Generalsuperior Pater Thulani Mbuyisa CMM bezeichnete den Seligen Pater Engelmar in seiner Predigt anlässlich der Fußwallfahrt nach Glöckelberg als Hymnus der Liebe
Eine große Schar von Pilgern war der Einladung der Missionare von Mariannhill zur Fußwallfahrt nach Glöckelberg gefolgt. Zum ersten Mal war auch Generalsuperior Pater Thulani Mbuyisa vor Ort und hielt die Festpredigt.
Predigt des Generalsuperiors Pater Thulani Mbuyisa in Glöckelberg am 16. Juni 2018
Seliger Pater Engelmar Unzeitig: Ein Hohelied der Liebe
Liebe Schwestern und Brüder in Christus,
haben Sie sich je gefragt, warum der Heilige Paulus das 13. Kapitel seines 1. Briefes an die Korinther schrieb, das auch als das „Hohelied der Liebe“ bekannt ist? Manche Kommentatoren glauben, der Zweck dieses schönen Liedes lag darin, dass Paulus die Gläubigen in Korinth ermahnen wollte, in der Liebe verwurzelt zu sein. Denn einige von ihnen prahlten aufgrund ihrer verschiedenen und in den eigenen Augen überlegenen Gaben. Die Christen in Korinth waren gespalten und protzten gerne über vieles von ihrem Reichtum bis hin zu ihren Begabungen. Um dieser Tendenz etwas entgegenzusetzen, hält Paulus die Liebe als die größte und beständigste Gabe hoch. Für ihn ist die Liebe die eine Gabe, die über allen anderen steht und alle Gläubigen sollen nach ihr verlangen.
Aber warum die Liebe? Die Antwort ist recht einfach. Es ist so, weil Gott die Liebe ist. Die Liebe ist von Gott und ist Gott.
Könnte es noch einen anderen Grund geben für das Hohelied der Liebe des Paulus? Ich glaube so. Für mich erstreckt sich die Bedeutung dieses Liedes weit hinaus über den gegenwärtigen Kontext zu anderen Kapiteln des 1. Briefes an die Korinther und in der Gesamtschau der paulinischen Theologie.
Der zutiefst gespaltenen christlichen Gemeinde von Korinth beschreibt Paulus die Gemeinschaft der Gläubigen zunächst als Leib Christi (1 Kor 12), der, obwohl aus vielen und verschiedenartigen Teilen bestehend, dennoch eins ist. Später in seinen Schreiben geht er noch weiter und stellt kategorisch fest, dass es in Christus Jesus nicht länger „Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, Männer oder Frauen …“ gibt (Gal 3,28). Mit solchen Bildern und Argumenten fordert Paulus die Christen auf, nach der Einheit zu streben. Aber von allen Sprachbildern, die er benutzt, ist das mächtigste: LIEBE.
Vielleicht wundern Sie sich, wie sich all dies auf unseren Mitbruder, den Seligen Pater Engelmar bezieht, dessen Gedächtnis wir heute feiern.
Eines der Worte, das er in seinen Briefen oft verwendet, ist LIEBE. Aus diesem Grund glaube ich tatsächlich, dass Pater Engelmar zu Gott hingezogen war, der die Liebe ist, und er sah, besonders in der dunklen Hölle der Gefängniszelle und des Todeslagers von Dachau, seine Berufung als eine Mission der Liebe und sich selbst als Missionar der Liebe.
Ich glaube, dass Pater Engelmar, wie der Hl. Paulus, mit seinem eigenen Leben ein Hohelied der Liebe geschrieben hat. Auf diese Weise hat er unseren Herrn Jesus Christus nachgeahmt. Nirgends wird dies deutlicher als da, wo sich der Lagerhäftling Nr. 26 147 mit anderen Geistlichen freiwillig am 11. Februar 1945 für die Typhusbaracken meldet. Der Selige Engelmar wusste, wie auch seine Mitbrüder im Lager, was ihn dort erwartete: Hunger, der Mangel an Desinfektionsmitteln, die katastrophale Überbelegung und vor allem Typhus.
