regiert und wo wir leicht glauben könnten, von Gott und der Welt in unserem Leiden verlassen zu sein“, wie er selbst schrieb, seine missionarische Berufung leben konnte – bis zur letzten Hingabe.
Am 2. März 1945 starb Pater Engelmar, nachdem er sich bei der Pflege in den Typhus-baracken selbst mit der tödlichen Krankheit angesteckt hatte. Einige Geistliche aus dem Priesterblock bemühten sich um seine Asche und schmuggelten sie auf abenteuerliche Weise aus dem KZ nach Würzburg. Nach seiner Seligsprechung im September 2016 wurde die Asche von Pater Engelmar im Altar unserer Kirche in Würzburg beigesetzt.
Es gibt viele Situationen, in denen unsere Welt aus den Fugen gerät, in der Sand ins Getriebe kommt und es gewaltig knirscht. Warum müssen Menschen in einem sinnlosen Krieg für den Machtanspruch eines Mannes sterben? Immer wieder lässt uns das Leben zweifeln: „Warum lässt Gott das zu?“
Es ist eine Frage, auf die es keine andere Antwort gibt als den gelebten Glauben. Ein Glaube, der Tat werden will und der in Liebe antwortet, auch in der Umgebung von Hass und Gewalt. Der Glaube kann dann wieder Ordnung in unsere Herzen bringen. Auch wenn ich selbst gefesselt bin, bleibt das Wort Gottes frei und hat die Kraft Fesseln abzustreifen. Es ist eine Freiheit, die auch uns in unserem Alltag tragen kann. So können dann auch wir sehen, wo unsere Liebe, wo wir selbst gebraucht werden.
Wir spüren die Angst, dass Fremdes uns überschwemmt; die Angst vor Hass, Mordlust und Krieg. Es fällt uns schwer zu reagieren und unseren Glauben zu bekennen. Der selige Pater Engelmar kann uns helfen, dass wir als Christen mehr Mut haben, dass wir uns nicht zurückdrängen lassen, dass das Chaos uns nicht beherrschen kann. Er kann uns helfen uns mit anderen zusammenzusetzen und gemeinsam über das Reich Gottes zu sprechen.
Wir müssen mit dem Glaubenszeugnis in die Öffentlichkeit, überzeugend mit einer ehrlichen christlichen Grundhaltung auftreten. Pater Engelmar kann uns helfen, mit unseren Mitteln, wo wir leben, uns für die Gerechtigkeit und für den Frieden einzusetzen.
Denn „Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh“ schreibt Pater Engelmar als Aufmunterung für sich – und für uns.“