Nach einem Bericht des Lagerdekans Schelling erzwang der Selige Engelmar nahezu seinen Weg in die Pflege der Typhusopfer. Pater Engelmar wusste klar um die Gefahren in den Typhusbaracken. Dennoch meldete er sich freiwillig, weil er von der Liebe selbst getrieben war.
Hier können wir eine Parallele ziehen zum Leiden und Sterben unseres Herrn. Das Leben und Sterben des Seligen Pater Engelmar ist daher für uns ein Hohelied der Liebe. Seine vielen Akte der Selbstentsagung (z.B. seine Nächstenliebe zu anderen hungernden Gefangenen), sein missionarischer Eifer (z.B. durch das Erlernen der russischen Sprache und dem Dienst an den russischen Gefangenen) und viele andere Beispiele zeichnen selbst in den Begrenzungen von Dachau das Bild einer Person, die die Seligpreisungen nicht nur predigte, sondern auch im Alltag lebte. All diese Taten deuten hin auf einen Priester und Missionar, der Liebe nicht nur predigte, sondern in seinem Leben verkörperte.
Meine lieben Schwestern und Brüder in Christus. Für mich ist das Leben des Seligen Pater Engelmar ein Zeugnis für die Liebe. Sein Leben und Sterben ist für mich eine Einladung an alle von uns Mariannhiller Missionaren, seine Brüder, zu einer unterschiedlichen Art des missionarischen Lebens. Eine, die uns drängt, unsere Wohlfühlzonen zu verlassen, aufzuhören unser Ego zu streicheln, und über unsere Eigeninteressen hinaus uns nach denen auszustrecken, die in den Worten von Papst Franziskus an den Rändern unserer Gemeinschaften, der Kirchen und der Gesellschaft leben. Ohne Zweifel ist das Leben des Seligen Pater Engelmar eine Einladung zu einer radikalen Treue unserer Berufung gegenüber. Sein Leben ist ein Aufruf, Fortschritte zu machen mit unseren Bemühungen, die Kongregation zu erneuern durch den Aufbau interkultureller Gemeinschaften. So werden wir zu Zeichen der Einheit in einer gespaltenen Welt. Leben und Tod von Pater Engelmar sind ein Zeugnis für den Gott der Liebe; der Liebe, die umarmt, vergibt, eint und versöhnt.
In Europa werden heute Nationalismus und die Furcht vor Einwanderern immer mehr zu einem „Ehrenzeichen“. In der Welt von heute kommen Sexismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus, Faschismus, Diktaturen und ein Verlust von Respekt für menschliches Leben und Menschenrechte immer mehr in die Mode. Der Welt bedeutet Profit mehr als das Wohlergehen von Menschen. Die Welt scheitert daran, die Korrupten zu bestrafen; sie scheitert daran, die jungen und verwundbaren Menschen vor sexuellem und anderem Missbrauch zu schützen. In einer solchen Welt und Kirche ragt Pater Engelmar hervor als ein Champion für Gerechtigkeit, als Missionar zu den nichterwünschten Menschen, zu den Kranken und den Sterbenden. Er steht vor uns als ein Apostel der Liebe.
In einer Welt, in der manche wie in Nordamerika und im Nahen Osten hohe Mauern bauen; in der eine Reihe von Regierungen in Europe und anderswo weit nach rechts abdriften, ruft uns der Selige Pater Engelmar auf, Katholiken zu sein, die Brücken bauen. Er drängt uns, Agenten geschwisterlicher Liebe zu sein und – wenn nötig – Märtyrer der Liebe.
Wir nennen ihn den Engel von Dachau, den Märtyrer der Nächstenliebe, und das zu Recht. Heute möchte ich ihn bezeichnen als unser eigenes „Hohelied der Liebe.“